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Magazin Mitbestimmung

Von ANDREAS KRAFT: Audi-Betriebsrat treibt digitales Lernen voran

Ausgabe 12/2016

Betriebsrat Audi hat als erster Autohersteller ein Konzept zum digitalen und mobilen Lernen. Ausgerüstet mit Tablets, können Azubis und Beschäftigte Wissen dann abrufen, wenn sie es gerade brauchen.

Von ANDREAS KRAFT

Peter Mosch ist bei Twitter ziemlich aktiv. Der Audi-Gesamtbetriebsratsvorsitzende macht dort vor allem zwei Sachen: Er teilt seine Leidenschaft für das Motorsportteam der Ingolstädter und spricht über die Zukunft der Automobil­industrie. Denn die steht vor einer Veränderung, deren Folgen kaum abzuschätzen sind. Maschinenbauer prognostizieren den produzierenden Betrieben eine Revolution. Nach Dampfmaschine, Fließband und Roboter stehe nun der vierte Schritt an: die vernetzte und intelligente Fabrik.

Bei Audi ist der Vorstand gedanklich schon ziemlich weit. Es gibt sogar Ideen, das Fließband abzuschaffen. In wenigen Jahren könnten Autos an Montageinseln gebaut werden, um dem Wunsch der Kunden nach immer individuelleren Fahrzeugen besser nachkommen zu können. Die Chassis steuern sich dann auf kleinen Wagen selbstständig durch die Produktionshalle und stellen sich an der Station an, an der gerade am wenigsten los ist. Die Chance dabei: Die Beschäftigten entkommen dem Takt des Bandes.

An den neuen Inseln arbeiten sie mit Robotern Hand in Hand und müssen den Datenstrom analysieren, um Fehler zu vermeiden. Damit liegt auch das Risiko auf der Hand: Was wird aus den Beschäftigten, die keine Roboter programmieren können oder von Datenanalyse keine Ahnung haben?

Für Peter Mosch ist klar: Die Beschäftigten müssen möglichst schnell für die neuen Anforderungen an ihre Berufe qualifiziert werden. „Mit Weiterbildung können wir Arbeitsmarktrisiken minimieren und zeitgleich Chancen für neue Beschäftigungsfelder erschließen“, sagt der GBR-Vorsitzende. „Mit ihr können wir selbst die Oberhand behalten, anstatt von Maschinen ausgehebelt zu werden.“

Er fordert deshalb eine flächendeckende Weiterbildungsoffensive von Staat und Unternehmen: „Wir müssen die Beschäftigten frühzeitig in Veränderungsprozesse einbinden, digitalen Know-how-Transfer vorantreiben, Vernetzung fördern, neue Qualifizierungsformate entwickeln, und wir müssen mutig sein. Nur so machen wir alle den Schritt ins digitale Zeitalter.“

Lackiererei: 200 Menschen und 98 Roboter

Und die neue Zeit kommt näher: Wenn bei Audi in Ingolstadt ein Produktionsschritt überarbeitet wird, hält immer auch ein Stück neue Technik Einzug – wie bei der im Herbst eröffneten Lackiererei. Dort arbeiten jetzt rund 200 Menschen in drei Schichten zusammen mit 54 Lackierrobotern, 36 Handlings- und 8 Reinigungsrobotern. Die Arbeitsbedingungen haben sich dabei auch verbessert. Mit der Unterstützung der Roboter lassen sich Motorhaube und Kofferraumdeckel doch deutlich leichter heben. „Für uns zeigt das auch, dass sich technologischer Fortschritt und menschenfreundliche Arbeitsbedingungen nicht ausschließen“, sagt Mosch. Sicher auch ein Grund, warum der Betriebsrat den Bau der neuen Anlage immer unterstützt hat.

