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Magazin Mitbestimmung

ENBW: Interessenvertreter im Konzern

Ausgabe 11/2013

Drei Atomkraftwerke von fünf hat der Konzern abgeschaltet, gleichzeitig geht der Ausbau der Windparks nicht voran. EnBW-Betriebsräte verlangen von Berlin endlich Entscheidungen und Investitionssicherheit. Von Karin Flothmann

Vor der Energiewende galt die Energie Baden-Württemberg AG, kurz EnBW, Kritikern als Atomkonzern. Bis 2005 liefen fünf Kraftwerksblöcke, dann wurde als Erstes das AKW Obrigheim vom Netz genommen – nach dem ersten, dem rot-grünen Ausstiegsbeschluss. Und nach der Reaktorkatastrophe von Fukushima schaltete die EnBW die Blöcke in Neckarwestheim und in Philippsburg ab. Noch ein Jahr zuvor, 2010, hatte der Betrieb der vier Atomkraftwerke im EnBW-Konzern deutlich mehr als die Hälfte des Gewinns erwirtschaftet. Es folgten Ertragseinbrüche von 80 Prozent bei einem der vier großen Energiekonzerne neben E.ON, RWE und Vattenfall.

 „Natürlich tun uns die Auswirkungen der Energiewende weh“, sagt Dietrich Herd, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der EnBW-Sparte Erneuerbare und konventionelle Erzeugung AG und stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des drittgrößten Energieunternehmens in Deutschland. Rund 20 000 Menschen arbeiten in dem Konzern, „der Druck auf die Beschäftigten hat sich erhöht“. Die Ertragseinbrüche waren Folge der reduzierten Energiemengen. „Aber stärker noch trifft uns der stark gesunkene Strompreis an der Börse“, berichtet Herd. Im Geschäftsjahr 2012 erwirtschaftete der Konzern wieder einen Überschuss von 474 Millionen Euro; zwei Jahre zuvor (vor Fukshima) hatte der Konzernüberschuss noch bei 1,17 Milliarden Euro gelegen.

Die Kernkraftwerke, die das Geld brachten, werden heute zurückgebaut, also abgerissen. „In Obrigheim sind wir mitten im Rückbau“, sagt Herd. An den Kernkraftstandorten Neckarwestheim und Philippsburg bereite man den Rückbau vor. Denn auch dafür braucht man offizielle Genehmigungen, und die lassen oft auf sich warten. „Die EnBW hat – ich glaube als einziges der vier großen Energieunternehmen – verkündet, dass sie den Rückbau auch zum Teil mit eigenem Personal stemmen will. Wir werden da nicht nur Fremdfirmen einschalten“, zeigt sich Herd zufrieden. Für die Beschäftigten in den stillgelegten AKWs rechnet sich das. „Bis auf einige Kollegen, die in den Ruhestand gegangen sind, haben wir noch nahezu die gleiche Mannschaft an Bord“, erklärt Herd. Und das wird in den nächsten 15 bis 20 Jahren je nach Rückbau-Fortschritt so bleiben. Denn so lange, so schätzen Herd und seine Kollegen, wird es dauern, bis dort, wo heute noch Atomkraftwerke stehen, wieder grüne Wiese ist. Sofern für den Atommüll ein Endlager gefunden wird. „Wir haben ja das Problem der Lagerung von unseren schwach und mittel radioaktiven Abfällen“, sagt Herd. „Wenn das Endlager Konrad nicht oder erst verspätet kommt, dann wird das auch zu Verzögerungen beim Rückbau führen.“ Mit den zwei verbliebenen Kernkraftwerken produziert die EnBW noch heute Atomstrom. „Bedingt durch die Kostenstruktur und die optimale Fahrweise fahren wir mit den Kernkraftwerken Grundlast“, berichtet der Gesamtbetriebsratsvorsitzende. Das heißt, beide Kraftwerke sind ständig in Betrieb, und daher hat Atomstrom „bei der tatsächlich produzierten Strommenge noch den größten Anteil am Strommix der EnBW – mit abnehmender Tendenz“, meint Herd. Das ist kostengünstiger. Dagegen fahre man (wegen der Erzeugungskosten) „die Steinkohlekraftwerke stärker zurück, wenn der Vorrang der regenerativen Erzeugung eine Reduzierung der Erzeugung erforderlich macht“.

