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Carolin Martin (li.) vom IMK und Michael Voigtländer (re.) vom IW Magazin Mitbestimmung

Pro & Contra: Müssen wir mehr Geld in den sozialen Wohnungsbau stecken?

Ausgabe 06/2023

Ja, sagt Immobilienexpertin am Institut für Makro­okönomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung, um einkommensschwachen Haushalten Zugang zu angemessenem Wohnraum zu geben. Nein, findet Michael Voigtländer vom Institut der Deutschen Wirtschaft (IW), denn dem sozialen Wohnungsbau mangelt es an Effizienz.

JA.

Die Bundesregierung sollte die Förderung des sozialen Wohnungsbaus massiv ausweiten. Der Mangel an bezahlbarem Wohnraum, insbesondere für einkommensschwache Haushalte, ist ein drängendes Problem. Es fehlen in den deutschen Großstädten fast zwei Millionen Sozialwohnungen. Der Bau von rund 25 000 Sozialwohnungen im vergangenen Jahr unterschreitet nicht nur die Anzahl der Wohnungen mit auslaufender Preisbindung, er ist auch weit entfernt von dem Ziel, jedes Jahr 100 000 öffentlich geförderte Wohnungen zu bauen, das die Bundesregierung im Koalitionsvertrag verankert hat.

Der Bestand an Sozialmietwohnungen hat sich von 2006 bis 2022 nahezu halbiert. Gleichzeitig halten die gerade in den letzten Monaten weiter stark gestiegenen Mietpreise sowie der durch die wachsende Bevölkerung, durch Zuwanderung und Urbanisierung verstärkte Mangel an bezahlbarem Wohnraum den Bedarf weiter hoch.

Mehr Investitionen in den sozialen Wohnungsbau tragen dazu bei, die Mietpreise zu stabilisieren und einkommensschwachen Haushalten den Zugang zu angemessenem Wohnraum zu ermöglichen. Dies wirkt sich positiv auf die soziale Gerechtigkeit aus und fördert soziale Integration und Chancengleichheit. Zudem entstehen durch Investitionen in den sozialen Wohnungsbau wirtschaftliche Impulse.

CAROLIN MARTIN ist Immobilienexpertin am Institut für Makro­okönomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.


 

NEIN.

Angesichts der großen Anspannung im Wohnungsmarkt scheint es ­naheliegend, den Bau von Sozialwohnungen zu fördern, damit sowohl mehr als auch preisgünstiger Wohnraum entsteht. Das große Problem des sozialen Wohnungsbaus ist aber seine fehlende Effizienz. Um die Mieten zu subventionieren, müssen je erstellter Einheit erhebliche Mittel eingesetzt werden. Dabei stellt nicht nur der Bund Förderungen zur Verfügung, sondern auch die Länder und Kommunen über die Abgabe vergünstigten Baulands. Hiervon profitieren aber oft nicht die besonders bedürftigen Haushalte.

Nur 45 Prozent der Mieter und Mieterinnen von Sozialwohnungen sind tatsächlich armutsgefährdet, verfügen also über weniger als 60 Prozent des Median-Einkommens. Deutlich sinnvoller ist daher eine Unterstützung der Haushalte über das Wohngeld, da beim Wohngeld erstens ein Rechtsanspruch besteht und zweitens die Haushalte auch nur so lange gefördert werden, wie sie bedürftig sind. Nichtsdestotrotz gilt es, auch günstigere Neubauwohnungen zu ermöglichen.

Dies kann durch mehr Konzeptvergaben gelingen, bei denen Städte den Verkauf von Bauland unter anderem an Vorgaben hinsichtlich der Art des Wohnungsbaus koppeln, und durch eine mutige Reform der Baustandards, die einfachere und damit auch günstigere Neubauten wieder zulässt.

MICHAEL VOIGTLÄNDER leitet das Cluster „Internationale Wirtschaftspolitik, Finanz- und Immobilienmärkte“ am Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) in Köln.


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