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Magazin Mitbestimmung

: dazu Interview mit dem Lanxess-Arbeitsdirektor Rainier van Roessel 'Die Einschnitte wurden von allen geschultert'

Ausgabe 03/2010

Lanxess wurde in der ersten Hälfte 2009 mit echten Horrormeldungen konfrontiert - Es gab Auslastungsrückgänge von bis zu 40 Prozent. Konnten Sie in dieser Zeit noch ruhig schlafen?
Natürlich kam auch für mich dieser Nachfrageeinbruch sehr unvermittelt. Es war in dieser wirtschaftlich schwierigen Situation jedoch von essenzieller Bedeutung für uns, ruhig zu bleiben und dabei flexibel, schnell und koordiniert auf die Krise zu reagieren. Wir waren Anfang 2009 quasi über Nacht mit einem Auftragsrückgang konfrontiert, den es so in der chemischen Industrie noch nie gab. In unserer Branche kann man jedoch viele Anlagen nicht ohne Weiteres unter 85 Prozent Auslastung fahren. Eine echte Herausforderung für uns, die wir aber mit einem flexiblen Anlagenmanagement, sprich mit einem Wechsel zwischen Stillständen und Volllast-Produktion gemeistert haben.

Warum haben Sie nicht auf Lager produziert, um die Waren später zu verkaufen?
Lagerkapazitäten sind begrenzt. Und wir geben keine Mengen in den Markt, die dort nicht aufgenommen werden können. Unser Ziel war und bleibt die "Preis-vor-Menge-Strategie". Wir wollen unsere Margen auch in herausfordernden Zeiten stabil halten - auch wenn das Auftragsniveau sinkt. Nur so können wir auf die Dauer profitabel bleiben.

Die Banken haben Lanxess während der Krise durchgängig als kreditwürdig angesehen. Hatten Sie also die richtige AntiKrisenstrategie eingeschlagen?
In Krisenzeiten gilt "Cash is king". Daher hat uns unsere gute finanzielle Position sehr geholfen. Zudem haben wir keine großen Refinanzierungen in 2010 und 2011. Das schafft natürlich Spielräume für ein effektives Krisenmanagement.

Wie wird es weitergehen?
Ich bin für 2010 vorsichtig optimistisch. Die Auslastung der Anlagen wird sich gegenüber dem Vorjahr verbessern. Eine erhöhte Nachfrage nach Chemieprodukten erfahren wir derzeit aus den Wachstumsmärkten vor allem in Asien. Deutschland und die anderen etablierten westlichen Märkte werden noch längere Zeit brauchen, um sich zu erholen. Kurz gesagt: Wir fahren sicher durch die Krise, die aber noch nicht vorüber ist.

Verabredungen mit den Arbeitnehmervertretungen spielen im Krisenmanagement von Lanxess eine wichtige Rolle. Warum?
Wir als Vorstand haben einen eindeutigen Auftrag: das Unternehmen zu sichern und Lanxess nach vorne zu bringen. Und wenn wir Bereiche im Unternehmen identifizieren, von denen wir nach sachgerechter Abwägung sagen: "Da besteht Handlungsbedarf", dann müssen wir ran. Bislang haben wir solche schwierigen Fragen immer mit und nicht gegen Betriebsrat und IG BCE aufgegriffen. Auch unser Maßnahmenpaket zur Krisenbewältigung haben wir - bei allen intensiven Verhandlungen - letztendlich partnerschaftlich mit den Arbeitnehmervertretern auf den Weg gebracht. Diese konstruktive Kultur empfinde ich als sehr erfreulich und zielführend.

Über die Krisenprogramme Challenge 09 und Challenge 12 gab es doch sicher heftige Diskussionen. Darin wurden Kürzungen der tariflichen Jahresleistung vereinbart und die Arbeitszeit sowie die Tarifentgelte entsprechend abgesenkt.
Das sind schmerzhafte Einschnitte, die von allen Mitarbeitern bei Lanxess - vom Tarifmitarbeiter bis zum Vorstand - solidarisch geschultert werden. Mit diesen Maßnahmen haben wir es geschafft, die Mannschaft an Bord zu halten. Wir haben in der chemischen Industrie hoch qualifizierte Mitarbeiter, die die Anlagen, die Prozesse und die Sicherheitsstandards kennen. "Hire and fire" kann für die chemische Industrie keine Personalstrategie sein. Wir wollen wachsen, und das geht nur mit guten Leuten. Der Erhalt und der Ausbau von Qualifikation bei Lanxess sind strategisch richtig.

Wurde auch deshalb das Quest-Center für Qualifizierungs-, Einsatz- und Stellenmanagement geschaffen?
Quest wurde für die Mitarbeiter eingerichtet, in deren aktuellem Aufgabengebiet es krisenbedingt nicht mehr genug Arbeit gibt. Wenn wir in der Produktion A erhebliche konjunkturelle Einbußen haben, dann hilft Quest, die Mitarbeiter für die Bereiche B und C zu qualifizieren und in neue Aufgabengebiete zu vermitteln. Und Quest begleitet auch die Phase des Übergangs. In den ersten Monaten haben wir eine sehr ordentliche Vermittlungsquote hinbekommen.

Die Fragen stellte Klaus Eichhorst/Foto: Klaus Eichhorst


ZUR PERSON

Rainier van Roessel, 52, geboren in den Niederlanden, begann seine berufliche Laufbahn bei der Bayer AG. Bei Lanxess wurde er 2005 Leiter des Geschäftsbereichs Rubber Chemicals und Geschäftsführer der Lanxess N.?V. in Antwerpen. Seit 2007 ist van Roessel Vorstandsmitglied und Arbeitsdirektor der Lanxess AG.

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