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Magazin Mitbestimmung

Mitbestimmung: Aufatmen bei Volkswagen

Ausgabe 11/2013

Der jahrelange Rechtsstreit um das VW-Gesetz ist endlich beendet. Die EU-Kommission scheiterte mit ihrer erneuten Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg. Von Guntram Doelfs

Nach acht Jahren Rechtsstreit hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) nun endgültig einen Schlussstrich unter die juristischen Auseinandersetzungen um das VW-Gesetz gezogen. Die Luxemburger Richter wiesen eine erneute Vertragsverletzungsklage der EU-Kommission gegen Deutschland ab (Rechtssache C-95/12). Mit dem Richterspruch muss Deutschland das VW-Gesetz nicht erneut ändern – und damit auch keine Vertragsstrafe von mindestens 68 Millionen Euro zahlen, wie es die Kommission gefordert hatte. 

Beim VW-Konzernbetriebsrat und der IG Metall wird das Urteil mit großer Genugtuung aufgenommen. „Wir sind stolz darauf, dass sich der jahrelange Kampf gelohnt hat“, sagt Bernd Osterloh, Vorsitzender des VW-Konzernbetriebsrates. „Das Urteil bestätigt uns, in der Mitbestimmung stärker zu werden und Regelungen wie im VW-Gesetz breiter in die Fläche zu bringen“, meint Tanja Jaquemin, Ressortleiterin Betriebsverfassung und Mitbestimmung beim IG-Metall-Vorstand. Das Urteil aus Luxemburg sei nicht nur eine klare Absage an all diejenigen, die immer wieder die deutsche Mitbestimmung auf ein niedriges Niveau drücken wollen. Es zeige sich auch, „dass wir großen Handlungsbedarf auf europäischer Ebene in Sachen Mitbestimmung haben“, so die Expertin der IG Metall.

Die Erleichterung ist verständlich, sichert doch das VW-Gesetz der Arbeitnehmerseite im Aufsichtsrat des Konzerns eine weitreichende Mitbestimmung. So kann diese bei Entscheidungen über Standorte durch die sogenannte Zwei-Drittel-Regelung (Zustimmung durch zwei Drittel der Aufsichtsratsmitglieder) Alleingänge des Vorstandes und der Kapitalseite verhindern. Außerdem räumt das VW-Gesetz dem Land Niedersachsen de facto ein Vetorecht ein. Feindliche Übernahmen sind damit praktisch unmöglich, was Porsche bei beim gescheiterten Übernahmeversuch zu spüren bekam.  

EINIGKEIT ALLER AKTEURE

Der Rechtsstreit zwischen Berlin und Brüssel um das VW-Gesetz schwelt schon lange. Nach Auffassung der Kommission behindern nämlich Regelungen des Gesetzes, mit dem Volkswagen 1960 in eine Aktiengesellschaft umgewandelt worden war, den freien Kapitalverkehr in Europa. 2005 hatte sie deshalb erstmals Klage beim EuGH gegen das VW-Gesetz eingereicht. 2007 folgten die Luxemburger Richter in einem ersten Urteil der Linie der Kommission und stellten einen Verstoß fest, weil Bund und Land Niedersachsen jeweils zwei Vertreter im Aufsichtsrat stellten, die Stimmrechte der Aktionäre auf 20 Prozent begrenzt waren und beide Regelungen in Verbindung standen mit einer Sperrminorität von 20 Prozent statt der im deutschen Aktienrecht üblichen 25 Prozent.

Die Bundesregierung regelte daraufhin das VW-Gesetz neu und strich die ersten beiden Punkte, die Sperrminorität von 20 Prozent blieb jedoch erhalten. Aus diesem Grund klagte die EU-Kommission erneut – und scheiterte. „Deutschland ist dem vorangegangenen Urteil des Gerichtshofes in vollem Umfang nachgekommen“, urteilten jetzt die Richter. Begründung: Der entscheidende Kritikpunkt – die Verbindung zwischen Entsendung, Beschränkung der Stimmrechte und abgesenkter Sperrminorität – bestehe nicht mehr.

Beigetragen zum Erfolg hat sicherlich auch die Einigkeit von Arbeitnehmerseite, Land Niedersachsen und Bundesregierung. Bernd Osterloh dankte deshalb ausdrücklich Kanzlerin Merkel, weil diese der EU-Kommission „erfolgreich die Stirn geboten hat“.

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