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Magazin Mitbestimmung

: INTERVIEW 'Ich wollte kein Unternehmer werden'

Ausgabe 07/2007

Böckler-Stipendiat und Unternehmensberater Klaus Kost über seine Arbeit für Betriebsräte, den Wandel der Branche und die Zahlungsmoral der Arbeitgeber

 

Das Gespräch führte KAY MEINERS.

Herr Kost, man sagt, wenn es der Wirtschaft schlecht geht, geht es den Beratern gut. Stimmt das noch?
Sagen wir mal so: Uns geht es nicht automatisch besser, wenn die Konjunktur brummt. Berater verdienen oft an Krisenfällen. Aber ganz oft haben wir mit strukturellen Fragen zu tun - mit Unternehmensübernahmen, Umstrukturierungen oder Outsourcing. In der Wirtschaft gibt es keinen Ruhezustand, in dem alles in Ordnung ist.

Jahrzehnte haben Berater wie Sie den Strukturwandel im Ruhr-gebiet begleitet. Was ist heute die Herausforderung?
Politiker verweisen gerne auf den bewältigten Strukturwandel im Ruhrgebiet, als ginge es darum, einen Tätigkeitsnachweis zu erbringen. Das ist nicht meine Perspektive. Der Wandel ist ein permanentes Problem. Es gibt ihn auch in Sindelfingen oder am Starnberger See, wo die Arbeitslosigkeit drei Prozent beträgt. Die globalisierte Welt ist für die Betriebsräte komplizierter geworden. Sie ist unser Geschäft. Auch Fragen der Personalentwicklung werden immer wichtiger.

Schaffen die Betriebsräte noch, was man von ihnen erwartet?
Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt hoch qualifizierte Leute, ich nenne sie Co-Manager, und andere, die sich benehmen wie das -Kaninchen vor der Schlange. Die wissen einfach nicht mehr, was sie tun sollen.

Wann kamen Sie auf die Idee, dass es Ihre Aufgabe sein könnte, Betriebsräten zu helfen?
Als ich Stipendiat der Hans-Böckler-Stiftung war, also Anfang der 80er Jahre, sprach alle Welt von den neuen sozialen Bewegungen: von der Frauenbewegung, von der Ökologiebewegung. Eine kritische Wissenschaft etablierte sich, aus der heraus Wissenschaftsläden und Kooperationsstellen hervorgingen. Damals wurden zum ersten Mal Betriebsräte an die Ruhr-Universität eingeladen, um dort zu studieren.

Mit welchem Bewusstsein haben Sie damals studiert?
Wir hatten vor, einen Beitrag zur Demokratisierung der Gesellschaft zu leisten, indem wir Wissenschaft für die Praxis nutzbar machten - nicht im betriebswirtschaftlichen Sinne, sondern aufklärerisch, humanistisch. Der Transfergedanke war sehr populär. Wir haben uns als politisierte Fachleute verstanden. Wir wollten, dass Wissenschaft Nutzen stiftet.

Wie haben Sie sich in diesem Milieu eine Karriere vorgestellt?
Manche von uns wollten hauptamtliche Gewerkschaftsvertreter werden oder an die Hochschule gehen. Wieder andere waren vom Genossenschaftsgedanken beseelt und wollten selbst verwaltete Betriebe leiten. Die Idee, mich selbständig zu machen, ist mir damals nicht gekommen.

Soziologen und Politologen haben gedacht, sie wären die besseren Wirtschaftsbosse - sie wollten aber keine Wirtschaftsbosse sein?
Das hängt uns bis heute nach. In unseren Reihen gab es technikkritische Ingenieure, vielleicht noch ein paar Volkswirte, aber ganz wenige Betriebswirte. Das führte hier und da zu abstrusen Vorstellungen. Als Böckler-Stipendiaten haben wir versucht zu verhindern, dass bei der Bank für Gemeinwirtschaft Geldautomaten eingeführt werden. Wir sprachen immer nur von den Gefahren durch neue Technologien und innovative Entwicklungen.

