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Magazin Mitbestimmung

: INTERVIEW 'Noch mehr Betriebsräte sollten ihre Gehälter offenlegen'

Ausgabe 03/2008

IG-Metall-Justiziar Thomas Klebe zur Diskussion um die Bezahlung von freigestellten Betriebsräten und die Spielregeln für die Lohnfindung

Das Gespräch führte KAY MEINERS, Redakteur des Magazin Mitbestimmung.

Herr Klebe, Sie werben ausdrücklich dafür, dass freigestellte Betriebsräte öffentlich machen, was sie verdienen. Warum?
Es gibt derzeit eine schiefe öffentliche Debatte. In der Presse wird teilweise der Eindruck erweckt, dass Betriebsräte jede Menge Geld verdienen und das möglicherweise ungesetzlich ist. Aber wir haben nichts zu verbergen. Deshalb müssen wir uns zu Wort melden.

Es sind also nicht reale Ereignisse wie bei Volkswagen oder Siemens, die Sie veranlassen, sich zu Wort zu melden, sondern die falsche Berichterstattung in den Medien?
Mein Appell hängt natürlich auch mit den bekannten Missbrauchsfällen zusammen. Ich glaube aber ganz generell, dass wir durch Transparenz nur gewinnen können: Die Missbrauchsfälle sind seltene Ausnahmen. Dass ein Betriebsrat sich zum Beispiel Eigenbelege ausstellen kann, das habe ich weder vorher noch hinterher gehört.

Was heißt Transparenz konkret?
Es wäre hilfreich, wenn noch mehr Betriebsräte ihre Gehälter öffentlich machten. Man kann dabei so verfahren wie die BASF-Betriebsräte oder die von Daimler, die ihre Gehaltsstruktur öffentlich gemacht haben, aber nicht einzelne Gehälter. Niemand muss als Einzelperson sein Einkommen offenlegen - denn das ist eine persönliche Entscheidung. Die Veröffentlichung der generellen Vergütungsrichtlinien, das zeigen alle Beispiele, wirkt bei den Beschäftigten und in der Öffentlichkeit vertrauensbildend und erstickt alle Spekulationen im Keim.

Gibt es freigestellte Betriebsräte, deren Einkommen so hoch ist, dass sie mit Unverständnis in der Öffentlichkeit rechnen müssen, wenn es bekannt wird?
Nein. Ich kenne keine Beispiele. Zur Klarstellung: Im Organisationsbereich der IG Metall sind nur 6,5 Prozent der gewählten Betriebsräte ganz oder teilweise freigestellt. Die ganz große Mehrheit arbeitet weiterhin in ihrem Job und wird für die Betriebsratsaufgaben nur im Einzelfall freigestellt. Die haben ganz andere Probleme: Oft müssen sie ihrer korrekten Bezahlung oder dem Geld für Arbeitsmittel oder Sachverständige hinterherrennen. Das Thema ist also gänzlich ungeeignet für eine Skandalisierung.

Die Medien sehen das anders. Sie veröffentlichen regelmäßig sechsstellige Jahresgehälter von "Top-Verdienern" unter den Betriebsräten, meist aus großen Unternehmen.
Das sind Spekulationen. Weniger als ein Prozent der Mandatsträger kommt aus Großbetrieben. Ich kann natürlich nicht die Hand für die Praxis jedes einzelnen Unternehmens ins Feuer legen. Aber die Gehälter, die mir bekannt sind, kann man alle sehr gut nachvollziehen.

Strebt die IG Metall eine Begrenzung bei der absoluten Höhe der Bezüge an?
Nein, dazu kann eine Gewerkschaft keine Festlegung treffen. Ich sage es aber deutlich: Ein Betriebsrat ist kein Vorstandsmitglied und auch kein Top-Manager. Wer meint, sich mit diesen Personen finanziell auf Augenhöhe bewegen zu müssen und daraus seine Gehaltsforderungen ableitet, der hat ein verkehrtes Amtsverständnis. Ganz abgesehen hiervon sind die Vorstandsgehälter oft nicht mehr nachvollziehbar und maßlos.

