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HBS Böckler Impuls

Kündigungsschutz: Arbeitsrecht: Kaum Einfluss auf neue Jobs

Ausgabe 14/2006

Erschwert der Kündigungsschutz Neueinstellungen? Wohl kaum: Für die meisten Personaler besteht gar kein Zusammenhang zwischen arbeitsrechtlichen Regelungen und neuen Arbeitsplätzen.

Das Zentrum für Personalforschung an der Universität Hamburg interviewte im Rahmen einer laufenden Studie 41 Personalverantwortliche von kleinen, mittelständischen und großen Unternehmen dazu, wie sie arbeitsrechtliche Bestimmungen wahrnehmen, umsetzen und beurteilen. Die Befragten konnten den Wissenschaftlern ausführlich eigene Erfahrungen, Einstellungen und Verhaltensweisen berichten.

Die Frage: "Welche Rahmenbedingungen beeinflussen die Entscheidungen für oder gegen Neueinstellungen?" erzeugte bei vielen Interviewpartnern zunächst Unverständnis. Erst nach dem Zusatzhinweis, dass beispielsweise der Kündigungsschutz die Einstellungsentscheidung beeinflussen könnte, fiel immerhin drei Interviewten ein: Der Kündigungsschutz spiele für die Neueinstellungen eine erhebliche Rolle. Weitere sechs Personaler hielten den Kündigungsschutz zwar für relevant, aber nicht ausschlaggebend. Sie nannten unterschiedliche Ausweichstrategien - jedoch zugleich auch andere Faktoren, welche die Neueinstellungen wesentlich mit beeinflussen. Rund die Hälfte der Befragten sah die Ertrags- oder Auftragslage sowie die wirtschaftliche Situation des Unternehmens als die größten Einflussfaktoren für Neueinstellungen. Etwa ein Viertel der Personalverantwortlichen wies darauf hin, dass die Qualifikationen der zukünftigen Mitarbeiter ausschlaggebend für Neueinstellungen seien.

 => Kündigungsschutz keine "Job-Bremse"

"Im praktischen Alltag der Personalverantwortlichen scheinen der Kündigungsschutz und andere arbeitsrechtliche Bestimmungen keine große Rolle bei der Entscheidung für Neueinstellungen zu spielen", urteilen die Hamburger Forscher. Die gern verwendete Metapher des Kündigungsschutzes als "Job-Bremse" sei fehl am Platz.

Trotzdem ergab eine Studie des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft im Jahr 2004 genau dies. Damals beantworteten 859 Unternehmen die Frage: "Unter welchen Bedingungen würden Sie in Ihrem Unternehmen zusätzliche Arbeitsplätze schaffen?" Die Antworten waren vorgegeben, Mehrfachnennungen möglich. Die Folge: Mit den entsprechenden Vorgaben in Richtung Lockerung der Arbeitgeberpflichten sahen dann auch 70 Prozent den Kündigungsschutz als "Job-Bremse".

 => Phänomen des "gefühlten Arbeitsrechts"

Wie lässt sich erklären, dass Wahrnehmung und Wirklichkeit des Arbeitsrechts so weit auseinanderklaffen? Wohlfeile Äußerungen im Rahmen einer standardisierten Befragung seien eher dem "gefühlten Arbeitsrecht" zuzuordnen, mutmaßen die Hamburger Wissenschaftler. Die im Rahmen der qualitativen Interviews geäußerten Erfahrungen und Praktiken der Personalverantwortlichen dürften dagegen eher einem "gelebten Arbeitsrecht" entsprechen, in dem die tatsächlichen Erfahrungen zum Tragen kommen. "Die Ergebnisse der IW-Studie sind eher als unternehmerische Wunschliste einzuordnen, denn als Schlüssel zu mehr Beschäftigung", folgern die Hamburger Personalforscher um die Professoren Florian Schramm und Ulrich Zachert.

Die neuen Ergebnisse aus Hamburg decken sich mit einer früheren Untersuchung des WSI aus dem Jahr 2003: Bei der Entscheidung über neue Stellen spielt für Personalverantwortliche der Kündigungsschutz keine Rolle. "Alle Variablen, die etwas über die Grundhaltung der Personaler zum Arbeitsrecht aussagen, wirken sich nicht auf die Schaffung neuer Stellen aus", fasst Heide Pfarr, Wissenschaftliche Direktorin des WSI, die Ergebnisse zusammen.

Die Wissenschaftler fragten 2.000 Personaler nach dem wichtigsten arbeitsrechtlichen Reformprojekt. Ein knappes Drittel von ihnen sah keinerlei Reformbedarf, ein gutes Drittel hielt das Kündigungsschutzgesetz für reformbedürftig. Doch egal, wie die Meinung zu den geltenden Regeln ist: Auf das Einstellungsverhalten der Personalverantwortlichen haben sie keinen Einfluss. Noch nicht einmal diejenigen, die das Arbeitsrecht für zu rigide halten, lassen sich von diesem in ihrem Einstellungsverhalten beeinflussen.

Auch Erfahrungen mit den bestehenden Regelungen halten die Unternehmen nicht davon ab, bei Bedarf neue Leute einzustellen, so das WSI. Selbst eine Auseinandersetzung vor dem Arbeitsgericht - wegen einer Kündigungsschutzklage - hat keinen Einfluss auf die Schaffung neuer Stellen.

  • Unter den Gründen für oder gegen eine Einstellung eines neuen Kollegen spielt der Kündigungsschutz eine nachrangige Rolle. Zur Grafik

Florian Schramm, Ulrich Zachert: Das Arbeitsrecht in der Personalpolitik: Eine qualitative Studie zur personalwirtschaftlichen Rezeption des Arbeitsrechts, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, Zwischenergebnisse, August 2006.
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Heide Pfarr; Karen Ullmann, Marcus Bradtke, Julia Schneider, Martin Kimmich, Silke Bothfeld: Der Kündigungsschutz zwischen Wahrnehmung und Wirklichkeit. Betriebliche Erfahrungen mit der Beendigung von Arbeitsverhältnissen, München/Mering 2005.
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