zurück
HBS Böckler Impuls

Gender: Krisenhilfe stützt Männerbranchen

Ausgabe 10/2010

Die Konjunkturhilfen der Bundesregierung haben vor allem Jobs männlicher Industriearbeiter gesichert. Staatliche Sparprogramme dürften frauendominierte Branchen treffen.

Abwrackprämie, öffentliche Investitionen, Ausweitung der Kurzarbeit, Steuersenkungen, Kredite für Unternehmen - die Politik hat in den vergangenen beiden Jahren viel Geld in die Hand genommen, um Wirtschaft und Arbeitsmarkt in der Krise zu stabilisieren. Ein Schwerpunkt der Milliarden-Hilfen: Exportorientierte Industriebranchen, die der Einbruch der Auslandsnachfrage besonders hart getroffen hat. 72 Prozent der dort sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sind Männer, zeigt eine von der Hans-Böckler-Stiftung geförderte Expertise. Die Berliner Politikwissenschaftlerin Gabriele Schambach hat auf Basis von Daten der Bundesagentur für Arbeit und des Statistischen Bundesamtes die Gender-Aspekte der Krisen-Hilfen untersucht.

Längst ist klar, dass die Stabilisierungsmaßnahmen einigen Erfolg hatten - dramatische Jobverluste sind bislang ausgeblieben. Gleichwohl sind in der Industrie etliche Stellen verloren gegangen: Von Oktober 2008 bis Oktober 2009 sank die Zahl der Beschäftigten hier um 271.000. Im Gesundheitswesen, im Erziehungs- und Bildungsbereich, in der Gastronomie sowie in der öffentlichen Verwaltung sind hingegen rund 215.000 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte hinzugekommen - oft Frauen.

Allerdings, schränkt Schambach ein, sind viele der neuen Jobs Teilzeitstellen. An der geschlechtsspezifischen Aufteilung des Arbeitsmarktes - hier männerdominierte Industriearbeit, überwiegend in Vollzeit und oft relativ gut bezahlt, dort Dienstleistungsbranchen mit hohem Frauen- und Teilzeitanteil und meist niedrigeren Löhnen - habe sich nichts geändert. Trotz der Milliarden aus Steuermitteln, kritisiert die Genderforscherin: "Eine generelle Arbeitszeitverkürzung zur Förderung von Arbeit und Familie oder mehr Work-Life-Balance" sei beispielsweise nicht in Erwägung gezogen worden.

Das könnte insbesondere für viele Frauen noch zu einem akuten Problem werden, warnt Schambach. Schließlich sei es sehr wahrscheinlich, "dass die frauendominierten Sozial- und Dienstleistungsbranchen zeitversetzt von der Krise betroffen sein werden." Dann nämlich, wenn die Politik versucht, die durch Bankenrettung, Finanz- und Arbeitsmarktstabilisierung gerissenen Haushaltslöcher mit strikten Sparprogrammen zu verkleinern. Um zu verhindern, dass die nächste Welle der Krise die Beschäftigung von Frauen schwer trifft, unterstützt Schambach Forderungen nach einer dauerhaften Erhöhung der öffentlichen Ausgaben für Bildung, Gesundheit und Pflege. Mehr öffentliche Investitionen empfiehlt beispielsweise auch das IMK: Bildungs­system und Infrastruktur müssten dringend zukunftsfähig gemacht werden, so die Wissenschaftler. Außerdem würde sich die Inlandsnachfrage beleben und die deutsche Wirtschaft wäre weniger abhängig von Exporten.

  • Konjunkturpakete und Kurzarbeit haben vor allem exportorientierte Industriebranchen gestützt, die unter dem Einbruch der Auslandsnachfrage schwer zu leiden hatten. In diesen Branchen arbeiten vor allem Männer. Zur Grafik

Zugehörige Themen

Der Beitrag wurde zu Ihrerm Merkzettel hinzugefügt.

Merkzettel öffnen