Projektbeschreibung
Kontext
Unternehmen wird in der Diskussion um Nachhaltigkeit eine besondere Rolle zugeschrieben, denn sie beeinflussen im Kontext gesetzlicher Vorgaben und gesellschaftlicher Erwartungen maßgeblich, wie die Güterproduktion und die Erbringung von Dienstleistungen ökonomisch, ökologisch und sozial ausgestaltet sind. Aus einer Nachhaltigkeitsperspektive wird gefordert, dass Unternehmen kurzfristige ökonomische Ziele mit einer langfristigen ökonomischen, ökologischen und sozialen Orientierung so verbinden, dass sie zu einer nachhaltigen Entwicklung der Gesellschaft beitragen.
Das BetrVG ermöglicht es Betriebsräten, soziale, ökonomische und ökologische Themen zu verhandeln und mit dem Arbeitgeber in Betriebsvereinbarungen zu regeln. Diese Möglichkeiten der Implementierung und Verankerung von Nachhaltigkeitsthemen werden unterschiedlich stark genutzt und auch die inhaltlichen Schwerpunkte variieren. Zu den konkreten Ausprägungen und den Gründen hierfür gibt es bisher kaum empirische Erkenntnisse.
Fragestellung
1. Welche Nachhaltigkeitsthemen werden in den Betriebsvereinbarungen und in den Fallstudien-Betrieben thematisiert? Was sind Interessen, Begründungen und Legitimationen für diese Nachhaltigkeitsthemen?
2. Welche Mitwirkungsmodalitäten der Interessenvertretungen lassen sich empirisch erheben? Wie werden Implementierungs- und Umsetzungsstrategien vereinbart? Wie werden Vereinbarungen institutionalisiert und ihre dauerhafte Anwendung und Wirkung gesichert?
3. Welchen Einfluss haben die unternehmensstrategische Verankerung von Nachhaltigkeit, die betrieblichen Mitbestimmungs- und Interessenstrukturen sowie die institutionelle Verknüpfung von Kompetenzentwicklung und nachhaltiger Organisationsentwicklung auf die Verstetigung von Nachhaltigkeit?
4. Welche handlungsleitenden Schlussfolgerungen für Mitbestimmungsakteure lassen sich aus den empirischen Ergebnissen für die Thematisierung, die Implementierung, die Institutionalisierung und die Verstetigung von Nachhaltigkeitsthemen ableiten?
Untersuchungsmethoden
Die Operationalisierung von Nachhaltigkeit erfolgte über die Fokusfelder Qualifizierung und Arbeits- und Gesundheitsschutz (soziale Nachhaltigkeit) sowie betrieblicher Umweltschutz (ökologische Nachhaltigkeit). Das Vorgehen bestand aus drei Schritten:
1. Identifikation und Analyse von Betriebsvereinbarungen zu Nachhaltigkeitsthemen auf Basis des Archivbestandes zu Betriebs- und Dienstvereinbarungen der Hans-Böckler-Stiftung. Auswertung nach Regelungen zur Begründung, Implementierung, Institutionalisierung und Verstetigung.
2. Explorative Expert*innen-Interviews zum Zusammenhang von Nachhaltigkeit und Mitbestimmung.
3. Durchführung von umfangreichen Betriebsfallstudien in vier Unternehmen der chemischen Industrie und in einem Dienstleistungsunternehmen auf der Basis von Interviews mit Vertreter*innen des Managements/der Geschäftsführung, Betriebsratsmitgliedern, Aufsichtsratsmitgliedern und betrieblichen Expert*innen für die untersuchten betrieblichen Nachhaltigkeitsthemen.
Darstellung der Ergebnisse
In den untersuchten Betriebsvereinbarungen findet sich häufig eine Kombination von spezifischen ökonomischen Zielen und unspezifischen Nachhaltigkeitszielen. Die Möglichkeiten der Einflussnahme des Betriebsrats werden nur ausnahmsweise voll ausgeschöpft. Nur einzelne Vereinbarungen enthalten Konfliktlösungsregeln und ein Evaluationsprocedere zur nachhaltigen Verstetigung.
Die Fallstudien zeigen, dass Betriebsräte ihre Handlungsspielräume in Bezug auf Nachhaltigkeitsthemen deutlicher und systematischer ausschöpfen könnten. In Unternehmen mit einer gewachsenen Tradition der Sozialpartnerschaft werden Betriebsvereinbarungen zu Nachhaltigkeitsthemen problem- und konfliktfrei angestoßen, ausgehandelt und implementiert. Diese Unternehmen können zumeist auf eine funktionierende und interessenausgleichende Gremienstruktur zurückgreifen, die die Institutionalisierung und Verstetigung von Nachhaltigkeitsthemen fördert. Fehlt eine sozialpartnerschaftliche Kooperationskultur, erweist sich die Verstetigung als schwierig und fragil. In diesen Fällen kommt daher Betriebsvereinbarungen mit einer weitreichenden formalen Regelungstiefe eine besondere Bedeutung zu.