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HBS Böckler Impuls

Innovationsförderung: Es muss nicht immer Nano sein

Ausgabe 06/2005

High-Tech bleibt, Low-Tech geht? So einfach ist es nicht: Auch im hoch entwickelten Industriestaat Deutschland können Low-Tech-Unternehmen mit guten Produkten und Ideen erfolgreich sein. Eine gezielte Innovationsförderung würde zusätzliche Chancen eröffnen, zeigt eine Auseinandersetzung mit den empirischen Ergebnissen internationaler Innovationsforschung.

Wenn von Innovationen die Rede ist, denken die meisten an High-Tech. Auch das Bundesforschungsministerium nennt im aktuellen "Bundesbericht Forschung" ausdrücklich die Lasertechnik sowie die Informations-, Bio- und Nanotechnologie als Zukunftsbranchen - Innovationen abseits der Hochtechnologie spielen in dem Bericht keine Rolle. 

Low-Tech wird unterschätzt

Damit wird Low-Tech doppelt unterschätzt: Erstens entstehen viele einfache Produkte in hochtechnisierten Anlagen - und sind damit Schrittmacher für High-Tech-Branchen wie den Maschinen- und Anlagenbau. Zweitens stellen die Betriebe mit niedrigen Forschungs- und Entwicklungsausgaben immer noch die meisten Industriearbeitsplätze (siehe Grafik). Gute Gründe für eine gezielte Innovationsförderung auch im Low-Tech-Bereich, argumentiert der Wirtschafts- und Industriesoziologe Professor Hartmut Hirsch-Kreinsen von der Universität Dortmund, die zu diesem Thema ein internationales Forschungsprojekt koordiniert.

Im Low-Tech-Feld seien Innovationen vor allem bei Prozess-Spezialisten und Problemlösern aussichtsreich. Der Prozess-Spezialist fertigt einfache Produkte, tut dies aber hoch effizient und mit größter Präzision. Der Problemlöser verbessert oder verändert laufend einfache Produkte, damit sie die Kundenbedürfnisse genauer treffen. Im Idealfall entsteht so eine neue Nische: "Sinalco" zeigt, wie dank geschickter Werbung und einer alten Marke aus einer gewöhnlichen Brause ein teuer bezahltes Kultgetränk wird. Und auch abseits von Modetrends können Unternehmen mit - scheinbar - einfachen Produkten wie Dachziegeln reüssieren.

Für eine stärkere Innovationsförderung im Low-Tech-Sektor spricht auch, dass High-Tech allein keine Garantie gegen Produktionsverlagerungen ist, argumentiert Kreinsen. Dem weltweiten Konkurrenzkampf kann sich der Chiphersteller genauso wenig entziehen wie der Textilproduzent: Infineon beispielsweise hat längst damit begonnen, große Teile seiner Produktion ins Ausland zu verlagern. Ende 2003 verkündete das Unternehmen das Aus für seine Chipfertigung in München-Perlach mit 800 Beschäftigten - und begann Anfang 2005 mit dem Bau einer neuen Fabrik in Malaysia mit 1.700 Arbeitsplätzen.

High-Tech ist keine Standortgarantie

Die Beratungsgesellschaft Boston Consulting hat die Wahrscheinlichkeit für eine Produktionsverlagerung in verschiedenen Industriebranchen systematisch untersucht. Eines ihrer Ergebnisse: Nicht nur Schuhe und Textilien, sondern auch Fernsehgeräte und Speicherchips werden voraussichtlich in wenigen Jahren zum größten Teil oder sogar ausschließlich im Ausland gefertigt und nach Deutschland importiert. Hingegen dürften einige Low-Tech-Erzeugnisse wie Papier, Teppiche oder Verpackungen kaum von Verlagerung bedroht sein: Bei diesen Produkten sei eine Abwanderung in Billiglohnländer wegen des geringen Lohnkostenanteils nicht attraktiv oder logistisch nicht möglich.

Angesichts der Gemengelage plädiert Kreinsen dafür, die gesamte Innovationskette ins Blickfeld zu nehmen und Zusammenhänge zwischen Low- und High-Tech stärker zu nutzen. Denn viele Low-Tech-Betriebe sind eher klein. Entsprechend haben sie selten eigene Forschungs- und Entwicklungsabteilungen und sind bei Innovationen auf das Wissen anderer Unternehmen, Kunden und Organisationen angewiesen. Funktioniert dieser Austausch, haben Low-Tech-Industrien auch in einem High-Tech-Land wie Deutschland "günstige Entwicklungspotenziale", so Kreinsen.

  • High-Tech bleibt, Low-Tech geht? So einfach ist es nicht: Auch im hoch entwickelten Industriestaat Deutschland können Low-Tech-Unternehmen mit guten Produkten und Ideen erfolgreich sein. Eine gezielte Innovationsförderung würde zusätzliche Chancen eröffnen, zeigt eine Auseinandersetzung mit den empirischen Ergebnissen internationaler Innovationsforschung. Zur Grafik

Hartmut Hirsch-Kreinsen: 'Low-Tech-Industrien': Innovationsfähigkeit und Entwicklungschancen, in: WSI-Mitteilungen 3/2005

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