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Arme Familien stärker belastet Böckler Impuls

Inflation: Arme Familien stärker belastet

Ausgabe 10/2022

Familien mit geringen Einkommen tragen aktuell die höchste Inflationsbelastung, Singles mit hohen Einkommen die geringste.

Infolge des Ukrainekriegs und der weiterhin durch die Corona-Pandemie gestörten Lieferketten stiegen die Verbraucherpreise im April um 7,4 Prozent. Dabei sind die Unterschiede je nach Haushaltskonstellation und Einkommen erheblich, zeigt der IMK-Inflationsmonitor: Die Differenz zwischen ärmeren Familien und wohlhabenden Alleinlebenden betrug 1,8 Prozentpunkte. Das liegt daran, dass die aktuell wichtigsten Preistreiber – Haushaltsenergie, Kraftstoffe und Lebensmittel – unterschiedlich stark durchschlagen: Bei Familien mit zwei Kindern und niedrigem Einkommen machen diese drei Komponenten 5,8 Prozentpunkte der haushaltsspezifischen Inflationsrate von 8,0 Prozent aus. Bei Alleinstehenden mit hohem Einkommen sind es hingegen 3,1 Prozentpunkte von insgesamt 6,2 Prozent. 

Die Entlastungspakete der Bundesregierung haben nach Analyse der Forschenden durchaus eine soziale Komponente, aber längst nicht in jeder Konstellation: Sie dürften zwar erst einmal den absehbaren Effekt der starken Teuerung für „Erwerbstätigen-Haushalte mit niedrigen bis mittleren Einkommen und insbesondere Familien substanziell“ lindern, schreiben Sebastian Dullien und Silke Tober vom IMK. Sie veranschlagen beispielsweise für eine typische vierköpfige Familie mit zwei Erwerbstätigen und niedrigem Haushaltseinkommen für das Gesamtjahr 2022 eine Entlastung um 1006 Euro, während diese Familie durch die Preisexplosion von Januar bis April insgesamt 398 Euro zusätzlich für Haushaltsenergie, Kraftstoffe und Lebensmittel ausgeben musste. Schwächer fällt die Entlastung bei Allein­erziehenden und Familien aus, in denen nur ein Elternteil erwerbstätig ist. Eine gravierende Lücke zeigt sich insbesondere bei Rentnerinnen und Rentnern, gerade mit niedrigen Einkommen: Deren Belastung durch stark gestiegene Energie- und Nahrungsmittelpreise war bereits im Viermonatszeitraum von Januar bis April mehr als dreimal so hoch wie die für das Gesamtjahr vorgesehene Entlastung. „Hier muss nachgesteuert werden, um soziale Härten und eine weitere Spreizung der sozialen Schere zu verhindern“, mahnen Dullien und Tober. Je nach Verlauf der Pandemie und des Ukraine­krieges müssten Haushalte mit geringen Einkommen weiter unterstützt werden. 

„Die haushaltsspezifischen Inflationsraten zeigen, dass Haushalte mit geringeren Einkommen durch den Preisanstieg bei Haushaltsenergie überproportional belastet sind und sich auch die Verteuerung der Nahrungsmittel stärker niederschlägt“, schreiben Dullien und Tober. Dieser Trend könnte sich nach Analyse des IMK in den kommenden Monaten weiter verschärfen, da bisher noch nicht alle Preissteigerungen von Haushaltsenergie im Großhandel an die Privathaushalte weitergegeben wurden. Erschwerend kommt hinzu, dass Gas, Strom, Heizöl und Nahrungsmittel als Waren des Grundbedarfs bei den Ausgaben ärmerer Haushalte sehr stark ins Gewicht fallen, während sie bei Haushalten mit hohen Einkommen und insbesondere bei wohlhabenden Alleinlebenden einen deutlich kleineren Anteil des Warenkorbs ausmachen. Bei Familien mit Kindern und niedrigen bis mittleren Einkommen schlagen aktuell zudem die hohen Preise für Kraftstoffe relativ stark zu Buche. 

Die haushaltsspezifische Inflationsrate bei Alleinlebenden mit geringen Einkommen ist nach der Analyse aktuell noch leicht unterdurchschnittlich, weil sie auf hohe Ausgaben für Fahrzeugkauf oder Reisen – beides ist ebenfalls deutlich teurer geworden – mangels finanzieller Möglichkeiten ohnehin verzichten müssen. Eine fortgesetzte Preissteigerung bei der Haushaltsenergie werde aber auch ärmere Alleinstehende empfindlich treffen. Hinzu kommt: Grundsätzlich haben Haushalte mit niedrigem Einkommen ein besonderes Problem mit starker Teuerung, weil sie vor allem unverzichtbare Alltagsgüter kaufen und kaum Spielräume besitzen, ihr Konsumniveau durch Rückgriff auf Erspartes aufrechtzuerhalten.

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