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Magazin Mitbestimmung

: Lohnungleichheit im Test

Ausgabe 10/2010

LOHNDISKRIMINIERUNG Der "eg-check" ist ein neues Prüfinstrument, das helfen soll, Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen aufzudecken. Von Petra Riedel

Petra Riedel ist Journalistin in München

Irgendwas stimmt da nicht: Wenn in einer Firma die männlichen kaufmännischen Assistenten im Schnitt 2700 Euro verdienen und die Frauen nur 2500, dann deutet viel auf Diskriminierung hin. Zumal es sich um das tarifliche Grundgehalt handelt. Aber auch dann könnte etwas nicht stimmen, wenn die Leiterin einer Firmenküche 3750 Euro bekommt, der Leiter der Werkstatt aber 3900 Euro. Die Arbeit der Frau ist niedriger eingruppiert und bezahlt als die des Mannes. Doch sind die Tätigkeiten wirklich so unterschiedlich? Oder verstößt die Bezahlung gegen den Grundsatz "Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit"?

Auf solche und ähnliche Fragen kommt man, wenn man sich mit dem Entgelttest eg-check die Gehaltsstrukturen eines Betriebes oder eines Tarifvertrages genauer ansieht. Das Prüfinstrument, entwickelt von den Wissenschaftlerinnen Karin Tondorf und Andrea Jochmann-Döll, gefördert von der Hans-Böckler-Stiftung, kann die Ungleichbehandlung der Geschlechter beim Gehalt sichtbar machen und deren Ursachen aufzeigen. Denn Frauen verdienen in Deutschland immer noch im Schnitt 23 Prozent weniger als Männer. Ein Teil davon lässt sich damit erklären, dass Frauen in schlechter bezahlten Berufen und Branchen arbeiten, jenseits davon besteht der Verdacht auf Diskriminierung.

Politisch passiert allerdings wenig: Nicht einmal das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat eine explizite Lohngleichheitsklausel. Auch das Lohnanalyse-Tool Logib-D, das die Bundesregierung im vergangenen Jahr vorgestellt hat, kann Christina Klenner vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut (WSI) nur eingeschränkt empfehlen. Mit ihm sollen Unternehmen ausrechnen können, ob es einen Unterschied zwischen Männer- und Frauengehältern gibt, der mit dem Geschlecht zu erklären ist. "Doch Logib-D arbeitet mit Variablen, die schon mit Diskriminierung behaftet sein können", erklärt die WSI-Wissenschaftlerin. "Der Grundsatz ‚Gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit‘ wird nicht in den Blick genommen, dabei ist gerade die Arbeitsbewertung eines der Hauptprobleme bei der unterschiedlichen Bezahlung von Männern und Frauen." Ein "grünes" Ergebnis bedeutet jedoch noch lange nicht, dass bei den Gehältern alles im grünen Bereich liegt. Christina Klenner rät, wenn überhaupt, Logib-D mit einem Test zu kombinieren, der auch die Arbeitsbewertung zum Inhalt hat.

GEGENENTWURF_ Und das will der eg-check mit seinen drei Testwerkzeugen prüfen: Gehaltsstatistiken geben einen Hinweis darauf, ob es zwischen Frauen- und Männergehältern eines Betriebes eine Schieflage gibt - wie beim Beispiel der kaufmännischen Assistenten. Der "Regelungs-Check" hilft bei der Analyse, ob die Entgeltgrundlagen benachteiligende Bestimmungen enthalten. Paarvergleiche schließlich führen zu der Frage, ob eine Tätigkeit unterbewertet ist, wie bei dem Beispiel der Küchenleiterin und des Werkstattleiters. Die Prüfung erfolgt zudem nach den Vorgaben des deutschen sowie des europäischen Rechts. "Die Ergebnisse sind damit auch im Rahmen einer rechtlichen Klärung nutzbar", sagt Karin Tondorf.

Vor allem aber könne eg-check die Beratung von Beschäftigten unterstützen, die sich diskriminiert fühlen, und Arbeitshilfe für Gewerkschaften oder Antidiskriminierungsverbände sein. Will man im Betrieb eg-check als Lohnprüfinstrument einsetzen, rät die Soziologin, sich erst einmal auf ein kleineres Vorhaben zu beschränken und dafür "Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenzubringen".

