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Magazin Mitbestimmung

: Betont kritische Journalisten

Ausgabe 01+02/2008

MEDIENPREIS Zum dritten Mal wurde der Otto-Brenner-Preis vergeben. Die Auszeichnung der IG-Metall-Stiftung hat innerhalb kürzester Zeit ein hervorragendes Renommee erlangt.

Von FRANK ZIRPINS. Der Autor arbeitet als freier Journalist in Köln.

Man merkt Michaela Schießl die Freude über den ersten Platz beim Otto-Brenner-Preis 2007 bei jedem Satz an, den sie zu dem Thema spricht. Stolz ist die Reporterin und Autorin im Wirtschaftsressort des Magazins "Der Spiegel" über den Preis - nicht zuletzt, weil sie selbst die Juroren journalistisch bewundert. Das sei ihr weit wichtiger als die 10.000 Euro, mit denen der erste Preis dotiert ist, sagt sie und strahlt schon wieder.

Ausgezeichnet worden ist Schießl für ihren Beitrag "Not für die Welt". Die 46-Jährige beschreibt nach aufwändiger Recherche, "wie die Agrar-Politiker der reichen Welt Afrikas Bauern ins Elend stürzen". Denn die Regierungen des Kontinentes warten lieber auf die Hilfen aus aller Welt, statt die heimischen Erzeugnisse zu kaufen. Schon als der Artikel im "Spiegel" erschien, erhielt sie telefonisches Lob von Kollegen: "Das ist ein Artikel, den ich gerne selbst geschrieben hätte", sagte einer.

Überwältigend sei die Anerkennung gewesen, als die Kunde vom Brenner-Preis das "Spiegel"-Intranet erreichte, berichtet Schießl. Die Urkunde hat sie in ihr Büro an der Hamburger Brandstwiete gehängt, die Skulptur steht ebenfalls dort. Und der "Spiegel"-Verlag macht Werbung damit, dass eine seiner Autorinnen die Auszeichnung erhalten hat.

PREIS FÜR GRÜNDLICHE RECHERCHE_ Das wirft ein deutliches Licht auf die Auszeichnung. Denn der Brenner-Preis ist eine junge Stimme im Chor der renommierten deutschen Medienpreise. Nannen-Preis und Springer-Preis etwa können auf eine lange und ehrwürdige Geschichte zurückblicken. Ihren Preis unter dem Motto "Kritischer Journalismus - Gründliche Recherche statt bestellter Wahrheiten" verleiht die Otto-Brenner-Stiftung erst seit 2005. "Der Preis hat innerhalb von drei Jahren einiges Profil gewinnen können", attestiert Volker Lilienthal.

Er ist Redaktionsleiter beim Branchendienst "epd medien" und einer von Deutschlands führenden Medienjournalisten - Lilienthal deckte 2006 den Schleichwerbeskandal bei der ARD auf. Selbst Juror des Brenner-Preises, führt er dieses Profil auf die klare Ausschreibung zurück: "Es geht hier betont um kritischen Journalismus. Der Hauptaspekt liegt auf Berichten über soziale Prozesse und Probleme."

Lilienthal verweist auf das Leitmotiv des Preises, ein Zitat des früheren IG-Metall-Vorsitzenden Otto Brenner: "Nicht Ruhe, nicht Unterwürfigkeit gegenüber der Obrigkeit ist die erste Bürgerpflicht, sondern Kritik und ständige demokratische Wachsamkeit." Der Preis wolle einen Journalismus fördern, der sich diesem Motto verbunden fühle.

Und die hohe Zahl der Teilnehmer, erklärt die Otto-Brenner-Stiftung, beweise, "dass es sie noch gibt - Journalisten, die unbequeme Fragen stellen, Missstände aufdecken und die keine Scheu vor möglichen Konsequenzen haben, wenn dafür die Wahrheit ans Licht rückt".

SACHEN VON GROßER RELEVANZ_ "Es ist ein Preis, wie er in Deutschland gefehlt hat", findet auch Michaela Schießl. "Die deutschen Journalistenpreise sind bislang eher literarisch orientiert, da geht es vornehmlich ums Schönschreiben", sagt die Reporterin. Beim Journalismus gehe es aber ihrer Ansicht nach in erster Linie darum, "eine Sache von großer Relevanz öffentlich zu machen". Nicht umsonst stehe etwa beim bekanntesten und wichtigsten aller Preise, dem US-amerikanischen Pulitzer-Preis, in erster Linie der Mehrwert an Erkenntnis für den Leser im Vordergrund.

