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Bei Energieembargo droht Rezession Böckler Impuls

Konjunktur: Bei Energieembargo droht Rezession

Ausgabe 07/2022

Ein sofortiger Stopp russischer Energielieferungen hätte enorme wirtschaftliche Folgen. Berechnungen des IMK liefern Hinweise darauf, dass der Einbruch heftig sein könnte.

Eine abrupte Unterbrechung von Energielieferungen aus Russland – sei es durch Verzicht oder Lieferstopp – würde eine tiefe Rezession in Deutschland verursachen. Das ergeben Berechnungen, die das IMK mit dem international eta­blierten Konjunkturmodell NiGEM durchgeführt hat. 

Eine grundsätzliche Schwierigkeit ist laut den Forschern dabei, dass das NiGEM-Modell einen solchen Schock nur zum Teil abbilden kann. Es erfasse zwar Auswirkungen vergangener Energiepreisschocks gut. Ein kompletter Stopp der russischen Energielieferungen wäre allerdings „ein absolutes Novum für die deutsche Wirtschaft“, so Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor des IMK. In der Simulation würde ein totaler Lieferstopp derart hohe Gaspreise nach sich ziehen, dass das Modell instabil wird.

Schon ein Preisanstieg, der nur die Hälfte der bei einem Lieferstopp zu erwartenden Lieferlücke schließen würde, verursacht in den IMK-Simulationen einen Einbruch des Bruttoinlandsprodukts 2022 um sechs Prozent gegenüber dem Basisszenario. „Die wirtschaftlichen Folgen wären also dramatisch, auch wenn man mit genauen Zahlen vorsichtig sein muss“, so Dullien. 

Umso mehr gelte das für andere Modellrechnungen, die nur moderate Auswirkungen nahelegen und deren Ergebnisse zuletzt in der Öffentlichkeit diskutiert wurden. Darin würden viele Wirkungskanäle vernachlässigt, „von denen wir wissen, dass sie in vergangenen Krisen zentral für die Tiefe und Dauer des Einbruchs der Wirtschaftsaktivität waren“, so Dullien. Zu wenig berücksichtigt würden in manchen Modellen etwa die komplexen Verflechtungen im Energiehandel oder die mögliche Reaktion der Finanzmärkte. Überschätzt würden dagegen die Möglichkeiten der Zentralbank, die Inflation im Falle eines derartigen Schocks zu kontrollieren, und die Möglichkeiten des Staates, in dieser Situation Beschäftigung zu sichern.

„Ein Energieembargo wäre natürlich eine politische Entscheidung, bei der zahlreiche Erwägungen einfließen. Wir wollen darauf hinweisen, dass die wirtschaftlichen und auch die sozialen Folgen mit höchster Wahrscheinlichkeit gravierend wären und die Wirtschaftspolitik bereit sein muss, entsprechend zu reagieren“, erklärt Dullien.

Podcast Systemrelevant


Im Podcast „Systemrelevant“ spricht IMK-Direktor Sebastian Dullien über die Auswirkungen eines ­sofortigen Stopps russischer Energielieferungen ­ und über die Grenzen ökonomischer Modelle.

Sebastian Dullien, Alexander Herzog-Stein, Peter Hohlfeld, Katja Rietzler, Sabine Stephan, Silke Tober, Sebastian Watzka: Ukraine-Krieg erschwert Erholung nach Pandemie, IMK-Report Nr. 174, März 2022

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