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HBS Böckler Impuls

Verteilung: Demografie verstärkt Ungleichheit

Ausgabe 01/2011

Die demografische Entwicklung hat auch Auswirkungen auf die Einkommensverteilung: Veränderungen der Bevölkerungsstruktur dürften mit einer weiteren Polarisierung einhergehen.

Demografische Veränderungen beeinflussen die Einkommenssituation der Bevölkerung: Wenn etwa mehr Menschen mit niedrigen Einkommen allein leben statt in einer Gemeinschaft mit Beziehern höherer Einkommen, nimmt die Polarisierung zu. Da unterschiedliche Altersgruppen unterschiedlich hohe Durchschnittseinkommen aus Erwerbstätigkeit, Sozialsystemen oder vom Kapitalmarkt beziehen, führen Änderungen in der Altersstruktur auch zu Veränderungen der Einkommensverteilung. Zudem wirken demografisch begründete Arbeitsmarkt- und Sozialreformen auf die Verteilung. All diese Effekte ließen für die Zukunft "eine wesentlich ungleichmäßigere personelle Einkommensverteilung in Deutschland als bis dato erwarten", schreibt der Wirtschaftsforscher Jürgen Faik, der den Zusammenhang zwischen Demografie und Einkommensverteilung untersucht hat.

Von 1995 bis 2007 ist der Anteil der unter 30-Jährigen an der Bevölkerung von etwa 36 auf gut 31 Prozent gesunken, während der Anteil der über 60-Jährigen von 23 auf 27 Prozent zunahm. Dies ist an Daten des Sozio-oekonomischen Panels (SOEP) abzulesen. Gleichzeitig sind die Einkommensunterschiede gewachsen. Faiks Modellrechnungen machen deutlich, wie beides zusammenhängt: Bei unveränderter Altersstruktur der Gesellschaft hätten die Einkommensdifferenzen weniger zugenommen. Anders ausgedrückt: Wegen der demografischen Veränderungen war der Ungleichheitsindikator höher, als er es bei konstanter Altersstruktur gewesen wäre - je nach Beobachtungsjahr zwischen 1,7 und 4,6 Prozent.

Allerdings zeigen die Berechnungen auch: Einen noch deutlicheren Einfluss auf die zunehmende Ungleichheit hat die Spreizung der Einkommen innerhalb der einzelnen ­Altersgruppen. Der Wissenschaftler spricht dabei von indirekten Effekten, weil sich die zugrunde liegenden Verteilungsmechanismen auch aus demografischen Gründen verändert haben, etwa durch demografisch begründete Reformen von Arbeitsmarkt und Altersicherungssystem. Gegenüber einer hypothetischen Situation mit seit 1995 unveränderter Einkommensstreuung innerhalb der einzelnen Altersgruppen stieg das Maß der Ungleichheit beispielsweise im Jahr 2007 um 61 Prozent. Faik nennt verschiedene - indirekt oder direkt mit demografischen Veränderungen zusammenhängende - Gründe für die gewachsene gruppeninterne Ungleichheit:

  • eine gestiegene Bedeutung von Kapitaleinkommen - die typischerweise ungleichmäßiger als Arbeitseinkommen verteilt sind;
  • die Folgen des sozialpolitischen Paradigmenwechsels, der mit der Ausbreitung von atypischen Arbeitsverhältnissen und einer wachsenden Lohnspreizung einherging und
  • Veränderungen in der Haushaltsstruktur: Es kommt immer seltener vor, dass Paare mit deutlich unterschiedlichem Bildungsstand und Einkommen zusammenfinden.

In einer Projektion bis 2015 schreibt der Wissenschaftler die Trends der vergangenen Jahre fort. Ergebnis: Ein "markanter Ungleichheitsanstieg". Dieser resultiere im Wesentlichen aus den unterschiedlichen Einkommensverhältnissen innerhalb der Altersgruppen, so der Wissenschaftler. Dies verweise darauf, dass auch andere als rein demografische Effekte für die Ungleichheit der Einkommen bedeutsam seien.

  • Die Einkommensverteilung hat sich in den vergangenen 15 Jahren zunehmend polarisiert. Zur Grafik

Jürgen Faik: Demografie und Einkommensungleichheit, in: WSI-Mitteilungen 1/2011

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