Das klingt aus heutiger Sicht nicht sehr zukunftweisend.
Es war eine Sackgasse. Aber so war damals unsere Denke. Wir wollten so Arbeitsplätze retten. Aber harte Ökonomie spielte dabei keine große Rolle.

Und heute?
Die Ökonomie ist das Herzstück. Ein Betriebsrat, der heute keine Bilanz lesen kann, ist seinem Schicksal hilflos ausgeliefert. Das gilt erst recht für den Berater. Wir sind stolz darauf, dass wir eine Zertifizierung haben und Mitglied im Bundesverband der Unternehmensberater sind. Erst war ich geschockt, weil ich dort von Mitbewerbern richtig in die Mangel genommen worden bin - im Nachhinein finde ich das richtig.

Welche Ausbildung haben die Berater?
Nicht jeder ist wirklich professionell. Es gibt viele Hausgewächse, ehemalige hauptamtliche Gewerkschafter - alle möglichen Leute können Berater werden.

Wie rekrutieren Sie ihre Mitarbeiter?
Zum Teil haben wir Uni-Absolventen selbst aufgebaut, zum Teil waren das Betriebsräte, die ein BWL-Studium absolviert haben. Zum Teil haben wir Mitarbeiter, die früher in anderen Beratungsfirmen tätig waren - wir haben sogar Leute von Roland Berger.

Und die haben keinen Kulturschock erlebt?
Wir erfinden die Betriebswirtschaft doch nicht neu! Unsere Aufgabe ist es, marktgerechte Lösungen zu finden, die sich als Alternativen zu Lohndumping und Arbeitsplatzabbau behaupten können. Wir brauchen eine soziale Sensibilität.

Sozial sensibel sein - das bedeutet für viele Berater, Abstriche beim ökonomischen Denken zu machen.
Es kommt darauf an, welche Annahmen man macht. Je nachdem, welche Prämissen ich einbaue, komme ich zu ganz unterschiedlichen Ergebnissen. Wie auf einer Autobahn gibt es mehrere Spuren - zwischen der rechten und der linken Leitplanke kann ich fahren.

In der Praxis ist das nicht so einfach - über den genauen Kurs gibt es mitunter doch heftige Konflikte.
Ja, natürlich. Oft ist es so, dass wir zu Gutachten der anderen Seite Gegengutachten vorlegen. Dabei haben wir recht kleine Budgets, vielleicht über 20.000 oder 40.000 Euro. Am Ende geht es aber darum, konsensfähige Alternativen anzubieten.

Sie haben vor einigen Monaten in dieser Zeitschrift dazu aufgerufen, die Betriebsräteberatung weiter zu professionalisieren. Gab es darauf Reaktionen?
Was die Inhalte angeht, bin ich bestätigt worden, gerade auch von anderen Beratern. Von den Gewerkschaften habe ich allerdings kaum etwas gehört, was ich ziemlich peinlich finde. Sie wären gefordert, die Modernisierung voranzutreiben und sich um eine Zertifizierung zu kümmern - aber es fehlt in den Gewerkschaften derzeit an strategischen Köpfen. Die Berater selbst sind dazu kaum in der Lage. Wir sind ja Konkurrenten und jagen uns gegenseitig Projekte ab.

Warum sollten die Gewerkschaften sich einschalten?
Es gibt ein Dreiecksverhältnis in diesem besonderen Markt. Die Betriebsräte stehen vor einer Explosion von Fragen, und die Gewerkschaften haben ihr eigenes Personal ausgedünnt. Die Berater könnten in diese Lücke stoßen. Ihre Aufgabe ist es, die Mitbestimmungsträger zu stärken. Wir verschenken hier unser politisches Potenzial.

