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Professorin Ursula Unterkofler: „Die Gefahr für andere geht nicht vom Konsum an sich aus, sondern von der Beschaffungskriminalität.“ Stipendien

Altstipendiatin: Die Sozialarbeiterin

Ausgabe 10/2014

Ursula Unterkofler lehrt seit diesem Frühjahr als Professorin für Soziale Arbeit in München. Mit ihren Positionen zur akzeptierenden Drogenarbeit hat sie es in Bayern schwer.

Von Susanne Kailitz

Es gibt Menschen, die würden angesichts einer so rasanten Karriere vermutlich abheben. Nicht so die 36 Jahre alte Ursula Unterkofler, die seit März dieses Jahres eine Professur an der Katholischen Stiftungsfachhochschule München, Abteilung Benediktbeuern, erhalten hat. Ja, es sei schon ungewöhnlich, direkt nach der Promotion berufen zu werden, gibt sie zu, aber die Soziale Arbeit sei eben ein Spezialfall. „Da werden durch einen Generationenwechsel derzeit gerade viele Stellen frei, und man sucht Leute, die sowohl den wissenschaftlichen Background wie auch praktische Erfahrung haben. Davon gibt es eben nicht allzu viele.“ Auch wenn der nahtlose Übergang zur Professorin für Unterkofler ein Volltreffer ist, kann sich auch die Katholische Stiftungsfachhochschule München glücklich schätzen, dass ihre neue Professorin den Ruf angenommen hat. Denn die Münchnerin mit Tiroler Wurzeln bringt alles mit, was es braucht, um Soziale Arbeit gut lehren zu können. Weil sie weiß, worauf es ankommt.

Unterkofler hat nach ihrem Studium der Sozialen Arbeit in der Suchthilfe gearbeitet, dann zusätzlich Soziologie studiert und schließlich mit einem Böckler-Stipendium über Gewalt in der offenen Jugendarbeit promoviert. Die Fähigkeit, sich selbst zurückzunehmen, hat ihr vor allem in der praktischen Arbeit geholfen. „In der akzeptierenden Drogenarbeit geht es darum, den Klienten nichts aufzudrängen, sie nicht in eine bestimmte Richtung verändern zu wollen. Man muss damit leben, dass viele von ihnen nicht aufhören wollen oder können. Und sich gelegentlich klarmachen: Hätte ich das erlebt, was sie erlebt haben, würde ich vielleicht auch nicht aufhören.“ Sie erzählt konzentriert, wenn sie über ihre Erfahrungen spricht, denkt über jede Antwort gründlich nach. Man kann sich vorstellen, dass sie auch bei ihrer Arbeit eine wohltuende Ruhe ausstrahlt, von der nicht zuletzt Menschen im Ausnahmezustand profitierten. 

Seit Kurzem profitieren davon auch die Studenten ihrer Hochschule am Standort Benediktbeuern. Seit März ist Unterkofler hier Professorin und hat sich vorgenommen, in ihrer Lehre Theorie und Praxis so gut wie nur irgend möglich zusammenzuführen. In der täglichen Arbeit fehle häufig die Zeit für eine gute Situationsanalyse, sagt Unterkofler, „gleichzeitig erleben junge Leute, die von der Hochschule kommen, ganz oft einen Praxisschock. Für die Ausbildung einer professionellen Identität ist es wichtig, sich in beidem zurechtzufinden: den wissenschaftlichen Grundlagen und den praktischen Anforderungen.“ Unterkofler hat sich ihre professionelle Identität hart erarbeitet. Die Suchthilfe habe sie früh interessiert, erzählt sie, auch wenn die Menschen, mit denen man es dabei zu tun hat, nicht immer leicht im Umgang seien. „Natürlich werde ich immer mal wieder provoziert und beschimpft. Als Sozialarbeiterin symbolisiere ich für viele genau die Gesellschaft und die Strukturen, aus denen sie oft ausgegrenzt werden.“ 

Strukturen, an denen sich auch Unterkofler immer wieder reibt. Sie hält die Kriminalisierung von Drogenkonsum für falsch: „Substanzen wie Alkohol können gefährlicher sein als Heroin, werden aber vollkommen anders wahrgenommen. Seit den 1970er Jahren wird Drogenkonsum in Deutschland als etwas unglaublich Bedrohliches wahrgenommen, Drogenkonsumenten sind zum Feindbild geworden. Dabei geht die Gefahr für andere gar nicht vom Konsum an sich aus, sondern von der Kriminalität, in die der Beschaffungsdruck viele Betroffene treibt.“ Mit dieser Haltung hat Unterkofler im konservativen Bayern allerdings einen schweren Stand: Kaum irgendwo im Land sei es ähnlich schwer wie hier, gesundheitsfördernde Hilfen für Süchtige zu etablieren, sagt sie – Konsumräume etwa, in denen es neben der Beratung durch Sozialarbeiter nicht nur sauberes Spritzbesteck gebe, sondern auch unter hygienischen Zuständen konsumiert werden kann. „Es gibt hier eine besonders strikte Politik, die dazu führt, dass Konsumenten in Abrisshäusern oder auf Toiletten konsumieren, unter absolut inakzeptablen hygienischen Bedingungen.“ 

Sie hat versucht, legale Konsumräume auch in Bayern anzuregen; immer wieder wurden die Versuche von der Politik abgebügelt. „Das ist frustrierend.“ Dass sich jüngst der Strafverteidigertag mit der Thematik befasst hat und zu dem Schluss kam, man müsse endlich zu einer pragmatischen und entkriminalisierenden Drogenpolitik kommen, hat sie überrascht und gefreut: Sie macht auch ganz andere Erfahrungen. Vielleicht war es auch der Frust, von unten nichts erreichen zu können, der Unterkofler zur Wissenschaftlerin gemacht hat, die sich nun um theoretische Überzeugungsarbeit bemühen kann. Auf dem Weg von der Praktikerin zur Forscherin habe ihr die Hans-Böckler-Stiftung unglaublich geholfen, sagt sie. „Die Kombination von Arbeit und Studium war so kräftezehrend, dass ich wirklich auf dem Zahnfleisch gegangen bin. Das hätte ich nicht weiter geschafft.“ Dazu sei ein weiterer, überaus wichtiger Aspekt gekommen: „Über die Stiftung hatte ich die Chance, meine Arbeit in der wissenschaftlichen Community zu präsentieren, wie ich es sonst nicht gekonnt hätte.“ Sie konnte selbst Tagungen organisieren und einen Sammelband herausgeben. „Wenn ich das nicht hätte vorweisen können, hätte es mit der Professur so schnell sicher nicht geklappt.“ Nun will sie etwas zurückgeben: Ihr Anspruch ist es, als Lehrende dafür zu sorgen, „dass gut ausgebildete Leute in die soziale Arbeit kommen“.

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