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HBS Böckler Impuls

Arbeitsmarkt: Sockelarbeitslosigkeit ist bislang nicht gesunken

Ausgabe 14/2008

Erstmals in 30 Jahren soll seit dem Sommer 2007 die Arbeitslosigkeit niedriger sein als am Ende früherer Boom-Phasen. So lässt es sich jedenfalls an den Daten der Bundesagentur für Arbeit ablesen. Diese sind jedoch mit früheren Zahlen nur bedingt vergleichbar.

Wenn Ökonomen über das Thema diskutieren, sprechen sie von Sockelarbeitslosigkeit: der Anteil der Arbeitslosen, der selbst dann ohne Beschäftigung bleibt, wenn es der Wirtschaft hervorragend geht. Seit den 70er-Jahren ist die Sockelarbeitslosigkeit - gemessen in absoluten Zahlen - stetig gestiegen. Als ein Grund wird genannt: Während der Krisenphasen sind die Qualifikationen vieler Langzeitarbeitsloser verfallen. In einer Arbeitswelt, die sich zunehmend schneller wandelt, finden diese Menschen auch im Boom nicht mehr in den Arbeitsmarkt zurück.

Haben nun die Reformen der Agenda 2010 den Trend aufgehalten? Sprich: Hat das Absenken der Sozialleistungen dafür gesorgt, dass Arbeitslose ihre Ansprüche zurückschrauben und nun auch unattraktivere Tätigkeiten aufnehmen?

Diesen Schluss ziehen zumindest viele deutsche Wirtschaftswissenschaftler. Die Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) können diesen Eindruck auch erwecken: Während des letzten Konjunkturaufschwungs erreichte die Arbeitslosenquote im Mai 2001 ihren niedrigsten Stand. Seit dem Juni 2007 liegt sie darunter, Tendenz: weiter fallend.

Nach der international gebräuchlicheren Methodik der International Labour Organization (ILO) ist die Arbeitslosigkeit allerdings erst in diesem Sommer gerade mal auf dem gleichen Niveau wie am Ende des vorherigen Aufschwungs, zeigt eine Analyse des IMK. Die Sockelarbeitslosigkeit ist also noch nicht gesunken. Laut ILO-Definition - die auch das Statistische Bundesamt und seine europäischen Kollegen von Eurostat verwenden - hat sich die standardisierte Arbeitslosenquote in Deutschland bis Juli 2008 auf 7,3 Prozent reduziert. Damit hat sie gerade einmal den niedrigsten Stand des letzten Konjunkturaufschwungs vom Januar 2001 wieder erreicht: Damals waren es 7,4 Prozent.
"Dies relativiert die deutschen Arbeitslosenzahlen nach nationaler Berechnung", stellt das IMK fest. Die ILO-Daten gelten zwar unter Fachleuten grundsätzlich nicht als besser als die Zahlen der Bundesagentur. Ihre Methodik ist in den vergangenen Jahren aber dieselbe geblieben.

Dagegen sind die BA-Daten über registrierte Arbeitslose unter anderem wegen der Zusammenlegung von Arbeitslosen- und Sozialhilfe mit früheren Daten nur noch eingeschränkt vergleichbar, konstatiert das Statistische Bundesamt in seinem Qualitätsbericht zur Arbeitsmarktstatistik vom Juni 2005. Auch die Bundesagentur für Arbeit selbst gibt an, dass ein Teil des Rückgangs der Arbeitslosigkeit auf die "systematische Überprüfung des Arbeitslosenstatus" zurückzuführen sei.

"Die Neuausrichtung der Arbeitsmarktpolitik durch die Hartz-Reformen hat tief greifende Auswirkungen auf die statistische Erfassung der Arbeitslosenzahl gehabt", erläutert Camille Logeay, Arbeitsmarktexpertin des IMK. Eine Quantifizierung dieser Effekte sei äußerst schwierig, doch einige Komponenten sind zu benennen.

Teilnehmer an Trainingsmaßnahmen werden seit Januar 2004 nicht mehr als arbeitslos gezählt. Zudem führte die Zusammenlegung der Arbeitslosen- und Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II unter anderem dazu, dass einige bisherige Arbeitslosenhilfebezieher sich nicht mehr arbeitslos meldeten, weil sie keinen Anspruch auf die neue Leistung hatten. Beim Arbeitslosengeld II werden beispielsweise Partnereinkommen voll angerechnet. Hinzu kommt: Wer aufgrund von Krankheit oder einer Ausbildung dem Arbeitsmarkt vorläufig nicht zur Verfügung steht, taucht in der Statistik ebenfalls nicht mehr auf.  

  • Erstmals in 30 Jahren soll seit dem Sommer 2007 die Arbeitslosigkeit niedriger sein als am Ende früherer Boom-Phasen. So lässt es sich jedenfalls an den Daten der Bundesagentur für Arbeit ablesen. Diese sind jedoch mit früheren Zahlen nur bedingt vergleichbar. Zur Grafik

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