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HBS Böckler Impuls

Familienfreundlichkeit: Eltern schätzen verlässliche Arbeitszeit

Ausgabe 17/2007

Planbare Arbeitszeiten und ein gutes Betriebsklima - das sind für Beschäftigte die wichtigsten Faktoren, um Beruf und Familie gut miteinander zu vereinbaren. Flexible Arbeitszeitmodelle dagegen haben weniger Einfluss als angenommen.

Wenn in einem Betrieb familiäre Belange bei der Arbeitszeitplanung berücksichtigt werden und die Kollegen verständnisvoll auf die Bedürfnisse von Müttern und Vätern reagieren, gelingt es am besten, Beruf und Familie zu vereinbaren. Um einen Betrieb familienfreundlicher zu gestalten, sind also weniger große Investitionen in die Infrastruktur nötig als vielmehr eine familienfreundliche Kultur im Umgang mit Beschäftigten, die Kinder betreuen.

Das zeigt eine Analyse der WSI-Forscherin Christina Klenner gemeinsam mit der Soziologin Tanja Schmidt. Sie werteten die Daten einer Befragung von 2.000 Beschäftigten aus. Die Ergebisse zeigen, welche Faktoren aus Sicht der Beschäftigten eine gute Vereinbarkeit von Arbeit und Familie beeinflussen und welche die Familienfreundlichkeit eines Betriebes. Die zentralen Befunde:

Kürzere Arbeitszeiten entlasten:

Die befragten Männer und Frauen wünschen sich im Durchschnitt deutlich kürzere Arbeitszeiten, als sie tatsächlich haben. Am zufriedensten sind Beschäftigte mit einer Wochenarbeitszeit zwischen 20 und 29,5 Stunden. Je kürzer und planbarer die Arbeitszeiten, desto wahrscheinlicher ist es, dass die Befragten der Vereinbarkeit von Beruf und Familie gute Noten geben.

Eine zentrale Aufgabe auf betrieblicher Ebene besteht also darin, den Wünschen nach kürzerer Arbeitszeit zu entsprechen, auch wenn es arbeitsorganisatorische Änderungen notwendig macht, folgern die Autorinnen. Arbeit zu Zeiten, die traditionell für Familienaktivitäten genutzt werden, wie das Wochenende, verschlechtert die Vereinbarkeitsbewertungen stark. Überraschend: Nachtarbeit wirkt sich positiv auf die Beurteilung aus. Offenbar lassen sich die Beschäftigten bewusst darauf ein und nutzen gerade diese Zeiten als Vereinbarungsstrategie.

Lieber planbar als flexibel:

Flexible Arbeitszeitmodelle, von denen allgemein angenommen wird, sie könnten auch für familiäre Zwecke genutzt werden, zeigen keine signifikanten Effekte auf die Beurteilungen. Das gilt für Überstundenkonten ebenso wie für Arbeitszeitabstimmungen im Team oder Vertrauensarbeitszeit. Nur Gleitzeit und Telearbeit erhöhen die Wahrscheinlichkeit, dass ein Betrieb als familienfreundlich eingeschätzt wird. Bei diesen Modellen bleibt das Verfügungsrecht über die Zeiten bei den Beschäftigten selbst. Insgesamt treten jedoch flexible Arbeitszeiten in ihrer Bedeutung gegenüber der Planbarkeit eindeutig zurück.

Eine Erklärung der Autorinnen: Viele Arbeitszeitkonten helfen weniger den Beschäftigten als dem Betrieb, die Arbeit flexibel zu steuern. Deshalb fließen solche Modelle negativ in die Bewertungen ein. Als besonders ungünstig wirkt sich aus, wenn Arbeit zu unvorhergesehen Zeiten, etwa auf Abruf, geleistet werden muss.

Entscheidend ist die Atmosphäre im Betrieb:

Am wichtigsten ist es den Befragten, wie der Betrieb mit familiären Belangen umgeht. Wenn diese bei der Festlegung der Arbeitszeit berücksichtigt werden, bewerten sie die Vereinbarkeit von Beruf und Familie als gut. Wenn Eltern ihre Rechte ohne Diskriminierung in Anspruch nehmen können, wird ein Betrieb als familienfreundlich bewertet. Das heißt zum Beispiel, dass die Kollegen bei Vereinbarungsproblemen wie Fehlzeiten wegen eines kranken Kindes Verständnis zeigen. Dahinter treten sogar die familienfreundlichen Maßnahmen in den Betrieben zurück, obwohl sowohl Ferienangebote für Kinder als auch finanzielle Maßnahmen für Familien durchaus geschätzt werden. Doch sind solche Angebote - etwa eine Notfallbetreuung - oft auf punktuelle Situationen zugeschnitten. Das Betriebsklima dagegen ist täglich relevant.

Lebensumstände wichtig:

Beschäftigte mit Partner schätzen die Vereinbarkeit ihres Familienlebens mit dem Arbeitsleben eher als gut ein als Alleinerziehende. Auch der Wohnort beeinflusst die Bewertungen. In kleinen Orten mit 2.000 bis 5.000 Einwohnern sind die Beurteilungen positiver. Die Autorinnen führen dies auf funktionierende familiäre und nachbarschaftliche Netzwerke zurück, die in Großstädten oft fehlt.

Ein überraschendes Ergebnis: Die Befragten bewerteten die Familienfreundlichkeit in kleinen Betrieben mit bis zu fünf Beschäftigten besser als in großen mit über 500 Mitarbeitern. 

  • Beschäftigte wünschen sich Planungssicherheit. Zur Grafik

Christina Klenner, Tanja Schmidt: Familienfreundlicher Betrieb - Einflussfaktoren aus Beschäftigtensicht, in: WSI-Mitteilungen 9/2007

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