zurück
HBS Böckler Impuls

Beschäftigung: Arbeitsmarktreformen: Bislang bleibt das Jobwunder aus

Ausgabe 07/2008

Die Arbeitsmarktreformen haben Deutschland keine zusätzliche reguläre Beschäftigung gebracht. Denn im jüngsten Aufschwung entstanden kaum mehr Jobs als im vorherigen, stellen das IMK, das Institut für Wirtschaftsforschung Halle und das Österreichische Institut für Wirtschaftsforschung fest.

In ihrer Frühjahrsprognose hat ein Großteil der beteiligten Forschungsinstitute die Arbeitsmarktreformen der Bundesregierung als besten Beitrag für mehr Beschäftigung und Wachstum bezeichnet. Durch sie sei es gelungen, die extrem hohe Arbeitslosigkeit erheblich zu senken. "Hätte es diese Wende nicht gegeben, wäre die Zahl der Arbeitslosen sehr viel höher", argumentieren die Ökonomen.

Ein Blick auf die neuesten vorliegenden Daten zeigt jedoch: Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entwickelte sich mit Reformen kaum besser als ohne Reformen. Im letzten Aufschwung um die Jahrtausendwende war die Zahl der regulär Beschäftigten - ohne Minijobber - nach drei Boomjahren sogar höher als Ende 2007. Deshalb beurteilen das IMK und seine Prognose-Partner aus Wien und Halle die konjunkturelle Entwicklung auch anders: Entscheidend war nicht die Deregulierung des Arbeitsmarkts, sondern "die kräftige Ausweitung der Produktion der Weltwirtschaft".

Die Bundesregierung bittet Deutschlands führende Wirtschaftsforschungsinstitute zweimal jährlich - im Frühjahr und im Herbst - um eine Vorhersage der wirtschaftlichen Entwicklung. Dabei beurteilen die Ökonomen auch die wirtschaftspolitischen Entscheidungen der Politik und geben Empfehlungen für die Zukunft. Derzeit sind insgesamt acht Institute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz an der Gemeinschaftsdiagnose beteiligt - darunter auch das IMK.

In einem sind sich alle Institute einig: Die Reformen auf dem Arbeitsmarkt verschärften die Lohnzurückhaltung. Denn sie verstärkten den Druck, eine Arbeit aufzunehmen. Geringe Lohnsteigerungen bewirkten sinkende Lohnstückkosten. Diese wiederum brachten der deutschen Exportwirtschaft einen entscheidenden Wettbewerbsvorteil. So trugen exportorientierte Branchen wie der Maschinen- und Anlagenbau einmal mehr den Aufschwung.

Doch brachten die vergleichsweise niedrigen Lohnzuwächse nicht nur gute Geschäfte für die Investitionsgüterindustrie: Die "durch die Arbeitsmarktreformen verschärfte Lohnzurückhaltung bewirkte auch eine für den Konjunkturaufschwung untypische Schwäche der Konsumnachfrage der privaten Haushalte", urteilen die IMK-Forscher zusammen mit ihren Hallenser und Wiener Kollegen - und setzen sich damit von der Mehrheit der Institute ab.

Auch die grundsätzliche Ablehnung von Mindestlöhnen teilen die drei Prognose-Partner nicht. "Die empirische Evidenz zeigt, dass die Auswirkungen auf Beschäftigung und Einkommensverteilung sehr stark von den Rahmenbedingungen des begleitenden Arbeitsmarkt- und Qualifizierungssystems, dem Zusammenspiel mit dem Steuer-Transfersystem und der konkreten Ausgestaltung und Höhe der Mindestlöhne abhängen", schreiben die Ökonomen.

Die internationalen Erfahrungen zeigten, "dass ein System von Mindestlöhnen in geeigneter Ausgestaltung zu einer Ausweitung des Arbeitskräfteangebots führen kann, die firmeninternen Humankapitalinvestitionen erhöhen und die Einkommenssituation armutsgefährdeter Gruppen, vor allem von Frauen, verbessern kann". Zu hohe Mindestlöhne könnten "ohne Zweifel negative Beschäftigungseffekte mit sich bringen". Deshalb empfehlen die Forscher einen allgemeinen Mindestlohn auf relativ niedrigem Niveau - und mehr Geld für die Weiterbildung von nicht ausreichend Qualifizierten. Dies nütze sowohl der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft als auch der sozialen Stabilität der Gesellschaft.

  • Im letzten Aufschwung um die Jahrtausendwende war die Zahl der regulär Beschäftigten – ohne Minijobber – nach drei Boomjahren höher als Ende 2007. Zur Grafik
  • Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung entwickelte sich von Ende 2004 bis 2007 – also mit Reformen – kaum besser als von 1998 bis Anfang 2001 – ohne Reformen. Zur Grafik

Projektgruppe Gemeinschaftsdiagnose: Folgen der US-Immobilienkrise belasten Konjunktur (pdf), Gemeinschaftsdiagnose Frühjahr 2008, IMK Report Nr. 28 April 2008

Impuls-Beitrag als PDF

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen