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HBS Böckler Impuls

Belegschaftsaktien: Begrenzte Beteiligung

Ausgabe 19/2017

Topmanager trommeln für mehr Kapitalbeteiligung der Mitarbeiter. Bisher kommen Belegschaftsaktien jedoch häufig nur einem kleinen Kreis zugute.

Die Vorstände von Dax-Konzernen wie Siemens, BASF oder RWE wollen, dass sich Mitarbeiter stärker am eigenen Unternehmen beteiligen und mehr Belegschaftsaktien halten. Die Idee dahinter: Man bindet die Beschäftigten enger ans Unternehmen und gewinnt die Belegschaft als loyalen Ankeraktionär. Doch was bedeutet es für Arbeitnehmer, wenn sie nicht nur Angestellte, sondern gleichzeitig Aktionäre ihrer Firma sind? Wer diese Frage beantworten will, muss zunächst die Fakten kennen. Deshalb haben der Wirtschaftswissenschaftler Thomas Steger aus Regensburg und der Rechtswissenschaftler Rainer Sieg aus Passau eine Bestandsaufnahme vorgenommen. Die Forscher haben untersucht, welche Modelle von Belegschaftsaktien in deutschen börsennotierten Unternehmen existieren und wie diese in der Praxis genutzt werden. Von den 160 untersuchten börsennotierten Großunternehmen bieten demnach aktuell 112, das entspricht rund 70 Prozent, irgendeine Form von Belegschaftsaktien an. 

Häufig monetäre Gründe

Für die Einführung von Belegschaftsaktien werden monetäre Gründe am häufigsten genannt. Konkret: Belegschaftsaktien stellen in 36 Unternehmen einen Teil der variablen Vergütung dar. In 35 Fällen heißt es, sie seien dazu gedacht, die Mitarbeiter am Erfolg des Unternehmens zu beteiligen. Auffällig ist dabei, dass die erste Begründung bei Dax-Unternehmen relativ selten vorkommt, während die zweite den meistgenannten Grund darstellt – bei den TecDax-Unternehmen ist es genau umgekehrt. Dies könne ein Hinweis darauf sein, schreiben Steger und Sieg, dass Belegschaftsaktien bei Letzteren vor allem Führungskräften zuteilwerden, während sie bei Dax-Unternehmen breitflächiger eingesetzt werden. Ebenfalls häufig genannt werden „weiche“ Gründe: von den untersuchten Unternehmen wollen 32 die Mitarbeiterbindung steigern, 24 die Motivation, 22 das unternehmerische Denken, 13 die Identifikation mit dem Unternehmen. Andere Motive scheinen dagegen von nachrangiger Bedeutung zu sein: So wird die Altersvorsorge der Beschäftigten lediglich siebenmal genannt, die Stärkung der Mitbestimmung sechsmal und die Abwehr von Übernahmen ein einziges Mal.

Die Modelle und Zielgruppen von Belegschaftsaktien unterscheiden sich: Zum einen existieren „eher traditionelle, großzügige Programme“, die etwa verbilligte oder Gratisaktien vorsehen. Ein erfolgreiches Beispiel sei das Programm bei Siemens, erklären die Wissenschaftler. Mehr als zwei Drittel der Siemens-Mitarbeiter besitzen Aktien des eigenen Unternehmens. Zusammen halten die Belegschaftsaktionäre immerhin fünf Prozent des gesamten Aktienkapitals, wobei je die Hälfte den Mitarbeitern und den Pensionären zuzurechnen ist. 

Führungskräfte bevorzugt

Häufig richten sich Programme an privilegierte Gruppen innerhalb der Belegschaft. „Belegschaftsaktien-Programme werden oft vor allem für Führungskräfte beziehungsweise die Vertreter des oberen Managements hin konzipiert“, schreiben die Forscher. Insbesondere bei den kleineren der untersuchten Unternehmen konzentrierten sich die Programme auf diese exklusiven Zirkel. So halten Belegschaftsaktionäre bei der Pharmaforschungsfirma Evotec rund drei Prozent des gesamten Kapitals – dabei handelt es sich jedoch ausschließlich um Manager und weitere ausgewählte Mitarbeiter.

Belegschaftsaktien werden zwar in vielen großen Unternehmen angeboten, aber nur in wenigen kommen sie der gesamten Belegschaft zugute. „Offensichtlich sind Belegschaftsaktien zurzeit noch vornehmlich ein unternehmensinternes Thema mit Schwerpunkt auf finanzielle Motive“, schreiben die Wissenschaftler. Deshalb ist es auch kein Wunder, dass sich die Belegschaftsaktionäre bislang lediglich in Ausnahmefällen in Vereinen organisieren, um Einfluss auf die Ausrichtung ihres Betriebs zu nehmen. Belegschaftsaktien hätten durchaus das Potenzial, die unternehmerische Mitbestimmung zu ergänzen – dafür müssten sie aber weiter verbreitet und „demokratischer“ zugänglich sein. Diesem Gedanken stellten sich auch die Gewerkschaften nicht in den Weg. Sie betonten aber, dass die Kapitalbeteiligung keinen Ersatz für tarifvertragliche Gehaltsbestandteile und angestammte Mitbestimmungsrechte darstellen darf. Zudem tragen die Arbeitnehmer ein „doppeltes Risiko“, wenn das Unternehmen in eine existenzielle Krise gerät: Zusätzlich zum Verlust des Arbeitsplatzes droht der Wertverlust der Aktien.

  • Nur 43 von 160 börsennotierten Unternehmen bieten der gesamten Belegschaft Aktien an. Zur Grafik

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