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Magazin Mitbestimmung

: 'Das sind haltlose Argumente'

Ausgabe 01+02/2004

Erich Klemm, der Konzernbetriebsratsvorsitzende der DaimlerChrysler AG, beobachtet die Kampagne gegen die Mitbestimmung im Aufsichsrat mit Sorge. Seine Antwort: "Wir müssen die Erfolge deutlicher machen."

Herr Klemm, "Wissenschaftler und Manager machen mobil gegen die Mitbestimmung" - so kommentierte die FAZ Angriffe gegen die Unternehmensmitbestimmung. An der harschen Kritik beteiligte sich der DaimlerChrysler-Finanzvorstand Manfred Gentz. Das hat die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von DaimlerChrysler sicher nicht amüsiert?
Nein, hat es nicht. Wir beobachten schon länger mit Sorge, dass eine Kampagne gegen die Mitbestimmung im Aufsichtsrat hochgefahren wird. Wir halten die von den Mitbestimmungsgegnern angeführten Argumente für haltlos, ja für schlichtweg falsch. Der Erfolg der mitbestimmten deutschen Unternehmen spricht für sich. Die Skandale und Selbstbereicherung amerikanischer Manager zeigen, dass das angelsächsische Gegenmodell keineswegs zu einer besseren Corporate Governance beiträgt.

Ist der Klimawandel auch in der konkreten Aufsichtsratsarbeit spürbar?
Hier herrscht eher ein konstruktives Klima. Einzelne Vertreter der Anteilseigner, die sich offen oder hinter vorgehaltener Hand negativ äußern, schweigen sich im Aufsichtsrat aus.

DC-Vorstand Gentz betonte, gute Führung und Kontrolle von Unternehmen sei mit der Mitbestimmung nicht vereinbar. Sind die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat von DaimlerChrysler schlechte Kontrolleure?
Das Gegenteil ist der Fall. Durch unsere Positionen in den Debatten im obersten Kontrollgremium wurden viele Entscheidungen verbessert. Wer erklärt, dass das Einbringen der Sichtweise der Belegschaft zu suboptimalen Ergebnissen führt, zeigt lediglich, wes Geistes Kind er ist. Wir nehmen unser Amt sehr gewissenhaft wahr und haben schon viele - auch schwierige - Entscheidungen mitverantwortet und gegenüber der Belegschaft und der Öffentlichkeit vertreten. Vor diesem Hintergrund ärgert mich diese unseriöse Debatte. Da wird mit bodenlosen Unterstellungen und Diffamierungen gearbeitet.

Der Weg zu Unternehmensentscheidungen sei "unendlich mühsam und von vielen nicht akzeptablen Kompromissen gepflastert", sagte Manfred Gentz in Berlin. Ist es anstößig, dass die Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat eher geneigt sind, einer Dividendenerhöhung zuzustimmen, wenn im Gegenzug auch die Arbeitnehmer materiell beteiligt werden?
Wir Arbeitnehmervertreter sind von der Belegschaft und dem Gesetzgeber beauftragt, im Interesse des Unternehmens und der Arbeitnehmer für einen fairen Interessenausgleich zu sorgen. Wenn ein Unternehmen auf Grund der Leistung seiner Beschäftigten gut gewirtschaftet hat, dann ist es mehr als recht und billig, auch den Arbeitnehmern - und nicht nur den Aktionären - einen Anteil an diesem Erfolg zu sichern. Dazu stehe ich. Im Übrigen hat es einem Unternehmen noch nie geschadet, motivierte Mitarbeiter zu haben. Und eine gute Erfolgsbeteiligung trägt wesentlich dazu bei.

In eine globalisierte Unternehmenslandschaft passe die deutsche Mitbestimmung nicht mehr - wird pauschal behauptet. Wie kann man das Internationalisierungsdefizit beheben? 
An uns liegt es nicht. So hat direkt nach der Daimler-Fusion mit Chrysler die IG Metall einen ihrer Aufsichtsratssitze dem Vorsitzenden der amerikanischen Automobilarbeitergewerkschaft UAW zur Verfügung gestellt - den hat inzwischen der für Chrysler zuständige Vice-President der UAW inne. Wir haben unsere Aufsichtsratsarbeit außerdem durch das Labour Committee internationalisiert. In diesem Gremium werden weitere Vertreter der UAW, aber auch der kanadischen Gewerkschaft CAW an der Vorbereitung von Entscheidungen im Aufsichtsrat beteiligt. Zur Wahrung der Interessen der weltweit verteilten Belegschaften unseres international agierenden und produzierenden Konzerns haben wir außerdem eine Welt-Arbeitnehmervertretung, ein World Employee Committee, gegründet. Dadurch haben auch Arbeitnehmervertreter aus Südafrika oder Brasilien Informations- und Beratungsrechte gegenüber dem Unternehmensvorstand. Wir würden die Vertretung der Arbeitnehmerinteressen - auch im Aufsichtsrat - gerne auf eine noch breitere, internationale Basis stellen - wenn das Unternehmen das zulässt. Wir könnten beispielsweise die Kandidatenaufstellung bei der Aufsichtsratswahl internationaler organisieren.

Erst wird an der Tarifautonomie gesägt, dann nimmt man das Arbeitsrecht in Generalhaftung für die Beschäftigungskrise - und jetzt wird erklärt, die Unternehmensmitbestimmung sei eine Fehlkonstruktion. Wird die aktuelle Schwäche der Gewerkschaften genutzt?
Wir Gewerkschafter stehen derzeit unter Dauerbeschuss von Politik und Medien. Manch Arbeitgebervertreter und neoliberaler Ideologe glaubt sicher, die Burg sei bereits sturmreif. Nur so erklären sich die Angriffe gegen die erfolgreiche und bewährte Mitbestimmung. Wichtig ist jetzt, dass wir aus der Defensive kommen. Als Gewerkschaften insgesamt und besonders in dieser speziellen Frage. Von Konsultativräten halten wir nichts: Die Belegschaften des Unternehmens brauchen Vertreter im obersten Kontrollgremium - dem Aufsichtsrat. Alles andere ist ein fauler Kompromiss.

Wie mobilisierungsfähig ist die Unternehmensmitbestimmung?
Wir haben in der Vergangenheit sicherlich versäumt, die Vorteile und Erfolge der Mitbestimmung im Aufsichtsrat gegenüber den Beschäftigten und der Öffentlichkeit transparent zu machen. Wir müssen für die Mitbestimmung im Aufsichtsrat viel stärker "werben" als bisher. Dessen ungeachtet bin ich mir ganz sicher, dass es uns gelingen wird, sie mit Hilfe unserer Belegschaft zu verteidigen.

Die Fragen stellte Cornelia Girndt.

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