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Magazin Mitbestimmung

Von ANDREAS SCHULTE: Jörg Schlagbauer, Aufsichtsrat bei Audi

Ausgabe 08/2016

Portrait Jörg Schlagbauer hat eine atemberaubende Karriere gemacht. Der Azubi studierte berufsbegleitend BWL und wurde mit gerade einmal 28 Jahren Leiter der IG Metall-Vertrauensleute und in den Aufsichtsrat der Audi AG gewählt.

Von ANDREAS SCHULTE

Wer wissen will, wofür Jörg Schlagbauer, 38,  einsteht, wirft einfach einen Blick auf den Garderobenständer in seinem Büro. Ganz oben hängt eine Kappe mit dem Signet der IG Metall. An der Wand dahinter feiert ein Plakat den Heimatverein und örtlichen Fußballbundesligisten FC Ingolstadt. Und ganz oben drüber hängt ein schwarzer Schal mit den vier Audi-Ringen. Jörg Schlagbauer und eine Karriere bei Audi, das ist schon fast so etwas wie eine Zwangsläufigkeit. Der Großvater arbeitete beim Autokonzern, dann der Vater und jetzt er, der Betriebsrat im Werk Ingolstadt. Als kaufmännischer Azubi begann Schlagbauer dort. Er studierte berufsbegleitend BWL und wurde zum Vertrauenskörperleiter der IG Metall bei Audi gewählt. Diese Position als Bindeglied zwischen Belegschaft, Betriebsrat und Gewerkschaft dient beim Autobauer traditionell als Sprungbrett für einen Aufsichtsratsposten. So auch für Schlagbauer. 2006 wählten ihn die Arbeitnehmer in dieses Gremium – mit gerade einmal 28 Jahren.

Dort wird das Nachwuchstalent Teil der Arbeitnehmerbank mit dem IG-Metall-Vorsitzenden Berthold Huber an der Spitze. Ihm gegenüber die Vertreter der Familien Piëch und Porsche. Zwischen den Alphatieren findet er schnell einen Weg, sich  zu behaupten. Der Alleingang ist nicht seins: „Wenn man sich als Aufsichtsratsneuling Gehör verschaffen will, sucht man sich erfahrene Mitstreiter und geht gemeinsam vor.“ Im Audi-Aufsichtsrat muss Schlagbauer aber nur selten taktieren. Denn der große Eklat ist dort die Ausnahme, dauerhaft verhärtete Fronten gibt es nicht: „Die Mitbestimmung wird hier von der Arbeitgeberseite sehr geschätzt, weil wir ein verlässlicher Partner sind. Der Vorstand nimmt uns möglichst bald mit ins Boot“, sagt der Ingolstädter SPD-Stadtrat. So war es auch, als vor Jahren die ersten Pläne für ein neues Werk im Ausland bekannt wurden. Beide Seiten berieten sich und konnten die Risiken für Beschäftigung und Auslastung der deutschen Standorte begrenzen.

„Erst als klar war, dass für alle bei Audi die Chancen überwiegen, haben wir uns auf eine gemeinsame Strategie verständigt.“ Schlagbauer betont das Wörtchen „alle“. Kompromisse sind typische Lösungen in seiner Arbeitswelt. Schlagbauer hat einen „Audi-Geist“ ausgemacht. „Bei Audi herrscht ein extremer Zusammenhalt. Einen Streit eskalieren, die Öffentlichkeit einschalten, so etwas machen wir nur, wenn es unausweichlich ist.“ So wie im vergangenen Mai, als Jörg Schlagbauer im Zuge des Tarifstreits und in seiner Funktion als IG-Metall-Vertrauenskörperleiter zum Warnstreik aufrief. Fünf Prozent mehr Lohn? „Das sind doch Peanuts für die Wirtschaftsbosse in ihren Palästen und Villen“, so sein Argument. Leiser wird er, wenn es um die Dieselaffäre geht. Da will und kann er sich nicht äußern.

Den Job als Aufsichtsrat sieht er harmonischer: „Eine konstruktiv kritische Begleitung der Geschäftsführung“, definiert er die Aufgabe. „Wir prüfen dort, ob die Firmenstrategie stimmt. Es darf nicht nur Lenker geben, die ausschließlich auf Zahlen schauen.“ Als Stadtrat in Ingolstadt setzt Schlagbauer  sich für eine bessere Verkehrsplanung und bezahlbaren Wohnraum ein. Für seine Tätigkeit verwendet er nach eigenen Angaben 25 Prozent der Arbeitszeit. Aufsichtsrat, Betriebsrat, IG-Metall-Vertrauenskörper, Stadtrat: Ist da der Interessenkonflikt vorprogrammiert?

„Die Personalunion aus Aufsichtsrat und Betriebsrat ist eine Gratwanderung“, sagt er. Denn im Aufsichtsrat erfährt er früh von entscheidenden unternehmerischen Schachzügen. Als Betriebsrat aber darf er vor der Belegschaft nur selten darüber sprechen. Schlagbauer setzt trotzdem auf Transparenz. „Audi-Vorstand und Arbeitnehmerseite verbreiten Informationen aus dem Aufsichtsrat möglichst bald in der Belegschaft. Wer seine Beschäftigten nicht frühzeitig mitnimmt, erntet Widerstand.“ Schon seit fünf Jahren macht sich Schlagbauer daher verstärkt für Weiterbildungen und Umschulungen von Audianern stark. Er will Arbeitsplätze langfristig sichern, die wegen der aufkommenden E-Mobilität auf dem Spiel stehen. „Wir müssen unsere Leute jetzt fit machen, zum Beispiel für neue Produktionsmethoden.“ Nur so könne Audi trotz des tiefgreifenden Mobilitätswandels wie gewohnt erfolgreich sein, sagt Schlagbauer. Darum geht es ihm immer: die Leute mitzunehmen im Wandel. Denn eins ist klar: „Vorstand, Aufsichtsrat, Betriebsrat sind zwar wichtige Organe. Doch das Unternehmen, das sind vor allem die Menschen, die dort arbeiten.“

Foto: Audi AG

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