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Foto-Künstler Rössler: „Das Unsichtbare sichtbar machen“ Stipendien

Altstipendiat: Der Bildermacher

Ausgabe 07+08/2014

Der Fotokünstler Olaf Rößler porträtiert seine Heimat Lausitz auf neue Weise. Auf seinen Landschafts-Fotografien fängt er das Restlicht der Nacht ein.

Von Susanne Kailitz

Früher, als Kind, hatte ich große Angst vor der Dunkelheit“, sagt der Mann, der jetzt oft ganz allein in der Tiefe der Nacht unterwegs ist. Die vielen Geräusche, die er hört, lösen heute keine Furcht mehr in ihm aus. „Eine sehr versöhnliche Erfahrung“, wie er sagt. Die Fotoserie „black as pitch“ ist das Ergebnis seiner nächtlichen Streifzüge. Sie zeigt die Lausitzer Heimat des Fotografen – jedenfalls auf den zweiten Blick. Auf den ersten Blick sind die Bilder schwarz, pechschwarz gewissermaßen. Dann, mit jeder Sekunde, mit der man sie betrachtet, treten mehr Einzelheiten hervor: die Umrisse von Bäumen, Häusern, Brücken. 

Nuancen von Schwarz werden dann sichtbar und der Wind in den Blättern, der sich nur erahnen lässt. Rößler sagt, er habe sich bei seiner Fotoreihe von den romantischen Malern Carl Gustav Carus, Karl Blechen und Caspar David Friedrich inspirieren lassen, die vor 200 Jahren die Landschaft Südostsachsens festhielten. „Meine Bilder sollen aber im Gegensatz zu ihren nicht in der Stunde des Wandels, also in der Morgen- oder Abenddämmerung entstehen. Sondern nachts.“ Dann wird in den Ortschaften in Rößlers Heimat das Licht abgestellt. Weil künstliche Lichtquellen fehlen und große Städte weit entfernt sind, „wird es dann dort sprichwörtlich pechschwarz“.

Die Lausitz, in der Rößler 1977 geboren wurde und aufgewachsen ist, gehört zu Deutschlands demografischen Problemzonen. Ganze Orte werden hier in der Zukunft wohl aufgegeben werden, weil die Jungen gegangen sind und die Alten wegsterben. Er wolle Räume in völliger Dunkelheit zeigen, sagt Rößler. Mit menschlichen Hinterlassenschaften, aber ganz ohne Personen. „Mir geht es um die Frage, was bleibt, wenn die Menschen weg sind.“ Es ist die Digitaltechnik, die Rößlers Bilder überhaupt ermöglicht: „Analog würde es nicht gehen.“ Rößlers Arbeitsweise widersetzt sich aber auch gleichzeitig dem konventionellen Digitalbild nach dem Motto „You get what you see“. „Bei mir ist es ‚You get what you don’t see.‘ Ich mache das Unsichtbare sichtbar.“ 

Was am Ende auf einem Bild zu sehen sein wird, weiß Rößler vorher nicht. Die Orte, die er fotografieren will, sucht er sich meist am Tag. Was er in der Nacht mit langer Belichtungszeit aufnimmt, sieht er erst wirklich, wenn die Bilder fertig sind. Der fotografische Prozess, sagt er, mache die unsichtbare Landschaft sichtbar, weil das eingefangene Restlicht der Nacht, das das bloße Auge nicht wahrnimmt, die Landschaft zeichnet, die aus dem tiefen Schwarz erwächst. „Da treten dann Details zutage, die mich überraschen.“ Wie beim Bild „Kottmar“. Rößler berichtet: „Als ich nachts unterwegs war, habe ich den Ort als Lichtung empfunden, weil dort der Wald aufhörte. Als ich das Bild angefertigt habe, habe ich nichts gesehen. Und dann war auf dem Bild plötzlich eine Brücke.“

Die Fotoserie „black as pitch“ ist für den Fotografen auch eine Wiederannäherung an seine Heimat, die er vor vielen Jahren ganz bewusst verlassen hat. Er landete in Hannover, machte dort eine Ausbildung zum Krankenpfleger und verbrachte seine ersten Berufsjahre auf einer Intensivstation. Heute ist wieder alles ganz anders. Rößler lebt in Hamburg und arbeitet als freiberuflicher Fotoredakteur. Die Arbeit mit Fotografie fasziniert ihn, egal ob es das eigene Bild oder das Bild von anderen ist.

Bis er seiner Leidenschaft so weit vertraute, dass er dafür sein Leben umkrempelte, dauerte es. Mit 29 entschloss er sich dann, Ernst zu machen. Ein Studium an der Fachhochschule Bielefeld folgte – zum Unverständnis der Familie. „Ich bin eigentlich ein richtiges Bauernhofkind – mit Eltern, die nicht verstehen konnten, wie ich einen sicheren Beruf zugunsten einer künstlerischen Tätigkeit aufgeben konnte.“ Finanziell konnten sie ihn kaum unterstützen. Dies war nur möglich mit BAföG zu Beginn des Studiums und danach mit einem Böckler-Stipendium.

Es dauerte, bis seine Eltern sich vorstellen konnten, was er da eigentlich tut. Das Verständnis, sagt er, sei parallel zur öffentlichen Anerkennung gekommen. Und die ist, insbesondere für die „black as pitch“-Reihe, groß. Begeisterte Reaktionen bekommt Rößler von Ausstellungsbesuchern und Presse. Und Rößler erlebt das, wovon viele seiner Kollegen auf dem schwierigen Kunstmarkt träumen: Menschen zahlen ordentliche Summen für seine Bilder . Rößler sagt: „Dass jemandem meine Arbeit eine vierstellige Summe wert ist, das ist ein riesiges Lob.“

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