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Magazin Mitbestimmung

Finanzierung: Was kostet die Mitgliedschaft im Arbeitgeberverband?

Ausgabe 10/2013

Arbeitgeberverbände und Unternehmen reden ungern über Mitgliedsbeiträge. Gerade die Top-Zahler schweigen. Gerechnet wird nach Zimmern, Lohnsumme oder Hektolitern Bier. Von Martin Behrens

Arbeitgeberverbände gelten als Vereinigungen von besonders ressourcenstarken Mitgliedern. Tatsächlich existieren in Deutschland rund 700 Arbeitgeberverbände, deren finanzielle Ausstattung sehr unterschiedlich ist. Doch die finanzielle Potenz vieler Arbeitgeber macht es für die Verbände nicht einfacher, Mitgliedsbeiträge einzuziehen. Im Gegenteil, die Verbandsmitglieder haben Kosten und Nutzen der Mitgliedschaft fest im Blick und achten teils eifersüchtig darauf, dass die jeweiligen Verbandskollegen nicht besser davonkommen als man selbst. Der Grund hierfür liegt auf der Hand, schließlich handelt es sich bei diesen Mitgliedern – anders als bei den meisten anderen Verbänden – zumeist um konkurrierende Unternehmen, die nicht allein auf Produkt- sondern auch auf Arbeitsmärkten miteinander im Wettbewerb stehen. Finanzielle Mittel für die Verbandsarbeit mobilisieren zu können erweist sich daher allzu oft als heikler Balanceakt. Wenn sich Beitragserhöhungen nicht mehr vermeiden lassen, folgen mit Sicherheit unangenehme Diskussionen zu den Themen Wirtschaftlichkeit, Notwendigkeit und Angemessenheit.

Mancher Kleinverband kann sich nicht einmal eine eigene Geschäftsstelle leisten, während Schwergewichte wie Gesamtmetall keine Probleme damit haben, die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) mit einer Anschubfinanzierung von 100 Millionen Euro für die ersten zehn Jahre auszustatten. Mit der INSM versuchen die Arbeitgeber, Themen wie Fachkräftemangel, Strompreisanstieg und Steuerpolitik zu kommunizieren und in ihrem Sinne die öffentliche Meinung zu beeinflussen. Ausgespart bleibt hingegen die Tarifpolitik, ein Thema, das sich die Verbände offensichtlich selbst zur Bearbeitung vorbehalten. Ein Grund für den ungleich verteilten Reichtum ist in der Verbandsgeschichte zu suchen: Einige Verbände konnten in fetten Jahren Mitgliedsbeiträge beispielsweise in Immobilien investieren. Auch mag eine Rolle gespielt haben, dass für die Unterstützung von Streiks und Aussperrungen vorgesehene Mittel kaum mehr im ursprünglich vorgesehenen Umfang benötigt werden. Denn seit 1990 kommen Aussperrungen fast nicht mehr vor. Die überwiegende Mehrzahl der Verbände muss jedoch immer wieder aufs Neue die finanziellen Ressourcen ihrer Mitglieder mobilisieren.

KOMPLEXE BEMESSUNGSGRUNDLAGEN

Die Beitragsordnungen der Arbeitgeberverbände enthalten teilweise recht komplexe Regeln. So gibt es Bemessungsgrundlagen, Hebesätze, Mindest- und Höchstbeiträge ebenso wie Aufnahmegebühren. Wie die Auswertung von insgesamt 57 Beitragsordnungen von Arbeitgeber- und Wirtschaftsverbänden ergab, machen die meisten Arbeitgeberverbände ihre Beiträge von der Beschäftigung der jeweiligen Mitgliedsunternehmen abhängig. Insgesamt 42 Prozent der untersuchten Verbände richten sich nach der Anzahl der Arbeitnehmer im Betrieb oder der Bruttolohn- und -Gehaltssumme. Zu entrichten sind, je nach Verband, zwischen 0,5 und fünf Promille der Bruttolohn- und -Gehaltssumme. Weitere 20 Prozent der Verbände richten die Beiträge nach dem Umsatz und leben damit recht gefährlich, denn der Umsatz ist stärkeren konjunkturellen Schwankungen ausgesetzt als die Beschäftigung. Andere wiederum wenden Kennziffern für die Produktionsleistung oder Kapazität an: die Zimmerzahl bei Hotels, den Bierausstoß in Hektolitern bei Brauereien, die Zahl der Leinwände bei Kinos.

 

Wie sehr die Beteiligten darauf achten, nicht übervorteilt zu werden, wird schon am Procedere der Beitragserhebung deutlich: So lassen sich einige Verbände von ihren Mitgliedern die Erlaubnis erteilen, die zur Berechnung des Beitrages notwendigen Auskünfte zur Lohnsumme direkt bei den Berufsgenossenschaften einzuholen. So wird die Beitragsehrlichkeit durch externe Dritte abgesichert. Andere Verbände erreichen dieses Ziel durch die Androhung von Strafen: Wird beim Beitrag geschummelt, so eine Beitragsordnung aus der Bauwirtschaft, wird ein Strafzuschlag von 50 Prozent der zu zahlenden Summe fällig. Während also die Beitragsstaffelung und die Regelungen zur Datenbeschaffung dafür Sorge tragen, dass sich die Mitglieder nicht ungerecht behandelt fühlen, dienen weitere Regeln dazu, den Bestand des Verbandes selbst zu sichern. So verfügt ein knappes Drittel der Verbände über Regelungen zum Höchstbeitrag, wonach entweder ein maximaler Mitgliedsbeitrag festgelegt wird oder aber ab einem Schwellenwert Beitragsrabatte gewährt werden.

 

Gedeckelte Beiträge machen unabhängig_ Höchstbeiträge dienen zum einen dazu, größere Unternehmen nicht zu verprellen und ihnen einen finanziellen Anreiz zur Mitgliedschaft zu bieten. Mehr noch dienen Höchstbeiträge aber auch dem Selbstschutz der Verbände: So sieht beispielsweise die Beitragsordnung eines Industrieverbandes vor, dass kein Mitgliedsunternehmen mehr als 15 Prozent des gesamten Beitragsaufkommens schultern darf. Die Logik ist klar: Bei einer derart großen Bedeutung einzelner Mitglieder macht sich der Verband abhängig, im schlimmsten Fall sogar erpressbar. Wie schwer allein schon die Abhängigkeit wiegt, wird am Beispiel der Bundesarbeitsgemeinschaft der Mittel- und Großbetriebe des Einzelhandels (BAG) deutlich, der letztlich die Insolvenz seines größten Mitgliedsunternehmens, Karstadt, nicht lange überlebte. Kurzum: Zu wenig Geld schmälert die Wirksamkeit und Sichtbarkeit von Arbeitgeberverbänden, zu viel Geld von einzelnen Mitgliedern hingegen gefährdet ihre Unabhängigkeit und Stabilität.

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