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Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: Engagement muss Studenten möglich sein

Ausgabe 12/2013

"Die Struktur des Bachelor- und Masterstudiums verengt die Räume für gewerkschaftliches und gesellschaftliches Engagement der Studierenden", sagt Uwe Dieter Steppuhn, der Leiter der Studienförderung

Als 1987 die Abteilung Studienförderung eingerichtet wurde, prägten ihr Profil Stipendiatinnen und Stipendiaten, die aus dem Arbeitsleben kamen und eine Berufsausbildung mitbrachten, darunter jene klassischen Studierenden des zweiten Bildungsweges, die ihr Abitur nachholen und ein Studium ergreifen. Und jene, die über eine Aufnahmeprüfung an der Hamburger Hochschule für Wirtschaft und Politik, HWP, auch ohne Abitur Zugang zu einem Studium erhalten.

Heute hat sich das Profil der Studienförderung der Hans-Böckler-Stiftung ausdifferenziert, auch weil wir neue Zielgruppen definiert und angesprochen haben. So brachte die friedliche Revolution in Ostdeutschland neue Herausforderungen und eine sich verändernde Zusammensetzung der Stipendiatenschaft mit. Anders als im Westen wurde ein spezielles Bewerbungs- und Auswahlverfahren etabliert, das sich an Studierende richtete, die vormals keine Bindung an FDGB-Gewerkschaften hatten. Viele aktive Mitglieder der Studentenräte bewarben sich. Der Aufbau der Studienförderung in Ostdeutschland mit dem Ziel, 300 Stipendien zu vergeben, konnte zügig vorangebracht werden. Doch mussten Brücken gebaut werden zwischen den westdeutsch geprägten Gewerkschaften und den ostdeutschen Stipendiatinnen und Stipendiaten, weil beide Seiten aneinander nur ein geringes Interesse zeigten. Hier mussten wir aktiv einen Prozess des Kennenlernens und der Zusammenarbeit initiieren, der relativ lange dauerte, aber letztendlich erfolgreich verlief.

2007 haben wir die Böckler-Aktion Bildung ins Leben gerufen zur Unterstützung von jungen Menschen, die in ihren Familien die Ersten waren, die studierten. Dies wurde möglich dank einer verbesserten Finanzierung der Begabtenförderungswerke durch das Bundesbildungsministerium. Die Böckler-Aktion Bildung mit bisher beachtlichen 800 Stipendien richtet sich an begabte junge Menschen aus Familien, die sich ein Studium ihrer Kinder schlicht nicht leisten können. Doch hat sich das Milieu gewandelt. Brachten vor 30 Jahren die meisten Stipendiatinnen und Stipendiaten vielfältige Erfahrungen aus der gewerkschaftlichen Jugendarbeit und der betrieblichen Interessenvertretung mit, stehen die „Neuen“ oft noch am Anfang eines gewerkschaftlichen und gesellschaftspolitischen Engagements. Mit einem hohen Anteil an Migrantinnen und Migranten sowie einem deutlichen Interesse an natur- und ingenieurwissenschaftlichen Fächern bereichern sie die Studienförderung, stellen aber auch neue Anforderungen an Beratung und Studienbegleitung.

Weitreichende Folgen für die Studienförderung hat die Bachelor- und Master-Studienstruktur, die wir für missglückt halten. Denn die modularisierte, verschulende Gestaltung des Studiums verengt die Zeitbudgets der Studierenden. Sie verkleinert die Räume für gewerkschaftliches und gesellschaftspolitisches Engagement und rüttelt somit an den Grundfesten gewerkschaftlicher Studienförderung. Deshalb diskutieren wir mit unseren Stipendiaten über die künftige Bewertung ihres gesellschaftspolitischen und sozialen Engagements im Kontext dieser neuen Studienbedingungen einerseits und der Förderdauer andererseits. Gleichzeitig müssen wir die Angebote unserer unverzichtbaren ideellen Förderung – der politischen und persönlichkeitsbildenden Seminare – zeitlich und inhaltlich auf die veränderten Rahmenbedingungen einstellen.

Jüngste „Förderlinie“ ist der dritte Bildungsweg, bei dem es künftig verstärkt darum gehen wird, Berufserfahrene ohne Abitur darin zu unterstützen, ein Studium zu beginnen und es erfolgreich zu absolvieren. Hier entwickeln wir Qualifizierungs- und Beratungsangebote für die Vorbereitung auf das Studium und für die Studieneingangsphase. All diese Neuerungen haben wir auf den konzeptionellen Fundamenten der gewerkschaftlichen Studienförderung aufgebaut: Zu den Eckpunkten zählen, dass materielle und ideelle Förderung eine Einheit bilden; dass wir bei der Auswahl unserer Stipendiatinnen und Stipendiaten deren Leistungsbereitschaft genauso wie deren Engagement als förderungswürdig bewerten. Dazu zählt auch ein dynamisches Verständnis von Begabung als Lern- und Entwicklungsprozess. Und dass wir uns nachdrücklich um die Öffnung der Hochschulen für Berufserfahrene bemühen. Diese Kontinuität schließt wiederkehrende Konflikte nicht aus – etwa über die Förderdauer eines Stipendiums.

Die Studienförderung der Hans-Böckler-Stiftung mit ihren derzeit 2700 pro Jahr geförderten Stipendiatinnen und Stipendiaten sowie mit 550 Vertrauensdozentinnen und -dozenten kann sich sehen lassen. Das dokumentieren eindrucksvoll die Ergebnisse von zwei Befragungen unserer Altstipendiatinnen und Altstipendiaten, deren Titel das Besondere der gewerkschaftlichen Studienförderung unterstreichen: „Karrieren außer der Reihe“ und „Die etwas andere Bildungs­elite“. Das spornt an und verpflichtet.

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