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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Sollten Aufsichtsräte ihre Amtszeit begrenzen?

Ausgabe 12/2015

Der Deutsche Corporate Governance Kodex empfiehlt seit kurzem,  für die Zugehörigkeitsdauer im Aufsichtsrat eine Regelgrenze festzulegen. Sebastian Sick erläutert, was der Vorschlag für Arbeitnehmervertreter bedeutet.

Sie ist sehr umstritten, die neue Empfehlung der Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex. Im Mai 2015 hatte die Kommission empfohlen, eine zeitliche Regelgrenze für die Zugehörigkeit zu einem Aufsichtsrat einzuziehen. Konkret bedeutet das: Der Aufsichtsrat könnte eine Begrenzung der Mandate auf drei oder vier Amtsperioden beschließen. Vorweg gesagt: Eine solche Grenze ist keine bindende Vorgabe für Aufsichtsratswahlen der Arbeitnehmer; wir empfehlen das zumindest im Beschluss klarzustellen oder eine Abweichung von dieser Kodex-Empfehlung zu fordern. 

Die neue Empfehlung besagt, der Aufsichtsrat solle konkrete Ziele hinsichtlich seiner personellen Zusammensetzung benennen und dabei „unter Beachtung der unternehmensspezifischen Situation (…) eine festzulegende Regelgrenze für die Zugehörigkeitsdauer zum Aufsichtsrat (…) berücksichtigen“ (Tz. 5.4.1, Abs. 2, S. 1). Offenbar verspricht man sich davon personelle Erneuerung und frische Impulse für die Aufsichtsratsarbeit. Zunächst hatte die CG-Kommission sogar eine starre Begrenzung der Mandate im Auge, jetzt wird sinnvollerweise nur eine Regelgrenze empfohlen, die „in der Regel“ gilt und Ausnahmen im Einzelfall zulässt. 

Die Neuerung ist äußert problematisch. Durch den Ausschluss langjähriger Aufsichtsratsmitglieder könnten wichtige Kenntnisse über das Unternehmen und wertvolle Erfahrungen verloren gehen. Des Weiteren kann ein Beschluss des Aufsichtsrats auf Grundlage des Kodex (der nicht Gesetzesrang hat) nicht die Gesetze und Wahlordnungen zu Aufsichtsratswahlen aushebeln. Dort sind jedoch die Kriterien für eine Kandidatur abschließend festgelegt. Daneben hat der Aufsichtsrat über seinen Nominierungsausschuss und die Abgabe von Wahlvorschlägen erheblichen Einfluss auf die Wahl der Anteilseignervertreter durch die Hauptversammlung, den er im Sinne der selbst gesetzten Ziele nutzen kann. Dagegen hat der Aufsichtsrat auf die Wahl der Arbeitnehmervertreter keinerlei Einfluss. Er kann hier – anders als bei der Wahl der Anteilseignervertreter durch die Hauptversammlung – keine Wahlvorschläge machen. Diese werden vielmehr aus den Reihen der Beschäftigten und von den im Unternehmen vertretenen Gewerkschaften aufgestellt. 

Rechtlich enthält die Empfehlung, eine Regelgrenze für die Dauer einer Aufsichtsratstätigkeit festzulegen, keine Bindungswirkung für Arbeitnehmerseite: Es gibt keine Verpflichtung, einen entsprechenden Beschluss des Aufsichtsrats bei Wahlen der Arbeitnehmer zu berücksichtigen. Das gilt auch dann, wenn die Geschäftsordnung des Aufsichtsrats eine Grenze der Zugehörigkeitsdauer vorsieht. 

Was bedeutet das für die Praxis? In Aufsichtsräten börsennotierter Unternehmen wird aktuell über eine Regelgrenze von bis zu drei oder vier Amtszeiten oder auch von zwölf bis 20 Jahren diskutiert. Mehrere Unternehmen der DAX-Segmente haben allerdings bereits ausdrücklich erklärt, dass sie von der Kodex-Empfehlung abweichen werden. Sie sehen eine Regelgrenze als nicht sachgerecht an, weil auf eine Mischung aus erfahrenen und neu gewählten Aufsichtsratsmitgliedern zu achten sei. Hinsichtlich der vom Kodex geforderten Vielfalt (Diversity) könne, so die Argumentation, die unterschiedliche Dauer der Aufsichtsratstätigkeit einzelner Mitglieder Vorteile bieten. Wer schon länger ein Aufsichtsratsmandat hat, der oder die verliert nicht zwangsläufig Unabhängigkeit oder Ideenreichtum. Es sei von daher nicht gerechtfertigt, Aufsichtsratsmitglieder, die langjährig in einem Aufsichtsrat tätig sind, implizit mit einem Malus zu versehen. 

Unser Tipp: Angesichts dieser Vorbehalte sollten auch die Arbeitnehmervertreter ernsthaft in Erwägung ziehen, im Aufsichtsrat gegen die Festlegung einer Regelgrenze und für eine Abweichung von der Kodex-Empfehlung zu plädieren. Damit wird auch das Risiko einer nach § 20 Abs. 2 MitbestG unzulässigen faktischen Beeinflussung der Aufsichtsratswahl der Arbeitnehmer durch einen Aufsichtsratsbeschluss ausgeschlossen. Ob es sinnvoll ist, dass ein langjähriges Mitglied des Aufsichtsrats erneut kandidiert, kann letztlich nur im Einzelfall bewertet werden. Bei Arbeitnehmervertretern sind extrem lange Aufsichtsratsmandatsperioden allerdings eher die Ausnahme.

Sollte der Aufsichtsrat dennoch eine Regelgrenze beschließen, so sollte im Beschluss ausdrücklich klargestellt sein, dass dieser nicht die Wahlen der Arbeitnehmer berührt.

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