Die neue Lackiererei ist aber nicht nur ergonomisch, sondern auch ein Baustein der Smart Factory der Zukunft. Ein Roboter vermisst die lackierten Autos an über 1000 Messpunkten. Zudem prüfen die Beschäftigten die Qualität des Lacks mit Hilfe von Tablets. Die Daten stehen dann nicht nur den Mitarbeitern der Lackierei sondern auch den übrigen Abteilungen zur Verfügung, so dass alle vernetzt mit den aktuellen Daten arbeiten können, um frühzeitig Fehler zu erkennen und zu beheben.

Dass man für eine intelligente Fabrik auch intelligente Mitarbeiter braucht, sieht auch die Personalabteilung von Audi so. Die Zahl der Ausbildungsplätze zum Mechatroniker wurde um 20 Prozent auf 160 erhöht – so viele Azubis hat kein anderen Ausbildungsberuf bei Audi.

Mit dem Tablet auf Fehlersuche

Teil der Ausbildung ist es, Roboter zu warten und zu programmieren. Ihre Computer und Tablets nutzen die Azubis auch, um für simulierte Fehler Lösungswege zu finden. Zudem hat Audi die Ausbildung zum Fachinformatiker erweitert. In der Smart Factory soll der zusammen mit den Mechatronikern die Datenflut managen und analysieren. Damit die Zusammenarbeit klappt, werden die Fachinformatiker als Elektrofachkräfte qualifiziert.

Worauf Audi besonders stolz ist: Als erster Autohersteller haben die Ingolstädter ein Konzept zum digitalen und mobilen Lernen eingeführt. Ausgerüstet mit Tablets, können Azubis und Beschäftigte in einer Weiterbildung Wissen genau dann abrufen, wenn sie es gerade brauchen. Zudem soll so die Verbindung von Theorie und Praxis erleichtert werden – das Tablet ist ja schnell zur Hand. Mithilfe der neuen Technik lassen sich zudem Lernteams organisieren, deren Mitglieder an verschiedenen Standorten in unterschiedlichen Ländern arbeiten. Der Umgang mit den mobilen Geräten soll dabei auch die Medienkompetenz schulen.

Die Personalabteilung sagt, sie setze auf lebenslanges Lernen. Entsprechend können ältere Beschäftigte Module, die es in ihrer Ausbildung noch nicht gab, nachholen. Bei Audi tauschen sich die Beschäftigten daher regelmäßig mit ihren Vorgesetzten über die eigene Qualifikation aus. Letztlich entscheidet das Unternehmen, wer wann welche Weiterbildung machen kann.

Unterrichtet werden die Beschäftigten von rund 200 Lehrkräften an der firmeneigenen Audi-Akademie, einem schicken, neuen Gebäude in der Ingolstädter Innenstadt, das 2015 eröffnet wurde. 1993 gegründet, hat sich die Schule zu einem führenden Anbieter von Weiterbildungen in Deutschland entwickelt. Zunehmend befassen sich die täglich rund 300 Seminarteilnehmer mit der Digitalisierung der Produktion.

Die steht auch weiter im Fokus des Betriebsrates. Als einer der Ersten hat der GBR von Audi 2013 ein Arbeitnehmerprojekt zur Digitalisierung ins Leben gerufen. Unter der Überschrift „Vision 2030“ befassen sich die Beschäftigten in Workshops und Diskussionsrunden mit Wissenschaftlern mit den anstehenden Veränderungen. Die Strategie des Betriebsrats: Sobald neue Technologien eingesetzt werden sollen, drängt er darauf, dass alle betroffenen Kollegen vom Unternehmen darüber informiert werden, was sich wie verändern soll und was das für die Beschäftigten konkret heißt.

Das alles schafft Möglichkeiten, „die Zukunft im Sinne der Arbeitnehmer zu gestalten“, sagt Mosch. „Dazu arbeiten wir sehr eng mit dem Unternehmen zusammen und achten darauf, dass der Mensch weiterhin die Maschine steuert und nicht umgekehrt.“

Fotos: Audi AG

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