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Mitbestimmung: Weniger Konflikte dank Tarifbindung

Ausgabe 19/2017

Obwohl Betriebsräte für Unternehmen von Vorteil sind, haben manche Arbeitgeber Vorbehalte. Das dürfte unter anderem an fehlender Tarifbindung und kurzfristigem Kalkül liegen.

Dass manche Arbeitgeber für Arbeitnehmervertretungen wenig übrig haben, ist offenkundig: Durch aggressives Vorgehen gegen Betriebsräte tun sich unter anderem prominente Einzelhandelskonzerne hervor. Zudem kursieren Forderungen von Arbeitgeberverbänden, die auf eine Einschränkung von Mitbestimmungsrechten hinauslaufen. Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände (BDA) spricht sich beispielsweise für höhere Hürden bei Betriebsratsgründungen, kleinere Gremien und weniger Freistellungen aus. Aus wirtschaftswissenschaftlicher Sicht sei das erklärungsbedürftig, schreiben Steffen Müller und Jens Stegmaier. Denn Studien hätten gezeigt, dass auch Unternehmen von Betriebsräten profitieren. Die Ökonomen vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle (IWH) und vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) haben untersucht, warum sich Arbeitgeber trotzdem gegen Arbeitnehmervertretungen wehren.

Die aktuelle empirische Forschung vermittelt laut Müller und Stegmaier ein grundsätzlich positives Bild von der betrieblichen Mitbestimmung. Zumindest im Durchschnitt tragen Betriebsräte demnach nicht nur zu mehr Produktivität und höheren Löhnen bei, sie wirken sich auch positiv auf die Rentabilität aus, wenn man objektive Kennziffern zugrunde legt. Allerdings profitieren nicht alle Unternehmen gleichermaßen.

  • Nicht alle Beschäftigten, die ein Recht darauf hätten, dürfen mitbestimmen. Zur Grafik

Dass es Widerstand im Arbeitgeberlager gibt, erklären die Forscher zum einen mit fehlender Tarifbindung: Zu einer gut funktionierenden Zusammenarbeit zwischen Management und Betriebsrat und entsprechenden Produktivitätseffekten komme es vor allem dann, wenn Lohnkonflikte auf Branchenebene statt im Betrieb ausgetragen werden. Das ist jedoch immer seltener der Fall, da Flächentarife erodieren, Öffnungsklauseln für Ausnahmeregelungen sorgen und sogenannte OT-Mitgliedschaften den Unternehmen erlauben, einem Arbeitgeberverband beizutreten, ohne sich an einen Tarifvertrag zu halten.

Auch die Betriebsgröße wirke sich aus, so Müller und Stegmaier. In Kleinbetrieben sei der ökonomische Nutzen im Schnitt geringer, was auch daran liege, dass die Arbeitnehmervertretungen dort weniger rechtliche Möglichkeiten haben und damit weniger durchsetzungsfähig sind. Viele Arbeitgeberverbände wiederum seien von kleinen und mittleren Betrieben dominiert. 

Darüber hinaus könnte der Zeithorizont von unternehmerischen Entscheidungen eine Rolle spielen, vermuten die Autoren. Empirisch sei nachweisbar, dass die positiven Effekte von Betriebsräten erst nach einer gewissen Lernphase zu Buche schlagen, während die Kosten unmittelbar anfallen. Bei Managern mit eher kurzfristigem Entscheidungshorizont könnte das zu einer ablehnenden Haltung führen, obwohl sich Mitbestimmung langfristig vorteilhaft auswirkt.

Über monetäre Motive hinaus könnte der Studie zufolge der Herr-im-Haus-Standpunkt zur Erklärung beitragen. Offenbar sei es manchen Arbeitgebern so wichtig, uneingeschränkt der Boss zu sein und sich in ihre Entscheidungen nicht hineinreden zu lassen, dass sie bereit sind, dafür wirtschaftliche Nachteile in Kauf zu nehmen. 

Steffen Müller, Jens Stegmaier: Why is there resistance to works councils in Germany? An economic perspective, Economic and Industrial Democracy, Oktober 2017 (online/kostenpflichtig)

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