Forschungsprojekt: Betriebsbezogene Mobilität - Katalysator sozialer Ungleichheit?

Räumliche Mobilität "rund um die Arbeit" - Katalysator sozialer Ungleichheit? Analysen zum Mobilitätskapital im beruflichen Alltag am Beispiel der Metropolregion München

Projektziel

Für immer mehr Beschäftigte unterschiedlicher Qualifikation gehört Mobilität "rund um die Arbeit" zum beruflichen Alltag, ist betriebliche Leistungsanforderung und Notwendigkeit. Das Projekt identifizierte Belastungsfaktoren, Bewältigungsstrategien und (Mobilitäts-)Kompetenzen der Mobilen, wobei das subjektive Erleben im Zentrum stand.

Veröffentlichungen

Nies, Sarah, Katrin Roller und Gerlinde Vogl, 2015. Räumliche Mobilität rund um die Arbeit, Working Paper Forschungsförderung 1, Düsseldorf: Hans-Böckler-Stiftung, 50 Seiten.

Vogl, Gerlinde und Gerd Nies, 2015. Mobile Arbeit daheim, Arbeitsrecht im Betrieb (AiB), 6/2015, S. 15-17.

Nies, Gerd und Gerlinde Vogl, 2014. Mobil Arbeiten: Überall und zu jeder Zeit?, In: Thomas Breisig und Thomas Blanke (Hrsg.) (Hrsg.), Wirtschaftswissen für den Betriebsrat. Kompetent handeln - aktiv mitgestalten, Kissing: Weka Verlag, S. 1-41.

Kesselring, Sven, 2014. Mobility, Power and the Emerging New Mobilities Regimes, Sociologica, 1/2014, S. 30.

Vogl, Gerlinde, Katrin Roller, Veronika Eichmann, Nina Schiml und Barbara Pangert, 2014. Mobilität "rund um die Arbeit". Ergebnisse der quantitativen Befragung, München: Cogito Institut für Autonomieforschung e.V, 19 Seiten.

Maschke, Manuela, Gerd Nies und Gerlinde Vogl, 2014. Mobile Arbeit: zwischen Autonomie und Fremdbestimmung, WSI Mitteilungen, 2/2014, S. 156-159.

Kesselring, Sven, 2014. Corporate mobilities regimes. Mobility, power and the socio-geographical structurations of mobile work, Mobilities, 10, S. 571-591.

Roller, Katrin und Gerlinde Vogl, 2013. Mobilität in der Arbeitswelt: steigende Anforderungen - sinkende Anerkennung?, Sozialwissenschaften und Berufspraxis (SuB), 36(2/2013), S. 214-226.

Nies, Gerd und Gerlinde Vogl, 2013. Mobile Arbeit - Aufgaben und Gestaltungsmöglichkeiten für Betriebsräte, Computer und Arbeit, 22(9/2013), S. 10-15.

Projektbeschreibung

Kontext

Im Zuge der Flexibilisierung der Arbeit und der Internationalisierung von Arbeitsprozessen sind Beschäftigte steigenden Mobilitätsanforderungen ausgesetzt und dabei in vielfältiger Weise mobil: als Pendler, Dienstreisende oder sie sind auf dem Weg zu wechselnden Einsatzorten. Trotz moderner Kommunikationstechnologien werden Reisen keineswegs überflüssig, im Gegenteil, physische und "virtuelle" Mobilität gehen Hand in Hand.

Anforderungen an die vielfältige physische betrieblich induzierte Mobilität müssen von den Beschäftigten aktiv bewältigt werden. Der kompetente Umgang ist dabei keinesfalls selbstverständlich. Mobilsein kann zur psychischen Belastung werden, die Vereinbarkeit von Leben und Arbeit wird unter mobilen Bedingungen zum Balanceakt, nicht zuletzt deshalb, weil diese Bewältigungsleistungen überwiegend individualisiert werden. Das Projekt untersucht deshalb die sozialen und gesundheitlichen Folgen des Unterwegsseins von Beschäftigten in unterschiedlichen Branchen.

Fragestellung

Das Projekt zielt darauf ab, betrieblich induzierte Mobilität als integrierten Bestandteil des Alltags - also des Berufs- und Privatlebens - zu verstehen und aus subjektzentrierter Perspektive das Erleben und Bewältigen zu rekonstruieren. Dadurch rücken nicht nur Bedingungen der Mobilität selbst in den Fokus (Dauer der Reisen, Häufigkeit), sondern auch Arbeitsbedingungen und die soziale Situation, sowie Vorstellungen über ein "gutes Leben" der Beschäftigten. Zentrale Fragen sind dabei:

Wann wird betriebliche Mobilität als Belastung, wann als Bereicherung erlebt? Welche Faktoren bedingen, dass Mobilität zur Belastung wird? Wie erleben und bewältigen Beschäftigte die an sie gestellten Mobilitätsanforderungen? Welche Kompetenzen sind dazu nötig? Wie vereinbaren sie Leben und Arbeit unter mobilen Bedingungen miteinander (Mobilitätsarrangement)?

Untersuchungsmethoden

Die Studie konzentrierte sich auf Beschäftigte in Unternehmen aus dem Bereichen Bau, Energie und im Fahrzeugbau.

Die empirische Untersuchung erfolgte zweistufig: Zunächst wurde ein standardisierter Fragebogen zur Ermittlung der Belastungsfaktoren für unterschiedliche Mobilitätsformen eingesetzt. Die Auswertung erfolgte anhand der Mobilitätsformen Arbeitswege, Dienstreisen und wechselnde Einsatzorte.

Im zweiten Schritt wurden mit mobilen Beschäftigten qualitative Leitfadeninterviews (ca.60) durchgeführt. Im Fokus standen dabei das Erleben und die entwickelten Bewältigungsstrategien im Umgang mit betrieblichen Mobilitätsanforderungen. Der qualitative Teil konzentrierte sich bei der Auswertung auf die Gegenüberstellung zweier empirischer Mobilitätsgruppen: Wochenendpendler, die an wechselnden Einsatzorten tätig sind und Dienstreisende. Mittels Kontrastierung beider Gruppen wurden die Mobilitätsarrangements und die damit verbunden (Mobilitäts-)Kompetenzen herausgearbeitet.

Darstellung der Ergebnisse

Ob Mobilität zur Belastung wird, oder als bereichernd erlebt wird, hängt nicht nur von den Rahmenbedingungen der Mobilität selbst ab, sondern auch von Arbeitsbedingungen und der sozialen und persönlichen Lage der Beschäftigten. Dabei hat gerade die Autonomie in der Reiseplanung einen schützenden Effekt, während eine steigende Arbeitsmenge und permanente Erreichbarkeit die Belastung verstärken. Die Mobilitätsarrangements der Dienstreisenden und Wochenendpendler unterscheiden sich grundlegend: während bei den ersteren Flexibilität, Eigenständigkeit und Selbstorganisationsfähigkeit verlangt und gefördert werden, müssen die Wochenendpendler mit einem rigiden Mobilitätskorsett zurechtkommen. Bei dieser Gruppe stehen das langfristige Aushalten und "sich gewöhnen" im Vordergrund. Grenzziehungen zwischen Arbeit und Privatleben werden von dieser Gruppe aktiv verstärkt - die Dienstreisen stellen stärker auf situatives flexibles Handeln ab, was zu einer Auflösung eindeutiger Arbeits- oder Privatsphäre führt und zur Unterschätzung der Beanspruchung durch Mobilität führen kann.

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