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HBS Böckler Impuls

Arbeitsbedingungen: Fairer Austausch verbessert das Klima

Ausgabe 02/2015

Es ist eine der wichtigsten, gleichzeitig auch der am meisten unterschätzten Fragen der Arbeitswelt: Was macht ein gutes Betriebsklima aus? Eine empirische Studie zeigt: Entscheidend ist ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Geben und Nehmen.

Betriebsklima lässt sich nicht messen, nicht in Zahlen fassen, schon gar nicht in Strategiesitzungen beschließen. Es ergibt sich erst im alltäglichen Miteinander der Beschäftigten. In einem von der Hans-Böckler-Stiftung geförderten Projekt haben die beiden Sozialwissenschaftler Klaus Kock und Edelgard Kutzner von der TU Dortmund untersucht, was genau hinter dem Phänomen „Betriebsklima“ steckt. Die Forscher interviewten Beschäftigte, Vorgesetzte, Betriebsräte und Geschäftsführer in zwei Industrieunternehmen, bei zwei Dienstleistern und in zwei Behörden. Anhand dieser Fallbeispiele haben die Forscher mehrere Punkte herausgearbeitet, die zeigen, wie sich das Miteinander verbessern lässt.

In jedem Betrieb entstehe im Laufe der Zeit ein bestimmtes Verhältnis von Geben und Nehmen der Beschäftigten untereinander, so die Wissenschaftler. Zwar folge jedes Unternehmen seinen eigenen Regeln, mit einer ganz eigenen Dynamik. Dennoch gebe es immer wiederkehrende Muster: „Von schlechtem Betriebsklima war die Rede, wenn die Austauschbeziehungen dauerhaft als ungerecht und unsolidarisch angesehen wurden“, schreiben Kock und Kutzner. „Als gutes Betriebsklima galt, wenn die Verhältnisse als verlässlich und solidarisch interpretiert wurden.“

Beispiel 1: Engagement verlangt nach Anerkennung

Die beiden Forscher berichten von einem Unternehmen aus der Lebensmittelbranche. Die Firma stellt Brot und Brötchen her, sieben Tage die Woche, im Dreischichtbetrieb. Die meisten der 300 Beschäftigten arbeiten in der Produktion. Bei deren Befragung kam heraus, dass sehr viel von ihrer Eigeninitiative abhängt. Sie entscheiden selbständig, wenn es darum geht, die Maschinen einzustellen oder Fehlfunktionen zu beheben. Sie sorgen dafür, dass die Produktion weiterläuft, verschieben dafür ihre Pausen.

Im Gegenzug erwarten die Beschäftigten, dass sie an Entscheidungen beteiligt und nach ihren Kenntnissen gefragt werden. Genau das passierte in der Backwarenfirma aber nicht, haben Kock und Kutzner beobachtet. Die Arbeiterinnen und Arbeiter beklagten eine große Distanz zu ihren Vorgesetzten, sowohl räumlich als auch inhaltlich. Von oben kämen lediglich Anweisungen, oftmals nur schriftlich. Selbst neu eingeführte Gruppengespräche würden weniger zum Dialog genutzt, sondern vor allem um neue Anordnungen durchzugeben, kritisierten die Befragten.

Einerseits werde Engagement verlangt, anderseits aber Anerkennung verweigert, konstatieren die Forscher. Ein solches Missverhältnis führe zwangsläufig zu Spannungen, die im konkreten Fall bereits für Streitereien gesorgt hätten. „Die Beteiligung der Beschäftigten an Veränderungen sollte verbessert werden“, meinen die Wissenschaftler. Die Vorgesetzten sollten Hinweise und Kritik der Beschäftigten aufgreifen und dadurch zeigen, dass man sie und ihre Kompetenzen ernst nimmt. Anordnungen müssten erläutert, auf Einwände reagiert werden. Es gehe nicht ohne ein gewisses Maß an Einverständnis.

Beispiel 2: Veränderung braucht Verbindlichkeit

Auf ein anderes Problem sind die Wissenschaftler in der Verwaltung einer Kleinstadt gestoßen. Der Bürgermeister ist gleichzeitig oberster Chef der Stadtverwaltung. Er möchte etwas verändern, bringt viele Ideen mit, die er aus Gesprächen mit Bürgern gewinnt. Entscheidungen trifft er spontan, am liebsten „unbürokratisch“. Um seine Vorhaben durchzusetzen, hat er neue Führungskräfte eingesetzt. Dass er damit bei den Angestellten für Unruhe sorgt, ist ihm durchaus bewusst.

Das Problem hier: Die Beschäftigten müssten sich in der täglichen Arbeit zunächst einmal nach bestehenden Gesetzen, Erlassen und Vorschriften richten. Sie seien Neuerungen gegenüber zwar aufgeschlossen, stellten Kock und Kutzner in ihren Gesprächen fest. Allerdings vermissten sie eine klare Strategie, sie empfänden die spontanen Maßnahmen ihres Chefs als ständiges Hin und Her. Manches verbreite sich erst über den „Flurfunk“: „Hast du schon gehört?“.