Wie kommen Sie eigentlich an die Aufträge?
Das ist sehr, sehr unterschiedlich. Weil wir viel Erfahrung in der Aluminiumbranche haben, haben wir verschiedene Betriebsräte dieser Branche beraten. Bei EADS, wo wir gerade im Gespräch sind, ist der Kontakt über den Europäischen Metallgewerkschaftsbund gekommen. Auch internationale Kontakte zahlen sich aus. Wenn zum Beispiel die größte französische Arbeitnehmerberatung, Groupe Alpha, von Problemen erfährt, die ein internationales Team erfordern, nimmt sie mit uns Kontakt auf.

Was unterscheidet Sie von normalen Beratern?
Wir haben einen sozialen Ehrenkodex und arbeiten beteiligungs-orientiert - andere Berater verhalten sich ja zuweilen eher wie Vampire, die das Know-how der Mitarbeiter aussaugen und als ihr eigenes verkaufen. Das Angreifen von Tarifverträgen oder das Entmachten von Mitbestimmungsträgern ist bei uns Tabu.

Sind Sie mit dieser Philosophie im Unternehmen willkommen?
Das hängt ganz von der Unternehmenskultur ab. Manche Arbeitgeber sind eher feindselig eingestellt, und andere empfinden uns als hilfreich. Manchmal erlebt man alberne Sachen - zum Beispiel bekommt man kurz eine Powerpoint-Präsentation zu sehen, aber darf sie nicht schriftlich mitnehmen.

Wie bewirkt man in solchen Fällen trotzdem etwas?
Wir brauchen Verbündete im Unternehmen oder bei Banken, die uns vertrauen, und bei internationalen Firmen brauchen wir Partner in allen Ländern. Außerdem müssen wir taktisches Geschick beweisen - etwa, indem wir ein Mitarbeiter-Buy-out planen, so dass die Geschäftsleitung am Ende darauf verzichtet, einen Werksteil zu verkaufen.

Wie weit mischen Sie sich in Managementaufgaben ein?
Für die Firma Ruhrkristallglas AG, einen Insolvenzbetrieb in Essen, haben wir einen iranischen Großinvestor Kaveh-Glass Industry Group besorgt, der in der EU noch nicht vertreten ist und 120 Millionen Euro investieren und sogar eine Flachglasproduktion anschieben wollte - das wäre die drittgrößte Investition in der Stadt nach einem Karstadt-Einkaufszentrum mit 280 Millionen und der Zentrale von ThyssenKrupp mit 200 Millionen gewesen. Der Betriebsrat, der eigentlich schon gekündigt war, hat mit uns zusammen Glasmessen besucht - wir zusammen haben das frische Geld besorgt. Leider ist kurz vor dem Ziel der Deal geplatzt. Erfolg und Niederlage liegen oft sehr nah beieinander.

In der Regel zahlt der Arbeitgeber Ihren Einsatz, auch wenn der die Position des Betriebsrates stärkt. Das tun, wie ich vermute, nicht alle gern, oder?
Manches Honorar muss ich vor Gericht einklagen. Ein typischer Fall ist, dass Differenzen über den Umfang der vereinbarten Beratung auftreten. Vor Gericht endet das zuweilen mit einem Vergleich, bei dem ich auf einen Teil des Honorars verzichten muss.

 

ZUR PERSON


"Ich muss etwas bewegen", SAGT KLAUS KOST, 53 über sich. Er war früher für GEWOS (heute ISA Consult) tätig, einem Teil der Neuen Heimat, dann beim -nordrhein-westfälischen Bauministerium, was ihm aber zu langweilig war. Kost -arbeitete im Zweigbüro der IG Metall, dann in der Immobilenwirtschaft (als Prokurist bei der GAGFAH). Heute ist er Honorarprofessor an der Ruhr-Universität in Bochum und seit 10 Jahren selbständig. Seine Firma, die PCG PROJECT CONSULT GmbH, hat zurzeit rund 30 Mitarbeiter, davon 18 feste, und berät rund 100 Unternehmen pro Jahr. Zur Firma gehören drei Tochterunternehmen, die Transfergesellschaft BOB Transfer GmbH, die Innovation & Qualifikation Ruhr GmbH sowie die Wieder AG, ein Personaldienstleister.

 

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