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HBS Böckler Impuls

Kündigungsschutz: Berechenbarkeit für Millionen

Ausgabe 15/2009

Der Kündigungsschutz steht wieder in der politischen Debatte. Dabei widerlegen etliche Studien Annahmen über angeblich negative Wirkungen.

Derzeit gilt der Kündigungsschutz erst in Betrieben mit mehr als 10 Beschäftigten. Stiege dieser Schwellenwert auf 20, fielen laut dem aktuellen Betriebspanel des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zusätzlich mehr als 300.000 Betriebe mit knapp vier Millionen Beschäftigten aus dem Geltungsbereich des Gesetzes heraus. Allein dadurch stünden insgesamt zehn Millionen Beschäftigte im Falle einer ungerechtfertigten Kündigung ohne Schutz nach dem Kündigungsschutzgesetz da - knapp 30 Prozent aller Beschäftigten.

Doch die Vorstellungen mancher Kündigungsschutz-Gegner gehen weiter: Sie wollen auch noch die Wartezeit für die Anwendbarkeit des Gesetzes anheben: Statt wie bisher nach sechs Monaten Betriebszugehörigkeit könnten Arbeitnehmer dann erst nach zwei Jahren auf diese Absicherung bauen. Das würde zusätzlich etliche Millionen Beschäftigte schlechter stellen. Eine aktuelle Befragung des WSI zur Beendigung von Arbeitsverhältnissen zeigt, dass in Betrieben mit mehr als 20 Beschäftigten 53 Prozent aller Gekündigten zuvor kürzer als zwei Jahre beschäftigt waren. Sie fielen nach diesen Plänen dann auch noch aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes heraus - wegen nicht erfüllter Wartezeit.

Die Konsequenzen wären weitreichend, auch wenn eine Einschränkung des Kündigungsschutzes gewissermaßen schleichend eingeführt würde und nur für Neueinstellungen gilt. Denn der deutsche Arbeitsmarkt verzeichnet über das Jahr eine starke Fluktuation. Nach IAB-Berechnungen beginnen in Deutschland in wirtschaftlich einigermaßen normalen Jahren jährlich mehr als sieben Millionen Menschen ein neues Arbeitsverhältnis - etliche in Kleinbetrieben.

"In und nach der aktuellen Wirtschaftskrise würde sich eine Einschränkung des Kündigungsschutzes drastisch auswirken. Das ist widersinnig, weil sich in dieser Krise klar zeigt, welchen Wert das Arbeitsrecht hat: Es ist ein wichtiger gesellschaftlicher Stabilitätsfaktor, denn es gibt Millionen Menschen das Gefühl von Berechenbarkeit", sagt Heide Pfarr, Professorin für Arbeitsrecht und Wissenschaftliche Direktorin des WSI. "Wer den Kündigungsschutz einschränkt, setzt diese Stabilität aufs Spiel - ohne viel dafür zu bekommen."

Forschungsprojekte des WSI und an Hochschulen bestätigen das. Sie haben auf breiter empirischer Basis untersucht, wie sich der Kündigungsschutz auswirkt:

Wenn Arbeitgeber Arbeitsverhältnisse beenden, läuft das für sie zumeist relativ konfliktarm und ohne hohe Kosten ab. Vom Arbeitgeber Gekündigte klagen nur selten: 2000 lag die Klagequote bei elf, 2007 bei zwölf Prozent. 

Auch Abfindungen fließen nicht sehr häufig: Nur zehn Prozent bekamen bei der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses eine Abfindung, unter allen vom Arbeitgeber Gekündigten waren es lediglich 16 Prozent.

Personaler haben mit dem Kündigungsschutz weniger Probleme, als Kritiker und manche standardisierte Umfrage nahe legen, ergab eine Studie der Universität Hamburg. Für über 90 Prozent der Befragten spielt die wirtschaftliche Lage des Unternehmens eine wichtige Rolle. Weniger als ein Drittel der Personaler sieht das Arbeitsrecht als wichtiges Kriterium. Daher hatten auch nur gut 16 Prozent der Befragten in den drei Jahren vor der Befragung auf Neueinstellungen verzichtet. 14 Prozent hatten sie zeitlich verschoben.

Auch mit der "Abfindungsoption", die von manchen Gegnern des Kündigungsschutzes favorisiert wird, hat sich das WSI schon beschäftigt. Sie setzt voraus, dass sich Bewerber und Personalabteilung vorab darauf einigen, ob im Fall einer Kündigung der Kündigungsschutz greifen oder eine Abfindung fließen soll. "Die meisten Beschäftigten dürften aber wenig Chancen haben, sich frei zu entscheiden", sagt Heide Pfarr. Denn Stellenbewerber können nur selten Einfluss auf die inhaltliche Gestaltung ihrer Arbeitsverträge nehmen, zeigt eine WSI-Untersuchung. 

  • Stiege der Schwellenwert des Kündigungsschutzgesetzes auf Betriebe mit mehr als 20 Beschäftigten, fielen zusätzlich knapp vier Millionen Beschäftigte aus dem Geltungsbereich des Gesetzes heraus. Zur Grafik
  • Wenig Bedeutung für Personalpolitik: Personaler haben mit dem Kündigungsschutz weniger Probleme, als Kritiker und manche standardisierte Umfrage nahe legen, ergab eine Studie der Universität Hamburg. Zur Grafik

Alle Forschungsergebnisse zum Thema Kündigungsschutz

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