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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Fachkräftemangel ungewiss

Ausgabe 19/2010

Aus Arbeitsmarktstatistik und Studentenzahlen lässt sich nicht ableiten, dass bald Ingenieure und Techniker fehlen werden.

Ein für die nahe Zukunft absehbarer Fachkräftemangel wird nicht nur häufig beklagt, sondern zuweilen auch recht genau beziffert. Dabei existiert jedoch kein anerkanntes wissenschaftliches Verfahren, mit dem sich auf Basis der vorhandenen Statistiken ermitteln lässt, wie viele Maschinenbauer oder Elektrotechniker der Volkswirtschaft fehlen werden. Darauf macht Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung in einer Studie aufmerksam. Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen etwa gebe keinen eindeutigen Aufschluss darüber, ob in einem Berufszweig Fachleute fehlen, erläutert Brenke. Offene Stellen entstehen zum Beispiel, wenn Beschäftigte die Firma wechseln - ohne dass insgesamt die Beschäftigtenzahl steigt oder Stellen dauerhaft unbesetzt bleiben. Auch die Zahl potenzieller Bewerber lasse sich anhand der Arbeitsmarktstatistik nur sehr grob abschätzen. Längst nicht alle Kandidaten sind arbeitslos gemeldet, etwa Berufseinsteiger, die keinen Anspruch auf Arbeitslosengeld haben. Für oder gegen einen beginnenden Fachkräftemangel gebe es daher allenfalls Indizien, sagt Brenke.

Der Wissenschaftler fand keine Anzeichen für ein zu knappes Arbeitskräfteangebot - "abgesehen vielleicht von Ärzten und wenigen Fertigungsberufen". Dieser Einschätzung liegen verschiedene Beobachtungen zugrunde:
Die gegenwärtige Lohnentwicklung deutet nicht darauf hin, dass sich das Angebot an Arbeitskräften verringert. Wenn ein Gut knapp ist, müsste sein Preis eigentlich steigen. Aber die Löhne, der Preis der Arbeit, stiegen auch bei angeblich knappen Fachkräften in den vergangenen Jahren kaum.

Vom Arbeitsmarkt gehen ebenfalls keine Signale aus, die sich als Vorboten eines Fachkräftemangels interpretieren lassen. Die Wirtschaft beschäftigt derzeit weniger Menschen mit naturwissenschaftlich-technischen Berufen als 2008, schreibt der Wissenschaftler. Mehr offene Stellen als gemeldete Arbeitslose gebe es aktuell lediglich bei Vulkaniseuren, Elektroinstallateuren, Ärzten und Krankenschwestern.

Das Ausbildungssystem sorgt zudem in akademischen Berufen für ausreichend Nachwuchs. Seit 2007 ist die Zahl der Ingenieursstudenten Brenke zufolge "sprunghaft gestiegen". Maschinenbau ist heute das zweitbeliebteste Studienfach. Der Anteil der Ingenieursstellen an allen Arbeitsplätzen hat in den vergangenen fünf Jahren hingegen kaum zugenommen. Etwas anders ist die Lage bei der dualen Berufsausbildung: Die Zahl abgeschlossener Azubi-Verträge in der Industrie ging in jüngster Zeit zurück. Vermutlich bilden die Unternehmen nicht mehr aus, "weil sie dies wegen eines ausreichenden Fachkräfteangebots nicht müssen", so Brenke.

Karl Brenke: Fachkräftemangel kurzfristig noch nicht in Sicht (pdf), DIW-Wochenbericht 46/2010.

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