Forschungsprojekt: Die deutsche Hafenwirtschaft - eine Branche im Umbruch

Projektziel

Die deutschen Seehäfen sind aufgrund der hohen Import- und Exportabhängigkeit der Wirtschaft von zentraler volkswirtschaftlicher Bedeutung. Die Bedingungen des Hafenwettbewerbs und die maritimen Akteurskonstellationen verändern sich aber zusehends. Das Projekt untersuchte den Wandel der wichtigsten deutschen Nord- und Ostseehäfen mit Blick auf die zentralen Hafenakteure und ihre Strategien.

Projektbeschreibung

Kontext

Die deutschen Seehäfen sind aufgrund der hohen Import- und Exportabhängigkeit der deutschen Wirtschaft von zentraler volkswirtschaftlicher Bedeutung. 2021 wurden allein 53% der Importe aus Nicht-EU-Staaten und 66% der Exporte in Nicht-EU-Staaten in einem der deutschen Seehäfen umgeschlagen, ein Großteil davon in Containern (43% des Güterumschlags). Allerdings verschieben sich die Bedingungen des Hafenwettbewerbs zusehends. Während der Umschlag gerade im wichtigen Containerumschlag in den Wettbewerbshäfen an der Nordsee steigt und neue Wettbewerber am Mittelmeer entstehen, stagniert er in den deutschen Häfen. Gleichzeitig haben sich die Reedereien inzwischen aus ihren lokalen Entstehungskontexten gelöst und zu Global Players mit deutlich gestiegener Verhandlungsmacht gegenüber der Hafenwirtschaft entwickelt, die den eigenen Kostendruck an die Häfen weitergeben.

Fragestellung

Die Seehäfen sind öffentliche Transportinfrastrukturen, stehen aber unter einem hohen Rationalisierungs- und Anpassungsdruck. Das Projekt fragte vor diesem Hintergrund nach den Triebkräften, die hinter dem Wandel des Hafenwettbewerbs stehen und nach den Auswirkungen dieses Wandels auf die Entwicklung der wichtigsten deutschen Häfen. Im Zentrum des Projektinteresses standen dabei zum einen die Bedeutung lieferkettenorientierter Logistikkonzepte, die wachsende Integration von Hafenwirtschafts- und Hinterlandprozessen sowie die global zu beobachtende Entwicklung lokaler Hafenwirtschaftsunternehmen zu international agierenden Akteuren. Zum anderen fragte das Projekt nach der Entwicklung der Reedereien zu Global Players und danach, welche Auswirkungen die von ihnen verfolgten Strategien des Einsatzes immer größerer Frachter und der damit verbundenen Konzentration ihrer Liniennetze auf einzelne große Häfen für den Hafenwettbewerb und die deutschen Häfen haben.

Untersuchungsmethoden

Das Projekt zielte auf die Untersuchung der Akteurskonstellationen in den sechs größten deutschen Seehäfen (Bremen/Bremerhaven, Brunsbüttel, Hamburg, Lübeck, Rostock, Wilhelmshaven) mit qualitativen Erhebungsverfahren. Das Vorgehen beruhte auf einem Mix aus leitfadengestützten Expertengesprächen, Betriebsbegehungen in den Häfen, der Teilnahme an einschlägigen Veranstaltungen sowie einer Auswertung der internationalen Literatur und breiten Presserecherchen. Insgesamt wurden 52 Expertengespräche mit wichtigen hafenwirtschaftlichen Akteuren, Vertretern der Öffentlichen Hand auf kommunaler, Landes- und Bundesebene, Verbandsvertretern sowie Experten aus Reedereien und Speditionen geführt. Aufgrund der Pandemie konnten die geplanten kontrastierenden Kurzrecherchen in drei nordeuropäischen Seehäfen als den wichtigsten Wettbewerbern nicht durchgeführt werden.

Darstellung der Ergebnisse

Zwischen den Häfen bestehen große Unterschiede. Mit ihren unterschiedlichen Schwerpunkten bei Güter- und Ladungsarten verknüpfen sich je spezifische Anforderungen etwa in Bezug auf Länge und Komplexität der mit dem Hafen verbundenen Transportketten, die sich wiederum in den Strategien der Hafenwirtschaftsunternehmen niederschlagen (z.B. in Bezug auf Hinterlandanbindungen oder Digitalisierung).

Die großen deutschen Nordseehäfen sind am stärksten dem internationalen Wettbewerb ausgesetzt. Aufgrund der sich verlangsamenden Globalisierung, dem Ausbau von Hafeninfrastrukturen am Mittelmeer und der starken Position der Benelux-Häfen drohen sie im Wettbewerb zurückzufallen.

Eine besondere Rolle in der Entwicklung der Häfen kommt den Containerreedereien zu, die nicht zuletzt dank umfassender staatlicher Hilfen zu global agierenden Konzernen geworden sind. Die großen Reedereien sind in drei Allianzen zusammengeschlossen, die den Markt weitgehend beherrschen. In dem Maße, in dem sie und global agierende Hafenwirtschaftskonzerne in den Häfen Containerterminals übernehmen, gerät der Charakter der Häfen als öffentliche Transportinfrastruktur unter Druck.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Dr. Klaus-Peter Buss
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V. an der Georg-August-Universität
kbuss@gwdg.de

Prof. Dr. Berthold Vogel
Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen (SOFI) e.V. an der Georg-August-Universität
berthold.vogel@sofi.uni-goettingen.de

Kontakt

Dr. Saskia Freye
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
Saskia-Freye@boeckler.de

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