Was schlagen Sie - neben dem Öffentlichmachen der Einkünfte - noch vor, um Transparenz zu gewährleisten?
Wir arbeiten zurzeit an Grundsätzen guter Betriebsratsarbeit. In diesem Papier geht es vor allem um Fragen des Selbstverständnisses: Welche Aufgaben haben wir als Betriebsräte, wie nehmen wir unsere Interessenvertretung für die Beschäftigten wahr? Ein Punkt bei diesen Grundsätzen ist die Vergütung. Wichtig ist dabei neben dem Prinzip, dass eine hypothetische Karriere angenommen wird: keine Eigenbelege, keine Sonderboni, keine Vergünstigungen, keine Extras, sondern strikte Gleichbehandlung mit einer Vergleichsgruppe von Beschäftigten im Betrieb. Klare Spielregeln, so wie wir sie für unsere Aufsichtsratsarbeit schon haben, sind sehr wichtig. Es ist sinnvoll, sie aufzuschreiben und regelmäßig zu überprüfen.
 
Die Gewerkschaft kann kaum mehr tun, als den Betriebsparteien Vorschläge zu machen.
Mehr würden wir auch nicht wollen. Ich sage nur: Finger weg von Einzelfall-Lösungen und Sonderkonditionen.

In Deutschland wird der Betriebsrat nach dem Entgeltausfallprinzip bezahlt. Er erhält keine Vergütung für das Amt, sondern eine Entschädigung für die Arbeit, die er wegen des Amtes nicht ausüben kann. Dass dabei auch eine hypothetische Karriere in die Rechnung einbezogen wird, eröffnet gewisse Spielräume.
Genau deshalb ist es wichtig, rechtzeitig Vergleichsgruppen von mehreren Personen zu bilden, wenn sich abzeichnet, dass jemand eine Karriere als Betriebsrat macht. Die Betriebsparteien sollten dazu klare Regeln festlegen, die einleuchtend und nachvollziehbar sind. Dabei kann auch die Betriebsgröße eine Rolle spielen oder die Größe des Unternehmens. Wer Vorsitzender eines 21-köpfigen Gremiums ist, kann zum Beispiel wie ein Teamleiter zu bezahlen sein, der für ein Team von 21 Köpfen zuständig ist.

Kritiker argumentieren, man dürfe nicht aus dem Amtserfolg als Betriebsrat auf die mögliche Karriere im Betrieb schließen. Sehen Sie hier ein Problem?
Wer in einem großen Unternehmen freigestelltes Betriebsratsmitglied wird, der hat mit Sicherheit einiges an Fähigkeiten, der hat jede Menge Einsatz und Ehrgeiz gezeigt und sich oft auch umfangreich weitergebildet. Der hätte sich auch im erlernten Beruf entsprechend weiterentwickelt und eine vergleichbare Karriere gemacht.

So hat der Münchener Arbeitsrechtler Volker Rieble erklärt, wenn jemand ohne akademische Bildung mehr als 100.000 Euro im Jahr verdiene, sei etwas faul.
Eine solche Grenze ist doch willkürlich. Die Bezahlung muss sich an Vergleichspersonen orientieren und nicht an akademischen Einschätzungen. Darüber hinaus: Die Arbeitszeit von Betriebsräten ist oft extrem lang.

Wie groß sind die Versuchungen für Betriebsräte, was andere Vergünstigungen angeht - zum Beispiel ein besonders schickes Büro oder einen Dienstwagen? Die Unternehmen spielen subtil mit solchen Anreizen.
Ich halte diese Feststellung für reichlich übertrieben. Betriebsräte brauchen ordentliche Arbeitsmittel. Ein Dienstwagen kann erforderlich sein. Wer als Betriebsratsmitglied so ein Auto nicht nur dienstlich, sondern auch privat nutzt, der muss dies selbstverständlich korrekt abrechnen und versteuern.

Brauchen wir neue gesetzliche Vorgaben zur Bezahlung freigestellter Betriebsräte?
Für mich bleibt das geltende Gesetz die Grundlage. Die Prinzipien, die darin festgeschrieben sind, sind richtig. Sie können realitätsnah angewendet werden. Jede Weiterentwicklung sollte sich daran orientieren.

Interview zum Download (pdf)

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