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Magazin Mitbestimmung

: Editorial

Ausgabe 07/2004

Gegen die Legendenbildung

Liebe Leserinnen und Leser,

vor dieser Ausgabe hatte man uns gewarnt - über "den" Mittelstand könne man überhaupt kein Heft machen, haben viele gesagt, erst recht nicht über sein Verhältnis zu den Gewerkschaften. Warum eigentlich nicht, wenn ihm, je nach Definition, bis zu 99 Prozent der Unternehmen zugerechnet werden? Nein, das Gesetz gilt nur, wenn man alles in Schubladen stopfen will - auch das, was sich nicht kategorisieren lässt. Pauschalurteile verbieten sich beim Thema Mittelstand - das allerdings ist wahr.

Betriebe, in denen sich eine gute Kultur der Mitbestimmung entwickelt hat, findet man genauso wie derlei, in denen sich die Gewerkschaften bis heute schwer tun. Mit solchen Widersprüchen lebt jede Soziologie des Mittelstands. Uns hat vor allem die Unternehmenskultur interessiert: Was bedeutet es, wenn ein paar Dutzend Menschen miteinander arbeiten, nicht Tausende? Wie werden Entscheidungen getroffen, welche Chancen für Modernisierungen gibt es? Sind die kleinen und mittleren Unternehmen für die Zukunft gerüstet?

Nur durch differenzierende Genauigkeit können wir jenen Mittelstands-Rhetorikern etwas entgegensetzen, die vorgeben, für "das Volk" zu sprechen, und nur sich selbst meinen - alle jenen, die das Rad der Zeit zurückdrehen wollen. Als das "Manager-Magazin" im Herbst 2003 eine Umfrage unter rund 500 Mittelständler anstellte, kam dabei heraus, dass nur eine Minderheit mit den Gewerkschaften, mit den Reglementierungen des Tarifrechts und der Mitbestimmung Probleme hat. Vielerorts sind die Unternehmen viel weiter als die Rhetoriker.

Um jenen Mythen zu begegnen, die sich noch immer um den Begriff "Mittelstand" ranken, sind zwei Beiträge besonders hilfreich - das Interview mit Hartmut Berghoff, Wirtschaftshistoriker an der Universität Göttingen, das zeigt, in welcher Weise der Begriff "Mittelstand" von Beginn an ideologisch aufgeladen war (Seite 10), und schließlich der Text von Wolfram Wassermann, der einige der gängigen Klischees unter die Lupe nimmt (Seite 36). Sein Text wird ergänzt durch ein Glossar der wichtigsten mittelständischen Arbeitgebervereinigungen und eine kurze Einschätzung ihrer politischen Forderungen.


 

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