Forschungsprojekt: Mindestlöhne im Ländervergleich

. Prozedurale Regelungen und Akteurstrategien

Projektziel

Gemessen an anderen europäischen Ländern sind der Niedriglohnsektor und die Lohnungleichheit in Deutschland stark ausgeprägt. Der Vergleich mit zwei wirtschaftlich und politisch sehr ähnlichen Nachbarn – Österreich und den Niederlanden – zeigt: Es ist entscheidend, welche Strategien die kollektiven Akteure, die Tarifparteien und der Staat in Bezug auf die Entwicklung der unteren Löhne verfolgen.

Veröffentlichungen

Kathmann, Till, 2017. Zum Wechselverhältnis von Mindestlohn und Tarifpolitik. Handlungsstrategien tarifpolitischer Akteure in der Gebäudereinigung, im Einzelhandel und der Metallbranche, Working Paper Forschungsförderung, 45. Band, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 50 Seiten.

Dingeldey, Irene und Till Kathmann, 2017. Einführung und Wirkmächtigkeit des gesetzlichen Mindestlohns in Deutschland. Institutionelle Reformen und gewerkschaftliche Strategien in einem segmentierten Tarifsystem, Schriftenreihe Institut Arbeit und Wirtschaft 21, Bremen: Institut Arbeit und Wirtschaft (IAW), 44 Seiten.

de Beer, Paul, Wike Been und Wiemer Salverda, 2017. The interplay between the minimum wage and collecitve bargaining in the Netherlands. An overview and a case study of three sectors, 173Amsterdam , 90 Seiten.

Dingeldey, Irene, Andreas Etling, Till Kathmann und Paul de Beer, 2017. Niedriglohnentwicklung und Lohnungleichheit im Vergleich. Der Einfluss kollektiver Akteure, WSI Mitteilungen, 7, S. 499-506.

Projektbeschreibung

Kontext

Deutschland (DE), Österreich (AT) und die Niederlande (NL) zeichnen sich durch ähnliche institutionelle, wirtschaftliche und soziale Bedingungen aus. Sie unterscheiden sich hinsichtlich der prozeduralen Regelungen des Mindestlohns - einschließlich der flankierenden Maßnahmen zur Sicherung der Repräsentativität des Tarifsystems. Vor diesem Hintergrund werden Wechselwirkungen zwischen Mindestlohnpolitik und Tarifpolitik auf Branchenebene untersucht, nämlich im Einzelhandel, in der Gebäudereinigung und in der Metallverarbeitung. Dabei wird nach Ähnlichkeiten und Differenzen in Abhängigkeit nationaler Regulierungen einerseits sowie branchenspezifischer Machtressourcen der Akteure andererseits gesucht. Generell ist anzunehmen, dass die Verringerung des Niedriglohnanteils möglich ist, wenn die Tariflöhne sich deutlich vom Mindestlohn absetzen können.

Fragestellung

1. Wie werden Mindestlohnregelungen gestaltet und angepasst? Welche Ziele und Strategien werden von den verschiedenen Akteuren im Zusammenhang mit der Regulierung des Mindestlohns verfolgt?

2. Welche Wechselwirkungen entstehen zwischen Mindestlohn und Tarifpolitik? In welcher Form werden Mindestlöhne bzw. deren Steigerungsrate als Orientierung für Tarifsteigerungen auf Branchenebene genutzt?

3. Welche Konstellationen führen zu einem vergleichsweise hohen Mindestlohn mit breiter Gel¬tungsbasis bzw. zu einem geringen Niedriglohnanteil?

4. Inwiefern verändert sich im Zuge der Mindestlohnpolitik die Governance der Tarifpolitik bzw. die institutionelle Gestaltung des Systems der Arbeitsbeziehungen?

5. Wie ist die ab 2015 geltende gesetzliche Mindestlohnregelung in Deutschland in vergleichender Perspektive zu bewerten? Inwiefern besteht noch Re-Regulierungsbedarf?

Untersuchungsmethoden

Die Untersuchung basiert auf qualitativen Analysemethoden, die lediglich punktuell durch quantitative Analysen ergänzt werden. Die Wahl des Experteninterviews als „Methode“ begründet sich darin, dass ein Untersuchungsziel ist, ob und wie branchenspezifische Entlohnungsstrukturen in Bezug auf den Mindestlohn reflektiert werden. Die Daten werden auf Basis eines Leitfadens in offenen Interviews erhoben, in denen der Experte seine Sicht der Dinge entfaltet. Die Experteninterviews dienen entsprechend sowohl als originäre Quelle der Information (z.B. in Bezug auf die kollektiven Entscheidungen, vorangegangenen Konflikte sowie die Bedingungen des erreichten Kompromisses) als auch als Ergänzung der in Dokumenten- und Literaturanalysen erhobenen Daten. Die Auswertung der Interviews orientiert sich an einem heuristischen Konzept der Inhaltsanalyse. Für die Auswahl der konkreten InterviewpartnerInnen wird in dem geplanten Projekt primär die Positionstechnik angewandt.

Darstellung der Ergebnisse

In Deutschland haben die Gewerkschaften erfolgreich die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns durchgesetzt. Obgleich weiterhin auf hohem Niveau, gelang eine Trendumkehr bei der Lohnungleichheit – allerdings mit nur geringer Wirkung auf den Niedriglohnanteil. In Österreich hat die Stabilität der Institutionen die Machtressourcen der Gewerkschaften weitgehend gewahrt. Die Strategie der Regierung, die unteren Löhne zu senken, hat in den Niederlanden eine solidarische Lohnpolitik verhindert.

Die Wechselwirkung von Mindest- und Tariflohn differiert in Abhängigkeit der branchenspezifischen Machtressourcen. In der Gebäudereinigung werden die Tariflöhne mit explizitem Bezug zu Mindestlohn bzw. Tarifen in anderen Branchen formuliert, verbleiben aber im Niedriglohnbereich. In der Metallindustrie ist die Tarifverpolitik weitgehend autonom. Im Einzelhandel variiert die Entwicklung: In den Niederlanden (Supermärkte) werden überwiegend Jugendliche zum Jugendmindestlohn beschäftigt. In Deutschland hat der Mindestlohn wg. der Tarifflucht der Arbeitgeber eine starke Bedeutung. In Österreich gelang im Zuge solidarischer Lohnpolitik die Überwindung des Niedriglohnbereichs.

Projektleitung und -bearbeitung

Projektleitung

Prof. Dr. Irene Dingeldey
Universität Bremen Institut Arbeit und Wirtschaft (iaw)
dingeldey@uni-bremen.de

Bearbeitung

Dr. Till Kathmann
Universität Bremen Institut Arbeit und Wirtschaft
tkathmann@iaw.uni-bremen.de

Kooperationspartner

Prof. Dr. Paul de Beer
University of Amsterdam Amsterdam Instiute for Advances Labour Studies
p.t.debeer@uva.nl

Prof. Dr. Wiemer Salverda
University of Amsterdam Amsterdam Instiute for Advances Labour Studies
w.salverda@uva.nl

Sepp Zuckerstätter
Arbeiterkammer Wien
Sepp.zuckerstaetter@akwien.at

Marcel Fink
Institut für höhere Studien
fink@ihs.ac.at

Dr. Thorsten Schulten
Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliches Institut der Hans-Böckler-Stiftung
Thorsten-Schulten@boeckler.de

Kontakt

Christina Schildmann
Hans-Böckler-Stiftung
Forschungsförderung
Christina-Schildmann@boeckler.de

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