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HBS Böckler Impuls

Kündigungsschutz: Abfindungsoption: Eine Wahl, die keine ist

Ausgabe 12/2005

Unternehmen sollen künftig vereinbaren können, dass sie einen neu eingestellten Beschäftigten gegen eine Abfindung jederzeit wieder entlassen dürfen. Unter Einhaltung der Kündigungsfrist - egal, aus welchen Gründen. So die Vorstellungen der CDU. Was nach "Wahlrecht" aussieht, analysiert Heide Pfarr, Professorin für Arbeitsrecht, als "die völlige Abschaffung des Kündigungsschutzes".

Für die Kündigung eines Arbeitsverhältnisses verlangt das Kündigungsschutzgesetz bislang eine Rechtfertigung des Unternehmens. Sie kann sich entweder auf die Person des Gekündigten ("kann die Anforderungen nicht erfüllen") wie auch dessen Verhalten ("kommt immer zu spät", "reagiert nicht auf Abmahnungen") beziehen. Oder sie beruft sich auf betriebliche Gründe: Der Gekündigte wird nicht mehr gebraucht und ist von denen, die für den Personalabbau infrage kommen, der sozial Stärkste hinsichtlich Alter, Betriebszugehörigkeit, Unterhaltspflichten und Schwerbehinderung. Trägt diese Rechtfertigung, so ist die Kündigung für den Arbeitgeber kostenfrei: Eine Abfindung muss er nicht bezahlen.

 Daran würde die "Wahlmöglichkeit" nichts ändern. Wohl aber bei allen Kündigungen ohne Rechtfertigung. Pfarr: "Diese Wahlmöglichkeit ist für ein Unternehmen überhaupt nur dann interessant, wenn es Kündigungen aussprechen möchte, für die es keinen akzeptablen Grund gibt." Zwei Beispiele:

1. Ein Arbeitgeber stößt sich an dem Redebeitrag eines Arbeitnehmers auf der Betriebsversammlung. Er kann ihm fortan kündigen, obwohl der Betroffene ohne jede Beanstandung in einem hoch ausgelasteten, produktiven Bereich arbeitet. Nach dem Gesetz heute wäre diese Kündigung ungerechtfertigt.

2. In einem Unternehmen ist die Auftragslage zurückgegangen, so dass eine Arbeitskraft abgebaut werden kann. Infrage kommen ein 30-Jähriger und ein 50-Jähriger mit gelegentlichen gesundheitlichen Problemen, beide seit vier Jahren im Betrieb. Nach dem Kündigungsschutzgesetz wäre nur die Kündigung des Jüngeren gerechtfertigt. Über die Abfindungsoption könnte der ältere Beschäftigte aber entlassen werden - obwohl er es sehr schwer haben wird, wieder einen Arbeitsplatz zu finden. Hat ein Mitarbeiter sich bei seiner Einstellung zur Abfindungsoption überreden lassen, greift für ihn die Sozialauswahl nicht.

Kein Beschäftigter könnte sich mehr gegen den ungerechtfertigten Verlust seines Jobs wehren, warnt Pfarr: "Wer als Arbeitgeber zahlt beziehungsweise zahlen kann, kann über die Abfindungsoption mit Beschäftigten umspringen, wie er will." Die Funktion des Kündigungsschutzgesetzes würde aus ihrer Sicht auf den Kopf gestellt. "Im Grunde würde das Gesetz nur sicherstellen, dass ein Arbeitgeber, sofern er Gründe vortragen kann, keine Abfindung zahlen muss."

  • Unternehmen sollen künftig vereinbaren können, dass sie einen neu eingestellten Beschäftigten gegen eine Abfindung jederzeit wieder entlassen dürfen. Unter Einhaltung der Kündigungsfrist - egal, aus welchen Gründen. So die Vorstellungen der CDU. Was nach "Wahlrecht" aussieht, analysiert Heide Pfarr, Professorin für Arbeitsrecht, als "die völlige Abschaffung des Kündigungsschutzes". Zur Grafik
  • Wenn Unternehmen Beschäftigte entlassen oder Löhne und Gehälter zusammenstreichen, wollen sie damit Kosten senken. Doch nicht immer geht die Rechnung auf. Empfinden die verbleibenden Arbeitnehmer die Entscheidungen des Managements als ungerecht, mindert das ihr Engagement - mit negativen Folgen für ihr Unternehmen. Zur Grafik

Prof. Heide Pfarr ist wissenschaftliche Direktorin des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung

mehr Infos zum Thema Kündigungsschutz

Studie der Universitäten Jena und Hannover im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung

Große Mehrheit will Kündigungsschutz behalten oder ausbauen
zur Pressemitteilung vom 30.06.2005

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