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HBS Böckler Impuls

Gesundheit: Gespräche stören am meisten

Ausgabe 08/2007

Das Stresspotenzial von Bürolärm wird oft unterschätzt. Eine Studie zeigt, dass auch bei mittlerer Lautstärke Leistungsabfall und Gesundheitsstörungen auftreten können, vor allem bei komplexen Aufgaben.

Lärm am Arbeitsplatz ist nicht nur der Krach in der Maschinenhalle, der nach der Arbeitsstättenverordnung 85 Dezibel nicht überschreiten darf. Auch der Geräuschpegel im Büro ist nicht selten beachtlich: Das Telefon klingelt, der Drucker brummt, der PC-Ventilator rauscht, und Gespräche sind selbst noch am anderen Ende des Großraumbüros zu hören. Alles, was die Aufmerksamkeit auf sich zieht, lenkt von der Arbeit ab.

Die Folge: mehr Fehler oder zusätzliche Belastung durch höheren Konzentrationsaufwand. Die Dezibel-Empfehlungen der Arbeitsstättenverordnung für die Lautstärke am Arbeitsplatz sind für moderne Büroarbeitsplätze zu hoch und müssen angepasst werden, schreibt die Arbeitspsychologin Charlotte Sust: "Zur Belastung werden zunehmend auch niedrige Lärmpegel, weil die Tätigkeiten an Büroarbeitsplätzen komplexer und damit störanfälliger werden." Im Büro würden immer weniger Routinetätigkeiten ausgeübt. Zunehmend mehr Aufgaben erforderten ein höheres Maß an Planung, Selbstständigkeit, Problemlösungsprozessen, Kreativität und Verantwortung.

In ihrer Studie "Bildschirmarbeit und Geräusche" für die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin untersuchten Charlotte Sust und Hans Lazarus "die Auswirkungen von Geräuschen mittlerer Intensität auf simulierte Büro- und Bildschirmtätigkeiten unterschiedlicher Komplexität". Fünf Tage lang wurden 32 Versuchspersonen unter fünf verschiedenen Geräuschbedingungen bei unterschiedlichen Büroarbeiten beobachtet. Sie sammelten, prüften und verarbeiteten Informationen, verfassten Texte und führten Berechnungen durch.

Mit steigender Dezibelzahl brauchten die Versuchspersonen mehr Zeit: Sie mussten Zwischenergebnisse häufiger kontrollieren, öfter neu anfangen und wählten bisweilen eine umständlichere aber sicherere Art und Weise der Bearbeitung. Bei sehr komplexen Aufgaben tendierten sie dazu, den Auftrag nicht vollständig auszuführen oder die Arbeit ganz abzubrechen. Mit zunehmender Geräuschbelastung wuchs außerdem das Bedürfnis nach Erholungspausen.

Es zeigte sich, dass Geräusche mittlerer Lautstärke - zwischen 55 und 70 Dezibel - vor allem dann negative Auswirkungen hatten, wenn sie einen hohen Informationsgehalt besaßen. In diesen Fällen fiel es den Versuchsteilnehmern am schwersten, das Gehörte zu ignorieren - vor allem, wenn es Gespräche, besonders private, waren. Welche Geräusche stören am meisten? Psychologin Sust: "Mehr als alles andere sind das Unterhaltungen, die nichts mit der Arbeit zu tun haben. Diesen Privatgesprächen können sich die Kollegen nur schwer entziehen."

Das Problem entsteht vor allem im Großraumbüro. "Man kann von einer Leistungsminderung von 20 bis 30 Prozent ausgehen", so Charlotte Sust, "von psychosomatischen Beschwerden ganz abgesehen."

Deswegen Großraumbüros abzuschaffen, hält sie allerdings für verfehlt, denn diese seien wichtig für die Kommunikation. Vielmehr müsse man die Akustik verbessern, zum Beispiel durch abgehängte Decken aus schallschluckendem Material und durch linien- oder wellenförmig zwischen den Arbeitsplätzen aufgestellte Trennwände. Für ungestörtes Arbeiten ließen sich Denkerzellen schaffen; in kleinen Büros sollten die Kollegen einander den Rücken zuwenden, damit der eine beim Telefonieren den anderen nicht stört.

  • Ein hoher Geräuschpegel am Arbeitsplatz kann machen. Zur Grafik

Charlotte A. Sust: Lärmbeurteilung - Büro-Arbeitsplätze, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund 2004.

Charlotte A. Sust, Hans Lazarus: Bildschirmarbeit und Geräusche, Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin, Dortmund 2002.

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