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HBS Böckler Impuls

: Gründerboom ohne Gründungsklima

Ausgabe 06/2005

Deutschland holt auf: Die Zahl der Selbstständigen steigt stetig. Neue Hoffnungen für mehr Wachstum und Beschäftigung? Viele junge Existenzen gründen nicht zwingend auf einer zündenden Geschäftsidee. Am dauerhaften Beschäftigungseffekt zweifelt gar eine Studie des WZB.

Mittlerweile nimmt mehr als jeder zweite Existenzgründer den Weg über die Bundesagentur für Arbeit. Das heißt: Wer sich selbstständig macht, war vorher häufig arbeitslos, Tendenz steigend. Bereits seit 1986 können gründungswillige Arbeitslose das so genannte Überbrückungsgeld in Anspruch nehmen. Einen zusätzlichen Schub brachte der Start der Ich-AGs Anfang 2003: Im ersten Jahr hatte die Behörde nur mit 20.000 Anträgen für Ich-AGs gerechnet, am Ende waren es 97.000.

Der Boom der geförderten Existenzgründungen geht jedoch einher mit einem Rückgang der nicht geförderten. Die Zahl der mit einer Gewerbeanmeldung verbundenen Neugründungen insgesamt steigt zwar wieder leicht an, doch ohne die vormals arbeitslosen Neu-Unternehmer wäre die Bilanz klar negativ. Als Hauptgrund für diese Schere sehen die Forscher die konjunkturelle Lage: In den vergangenen Jahren wuchs die Zahl der Firmenpleiten, damit also das Risiko des Scheiterns. Im Gegenzug sehen wegen der anhaltend hohen Arbeitslosenzahlen immer mehr Arbeitslose einen Ausweg in der Selbstständigkeit.

Immerhin: Eine Untersuchung des Förderinstruments Überbrückungsgeld ergab, dass ein Großteil der so geförderten Unternehmen auch nach den sechs Monaten Förderphase noch existiert. Bei den Existenzgründungen auf der Basis der Ich-AG hält das WZB es noch für absolut ungeklärt, wie hoch der Beschäftigungseffekt tatsächlich sein wird. Bis zum November 2004 haben Ich-AG-Gründer keinerlei tragfähige Unternehmenskonzepte vorweisen müssen. Das habe Missbrauch und Mitnahmeeffekte ermöglicht, schreiben die Autoren. Wirklich beurteilen lasse sich dies aber erst nach Auslaufen der dreijährigen Förderung.

  • Deutschland holt auf: Die Zahl der Selbstständigen steigt stetig. Neue Hoffnungen für mehr Wachstum und Beschäftigung? Viele junge Existenzen gründen nicht zwingend auf einer zündenden Geschäftsidee. Am dauerhaften Beschäftigungseffekt zweifelt gar eine Studie des WZB. Zur Grafik

Günther Schmid, Karin Schulze Buschoff, Claudia Schmidt: Neue Selbstständige im europäischen Vergleich. Strukturen, Dynamik, Förderung und soziale Sicherung von neuer selbstständiger Erwerbsarbeit, Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung, 2004-2006

Karin Schulze Buschoff: Neue Selbstständigkeit und wachsender Grenzbereich zwischen selbstständiger und abhängiger Erwerbsarbeit - Europäische Trends vor dem Hintergrund sozialpolitischer und arbeitsrechtlicher Entwicklungen, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung, discussion paper, Juli 2004

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