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HBS Böckler Impuls

Betriebsräte: Der lange Weg zur globalen Vertretung

Ausgabe 06/2006

Ob bei BASF, Nestlé oder Volkswagen: Arbeitnehmervertretung findet zunehmend auf europäischer oder gar internationaler Ebene statt. Doch während die großen Konzerne inzwischen über alle Ländergrenzen hinweg operieren, hat die betriebliche und gewerkschaftliche Interessenvertretung der Globalisierung noch Aufholbedarf. So das Ergebnis einer Untersuchung der Fachhochschule Fulda.

Lange Zeit kümmerten sich die Gewerkschaften darum, dass Arbeitnehmer auf nationaler Ebene nicht gegeneinander ausgespielt werden konnten. Doch das reicht nicht mehr, denn bei Weltkonzernen wie VW geht es schon lange nicht mehr nur darum, ob Emden oder Zwickau den Zuschlag für einen Produktionsauftrag bekommen. Die Wolfsburger Autobauer gehören zu den insgesamt zehn Unternehmen weltweit, die einen Weltbetriebsrat gegründet haben. Ein solches Gremium regelt sowohl die Vernetzung der Arbeitnehmervertreter untereinander als auch die Ansprüche an die Unternehmensleitung in Sachen Information und Konsultation. Wie gut das funktioniert, lasse sich noch nicht sagen, schreiben die Autoren der Studie. Dafür seien die Gremien noch zu jung. Wo sie sich etablieren lassen, sind ihre Einflussmöglichkeiten beachtlich. So gelang es bei Volkswagen und DaimlerChrysler, globale Vereinbarungen zur Sicherung sozialer Mindeststandards zu schließen. An eine rasante Ausbreitung der Weltbetriebsräte glauben die Wissenschaftler allerdings nicht. Denn: Eine solche globale Interessenvertretung ist nur möglich mit dem Einverständnis der Arbeitgeberseite. Damit sei sie "allein vom politischen Willen und den Opportunitätserwägungen der Konzernleitungen abhängig".

Doch auch ohne Zustimmung des Managements ist einiges möglich. Bereits in den 60er- und frühen 70er-Jahren bildeten sich gewerkschaftliche Netzwerke. Damals sahen sie sich als "konzernbezogene Kristallisationspunkte eines weiter greifenden gewerkschaftlichen Internationalismus" - ohne durchschlagenden Erfolg. Die heutigen Netzwerke der Global Union Federations (GUFs) und ihrer Mitgliedsgewerkschaften backen etwas kleinere Brötchen, indem sie in einzelnen Konzernen gewerkschaftliche und gewerkschaftlich organisierte betriebliche Arbeitnehmervertreter global oder regional miteinander vernetzen.

Wesentliche Ziele solcher Netzwerke sind der Informationsaustausch und die solidarische Kooperation der Beteiligten. Häufig binden sie auch das Management schrittweise in ihre Arbeit ein. Weltweit gibt es etwa 50 globale Netze, die Hälfte in den Reihen des Internationalen Metallgewerkschaftsbundes. Sie versuchen, das Fachwissen der starken Gewerkschaften aus Ländern mit etablierten Strukturen an ihre Kollegen in Transformationsländern weiterzugeben - in Osteuropa, Afrika und Südostasien. Das soll auch den Druck innerhalb der Konzerne vermindern helfen, Löhne und Arbeitsbedingungen immer stärker abzusenken beziehungsweise zu verschlechtern. Mit einer flächendeckenden Ausbreitung rechnen die Autoren  ebenfalls nicht. Knackpunkte sind die geringen Kapazitäten: "Die GUFs sind nicht in der Lage, die notwendigen finanziellen, aber auch personellen und organisatorischen Ressourcen bereitzustellen, um die Netzwerkbildung über wenige Einzelfälle hinaus zu verbreitern und die Kontinuität der Netzwerke zu gewährleisten."

Mit ähnlichen Problemen kämpfen die so genannten Basisnetze. Sie haben ihren Ursprung in der internationalen Solidaritätsbewegung gegen die Unterdrückung der brasilianischen und südafrikanischen Gewerkschaftsbewegungen Ende der 70er- bis Anfang der 80er-Jahre. Basisaktivisten sind gewerkschaftlich orientierte, aber nicht immer organisierte Beschäftigte oder Arbeitnehmervertreter. Sie bringen Zeit und Geld ein, um Beziehungen zu Kolleginnen und Kollegen in anderen Ländern aufzubauen. Als Beispiele langjähriger und relativ weit reichender Basisnetze haben die Forscher den Arbeitskreis "Internationale Solidarität" bei Volkswagen und das "internationale DaimlerChrysler-Netzwerk" ausgemacht. Insgesamt ist die Zahl dieser Netzwerke jedoch gering geblieben.

  • Ein Überblick über Ressourcen und Möglichkeiten der Beschäftigten-Vertretung in Konzernen. Zur Grafik

Thorsten Müller, Hans-Wolfgang Platzer, Stefan Rüb: Weltbetriebsräte und globale Netzwerke - Instrumente globaler Solidarität?, in: WSI-Mitteilungen 1/2006.

Thorsten Müller, Hans-Wolfgang Platzer, Stefan Rüb: Grenzübergreifende Arbeitsbeziehungen in globalen Konzernen, Arbeitspapier Nr. 98 der Hans-Böckler-Stiftung, November 2004. Arbeitspapier zum Bestellen.

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