Die EnBW hat eigene Steinkohlekraftwerke – ein hochmodernes neues wird zeitnah in Karlsruhe in Betrieb genommen. Außerdem hat der Konzern Beteiligungen an Braunkohlekraftwerken, die alle außerhalb von Baden-Württemberg liegen. „Generell sieht es mit den Kohlekraftwerken im Moment nicht so toll aus“, sagt Dietrich Herd. „Bedingt durch den sehr niedrigen Strompreis an der Börse haben wir, was die Einsatzzeiten der Kohlekraftwerke angeht, große Probleme.“ Für die Beschäftigten sei die Situation daher angespannt, zumal schon erste Kraftwerke zur Stilllegung angemeldet sind. Hierzu stehe jedoch der Bescheid der Behörde noch aus. „Aber es gibt auch Überlegungen, noch weitere Anlagen stillzulegen“, sagt Herd. „Denn bei den geringen Einsatzzeiten können diese Kraftwerke einfach ihr Geld nicht mehr verdienen. Zum Teil können wir nicht einmal die Fixkosten abdecken.“

Da stellt sich für die Beschäftigten, die von der Gewerkschaft ver.di vertreten werden, die Frage: Wie geht’s mit meinem Arbeitsplatz weiter? Der Schwebezustand führt dazu, dass „uns junge Kollegen verlassen“, während der Konzern sich schwertut, diese Stellen neu zu besetzen. Weil keiner weiß, wie es weitergeht. „Uns liegt sehr daran, dass wir hier schnell Klarheit bekommen“, sagt Herd. „Wir erwarten von der Politik klare, nachhaltige Signale zur künftigen Energieerzeugung.“

Die Politik ist gleichzeitig Anteilseigner an der EnBW. Das Unternehmen gehört zu gleichen Teilen mit jeweils 46,75 Prozent dem grün-rot regierten Land Baden-Württemberg und den überwiegend CDU-geprägten Oberschwäbischen Elektrizitätswerken (OEW), einem Zusammenschluss von Kommunen im südlichen Baden-Württemberg. „Dass wir zum Teil in Besitz einer grün-roten Landesregierung sind, ist nicht entscheidend, aber schon spürbar“, findet Herd. „Denn der Anteilseigner Land hat ein großes Interesse an dem Umbau des Konzerns hin zu mehr regenerativer Energie.“ Nicht weniger signalisiere der OEW ein dahin gehendes Interesse an der Energiewende.

Unter den Big Four sei EnBW der Konzern, der überhaupt so etwas wie ein Zukunftskonzept zu bieten hat, schreibt der „Spiegel“ Mitte September. So plane EnBW-Chef Mastiaux, die klassische Energieerzeugung mit Kohle und Kernkraft in den kommenden Jahren erheblich zu reduzieren; gleichzeitig solle massiv in erneuerbare Energien, dezentrale Systeme und intelligente Netze investiert werden.

Die EnBW hatte in ihrem Strommix schon vor dem Ausstieg aus der Atomenergie einen überdurchschnittlich hohen Anteil an erneuerbaren Energien, der vor allem aus großen Wasserkraftwerken kommt. Jetzt ist noch ein Gutteil Windkraft hinzugekommen, auch im Offshore-Bereich. In der Ostsee, 16 Kilometer nördlich der Halbinsel Fischland, betreibt EnBW seit zwei Jahren den Windpark Baltic I. Im Baustadium ist Baltic II, ein zweiter Offshore-Windpark rund 32 Kilometer nördlich von Rügen. „Auch bei Offshore-Anlagen, wo sich der Konzern gern noch stärker engagieren würde, haben wir das Problem, dass im Moment keine klaren Vorgaben vonseiten der Politik existieren.“ So sei völlig unklar, wie es mit der Förderung von Offshore-Anlagen weitergeht. Das führe dazu, „dass unsere aktuellen Projekte auf Eis liegen“, erklärt Herd, „weil unklar ist, ob wir mit unseren Investitionen auf lange Sicht auch einen wirtschaftlichen Ertrag erzielen“. Sein Fazit: „Wir brauchen endlich verlässliche Rahmenbedingungen.“ Darum sollte sich eine neue Bundesregierung schnellstmöglich kümmern. Denn die Stimmung unter den Beschäftigten der EnBW ist gedrückt.

Bei Netzausbau und Netzerneuerung „haben wir so viel Arbeit, dass man sich kaum davor retten kann“, sagt Arnold Messner, Gesamtbetriebsratsvorsitzender der EnBW Regional AG und EnBW-Aufsichtsratsmitglied, zuständig für die Netze. „Gleichzeitig ist die Situation beim Netzausbau angespannt, denn der Konzern will die Aufgaben mit einem Minimalaufwand an Personal bewältigen. Und das macht die Kollegen bei uns auch nicht glücklicher als den Kollegen im Kraftwerk, der in seiner stillstehenden Anlage Patrouille geht“, sagt Messner.

Trotz aller Unsicherheit, die für die Beschäftigten schwer erträglich ist: „Die Notwendigkeit der Energiewende, die ist auch bei den Beschäftigten im Konzern angekommen“, versichert Gesamtbetriebsrat Messner.

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