Einzelne Beschäftigte klagten darüber, dass die Belastung zu groß sei und die Arbeit nicht gerecht verteilt werde. Wer den Ruf habe, gut improvisieren zu können und engagiert zu arbeiten, bekomme noch mehr Aufgaben zugeschoben. Andere wiederum hätten deutlich weniger zu tun. Eine der Befragten drückt das so aus: „Dummheit schafft Freizeit.“

Wenn Spontaneität und Routine aufeinandertreffen, komme es zwangsläufig zu Konflikten. Diese ließen sich nicht ganz vermeiden, meinen die Autoren. Entscheidend sei, wie die Beteiligten damit umgehen. Es komme darauf an, Verfahren zu verabreden, um zu klären, wie viel Improvisation möglich und wie viel Planung notwendig ist.

Beispiel 3: Wirtschaftlichkeit erfordert Anpassung

In einer weiteren Fallstudie begleiteten Kock und Kutzner einen sozialen Dienstleister, der sich zum Ziel gesetzt hat, arbeitslosen und benachteiligten Jugendlichen zu helfen. Die Organisation wurde vor 30 Jahren gegründet, sie zählt heute rund 200 Mitarbeiter. Die meisten haben einen sozialpädagogischen Hintergrund und sind schon lange im Betrieb. An der Spitze stehen vier Geschäftsleiter.

Im Vergleich zu anderen Unternehmen beobachteten die Forscher ein spezifisches Selbstverständnis der Beschäftigten. Es gehe ihnen – ganz im Einklang mit den erklärten Unternehmenszielen – nicht darum, möglichst viel zu verkaufen, sondern einen gesellschaftlichen Auftrag zu erfüllen. Dafür nähmen sie auch eine vergleichsweise geringe Bezahlung in Kauf. Die Arbeitsbelastung empfinden viele als hoch. Das Motiv, anderen helfen zu wollen, führe leicht dazu, sich selbst zu überfordern, so die Forscher.

Hinzu kommt: Das Unternehmen sei wirtschaftlichen Zwängen unterworfen, es müsse sich nach den Vorgaben der Bundesagentur für Arbeit richten. Diese zielten darauf ab, allein die Zahl der vermittelten Jobs zu steigern. Nach Ansicht der Beschäftigten werde dabei aber zu wenig darauf geachtet, die Menschen durch sozialpädagogische Arbeit auf einen Job vorzubereiten.

Obwohl sie die Kritik teilten, müssten die Führungskräfte dafür sorgen, dass die Vorgaben der Bundesagentur umgesetzt werden. Wenn nicht ständig neue Aufträge akquiriert würden, stünden letztlich auch die Jobs im eigenen Unternehmen auf dem Spiel. Es habe bereits Kündigungen gegeben. Die Beschäftigten erlebten ihre Vorgesetzten dadurch nicht nur als Unterstützer, sondern teilweise als Kontrolleure; obwohl eigentlich eine sehr stark dialogorientierte Kommunikation herrsche.

Spannungen entstehen in diesem Fall durch Druck von außen. Für ein gutes Betriebsklima wäre es wichtig, schreiben Kock und Kutzner, darüber zu diskutieren, ob die Arbeitsmarktpolitik vor Ort beeinflusst werden kann oder ob das Unternehmen seine Strukturen anpassen muss. Die Leitung müsse deutlicher machen, dass sie alles daran setzt, Stellen zu erhalten.

Fazit: Betriebsklima ist gestaltbar

Anhand dieser und weiterer Fallstudien zeigen die beiden Forscher, welche Probleme im täglichen Miteinander im Betrieb auftreten können – und was sich verbessern lässt. Dabei arbeiten sie zentrale Begriffe heraus, die für das Betriebsklima entscheidend sind, darunter etwa Mitbestimmung, Wertschätzung, Kollegialität oder Fairness, ebenso wie Autorität und Führung. Diese Faktoren sollten in einem ausgewogenen Verhältnis stehen.

So hätten Beschäftigte grundsätzlich kein Problem mit Führung, wenn diese sachlich gerechtfertigt und durch Regeln berechenbar sei, schreiben die Forscher. Allein mittels Anweisungen und Überwachung sei kein kooperatives Arbeiten möglich. Widerstände entstünden vor allem dann, wenn Macht willkürlich ausgeübt wird. Von einem guten Betriebsklima sei meist dann die Rede gewesen, wenn im Dialog ein Kompromiss gesucht wurde.

Es lohne sich, das Betriebsklima nicht als gegeben hinzunehmen wie das Wetter, sondern es zu gestalten, betonen die Wissenschaftler. Schließlich sei ein gutes Betriebsklima die Voraussetzung für Leistung, ein schlechtes Betriebsklima verursache Unzufriedenheit.

  • Die meisten Beschäftigten erleben eine gute Zusammenarbeit mit Kollegen, die direkte Hilfe von Vorgesetzten ist etwas weniger ausgeprägt. Zur Grafik
  • Drei Viertel der Frauen macht ihre Arbeit Spaß, bei den Männern sind es zwei Drittel. Mehr Männer sehen die Arbeit als reinen Broterwerb. Zur Grafik

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