Und so sind auch die weiteren ausgezeichneten Beiträge des Otto-Brenner-Preises 2007 allesamt Stücke, die "Sachen von großer Relevanz" öffentlich machen. Der zweite Preis (5000 Euro) ging an den WDR-Autor Ingolf Gritschneder für seine TV-Reportage "Profit um jeden Preis - Markt ohne Moral". In dem Film geht es um den Werteverfall im Wirtschaftsleben. Gritschneder schildert ihn anhand eines baden-württembergischen Zulieferbetriebes für die Automobilindustrie.

Ohne die Belegschaft oder den Betriebsrat zu informieren, werden die Werkshallen des Zweigbetriebs während eines langen Wochenendes leer geräumt. Material und Maschinen sind verschwunden, als am Montag die 150 Arbeiter ihrer normalen Tätigkeit nachgehen wollen. Für Gritschneder ist dieses Vorgehen der Geschäftsleitung "symptomatisch für die zunehmend raueren Sitten im Wirtschaftsleben".

Der dritte Preis (3000 Euro) wurde Markus Grill für seine umfassende Berichterstattung über die Machenschaften der Pharma-Industrie zuerkannt. Der "stern"-Reporter schilderte nach umfangreicher Recherche, wie Medikamenten-Produzenten ihre Produkte von willfährigen Ärzten auf den Markt bringen lassen. Einen erstmals ausgelobten Sonderpreis (10.000 Euro) erhielt Tom Schimmeck für seine essayistische Analyse der Stimmung beim "Spiegel" in der "taz".

Sein Profil gewinnt der Otto-Brenner-Preis aber nicht nur durch seine Ausrichtung und sein mit 45.000 Euro recht ansehnliches Preisgeld. Auch die Jury ist erstklassig besetzt: Neben Lilienthal gehören ihr die Moderatorin und Redaktionsleiterin des WDR-Magazins "Monitor", Sonia Mikich, und der Ressortleiter Innenpolitik der "Süddeutschen Zeitung", Heribert Prantl, an. Hinzu kommen Harald Schumann vom "Tagesspiegel", Jürgen Peters als Vorsitzender der Brenner-Stiftung und vor allem Thomas Leif, Chefreporter des Südwestrundfunks und Vorsitzender der Journalistenvereinigung "netzwerk recherche".

RECHERCHESTIPENDIEN_Leif ist es zu verdanken, dass der Preis überhaupt ins Leben gerufen wurde und dass er so schnell ein solches Profil erlangt hat. Er rekrutierte die Jury, ließ sein eigenes Renommee spielen und setzte zudem durch, dass auch der Nachwuchs und die Recherche gefördert werden. So wurden drei mit jeweils 5000 Euro dotierte Recherchestipendien vergeben, um aufwändige Projekte junger Journalisten zu fördern. Katrin Blum etwa, Verbraucherredakteurin der "Stuttgarter Zeitung", wird nun dabei unterstützt, in einer Reportage die sozialen Folgen darzustellen, die eine Zweiklassengesellschaft bei der Krankenversicherung mit sich bringt.

Die Zahl von zusammen fast 400 Bewerbungen in allen Kategorien wertet Leif als Zeichen der Akzeptanz des Preises. Neun Ordner mit Texten und Sendemanuskripten, so rechnet Juror Lilienthal vor, umfasst das Material, das er sichten musste. Am Ende fiel die Entscheidung dann in einer Sitzung in der IG-Metall-Zentrale in Frankfurt. Keine leichte Arbeit, angesichts der Qualität der Beiträge. Gewertet werden Rechercheleistung, Themenauswahl, journalistische Qualität und persönlicher Einsatz.

"Es ist vor allem kein gewerkschaftsfrommer Preis", sagt Lilienthal und ergänzt: "Wenn beides zusammenkommt, Leidenschaft zur Bewertung sowie fundiertes Recherchieren und Berichten der Wirklichkeit, dann ist das preiswürdig." Der Juror gibt zu, dass er sich verstärkt Autoren kleinerer Blätter als Preisträger wünscht und "dass nicht nur die großen Titel gewinnen". In manchen regionalen Zeitungen habe es hervorragende Reportagen zum Thema Hartz IV gegeben, die letzten Endes knapp nicht gewonnen hätten. Leif rechnet vor, dass etwa zehn Prozent der Teilnehmer das Spitzenfeld ausgemacht haben. Und er gibt zu: "Oft entscheiden hier Nuancen.

MEHR INFORMATIONEN

http://www.otto-brenner-preis.de/

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