POSITIVE RESONANZ_ Bei Gewerkschaftsvertreterinnen stößt der eg-check auf positive Resonanz: "Endlich gibt es einen solchen Test. Im Grunde haben wir alle auf ein Instrument gewartet, mit dem man die Ursachen von Entgeltungleichheit feststellen kann", sagt Birgit Pitsch von der NGG-Hauptverwaltung, die bei der ersten Vorstellung des Gehaltstests im Juli dabei war. "Aus unserer Sicht geht es nun darum, den eg-check so handhabbar zu machen, dass ihn Betriebsräte in der Praxis einsetzen können." Petra Ganser von der tarifpolitischen Grundsatzabteilung bei ver.di weiß, dass die Eingruppierungsregeln des BAT nicht geschlechterneutral sind. Vor zehn Jahren fanden Expertinnen bei einem Modellprojekt mit der Stadt Hannover heraus, dass die Arbeit der Frauen oft zu niedrig bewertet wird. Trotz neuem Tarifvertrag TVöD gruppieren die Personalabteilungen bis heute nach den alten BAT-Regeln ein.

Auch auf der Ebene von individuellen Lohnklagen kommt ver.di nicht voran. "Wir würden gerne einen Musterprozess führen, auch wenn wir uns dabei gegen den eigenen Tarifvertrag stellen", sagt die Gewerkschafterin, "aber es ist uns bisher nicht gelungen, eine Frau zu finden." Dabei weiß man nicht, ob das nicht auch sein Gutes hat: Denn ein Prozess kann sich hinziehen. Der Erfolg ist ungewiss, die Exponierung und Belastung der Klägerin dagegen sind enorm. In der Schweiz, in der es seit mehr als 20 Jahren Erfahrungen mit Lohnklagen gibt, sind die Gewerkschaften mit Einzelklagen inzwischen vorsichtig geworden.

In vielen Ländern Europas hat sich, im Gegensatz zu Deutschland, in den vergangenen Jahren etwas getan: In Spanien beispielsweise ist seit dem Jahr 2007 ein Gleichstellungsgesetz in Kraft; die Entgeltlücke sank von 20 auf 17 Prozent. Mithilfe eines solchen Gesetzes und einer Neubewertung vieler Frauentätigkeiten ging die Lohndifferenz in Großbritannien innerhalb weniger Jahre von 27 auf 20 Prozent zurück. Frankreich will mit einem 2006 eingeführten Entgeltgleichheitsgesetz die Schere schließen. Im europäischen Durchschnitt beträgt der sogenannte "Gender Pay Gap" 18 Prozent; Deutschland belegt mit seinen 23 Prozent in Europa einen der letzten Plätze.

Und dennoch bleiben Arbeitgeber hierzulande untätig, auch wenn mittlerweile europäisches Recht sie dazu verpflichtet. Auch Logib-D ist nur ein freiwilliger Test - und muss keine Konsequenzen nach sich ziehen. "Alle unsere auch internationalen Erfahrungen legen nahe, dass ohne gesetzliche Verpflichtungen kaum wirkungsvolle Schritte zu erwarten sind", sagt Heide Pfarr, wissenschaftliche Direktorin des WSI. Es müssten daher rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, damit "rote" Testergebnisse beim eg-check Sanktionen nach sich ziehen. Dies ließe sich durch ein Gesetz zur Durchsetzung der Entgeltgleichheit oder umfassender durch ein Gleichstellungsgesetz für die Privatwirtschaft regeln. Für beides liegen Entwürfe vor. 
 

Mehr Informationen 

Gesetzentwürfe zur Entgeltgleichheit (pdf zum Download)

Den WSI-Report 3/2010 "Mit Logib-D zur Überwindung der geschlechtsspezifischen Entgeltlücke?" von Christina Klenner und Astrid Ziegler finden Sie unter: www.boeckler.de/pdf/p_wsi_report_3_10.pdf

Der Entgelttest "eg-check" ist kostenlos und wird unter http://www.eg-check.de/ erläutert. Die Hans-Böckler-Stiftung veranstaltet Workshops für Multiplikatorinnen. Nächster Termin "Entgeltgleichheit prüfen mit eg-check": 3. bis 4. November in Berlin.

Das Buch "Diskriminierungsfreie Tarifverträge" kann hier eingesehen und bestellt werden.
Die Broschüre "Mit Logib-D zur Überwindung der geschlechtsspezifischen Entgeltlücke?" kann hier eingesehen und heruntergeladen werden.

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