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SEBASTIAN CAMPAGNA zu Unternehmensstrategien der Zukunft Magazin Mitbestimmung

Zur Sache: "Auch Mischkonzerne können am Markt sehr erfolgreich sein."

Ausgabe 01/2019

Sebastian Campagna zu Unternehmensstrategien der Zukunft

Viele Konzerne sind im Zuge der fortschreitenden Digitalisierung auf der Suche nach adäquaten Geschäftsmodellen, Innovationen, Unternehmensstrategien und Strukturen, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu erhalten. Die öffentliche Debatte über die vermeintlich richtigen Strategien wird zunehmend von Finanzinvestoren, Analysten und Managementberatern dominiert. In vielen Studien und Kommentaren ist zu lesen, Unternehmen seien nur dann wirtschaftlich erfolgreich, wenn sie sich auf wirtschaftliche Kernaktivitäten fokussierten, sich die Innovationskraft von Start-ups aneigneten und über agile Organisationsformen verfügten.

Das bedeutet nichts Gutes für Mischkonzerne, insbesondere für jene, die börsennotiert sind. Sie gelten als zu komplex und behäbig und zu wenig agil. Daher fordern die Kapitalmarktakteure stets die Abkehr von Diversifizierungsstrategien, sobald sie in Mischkonzernen investiert sind. Man muss fragen, ob diese Vertreter einer Fokussierung aufs Kerngeschäft tatsächlich im Unternehmensinteresse handeln oder ob hier nicht ein verkürzter Blick auf den Aktienkurs und das Eigeninteresse dominiert. Schließlich ist nicht von der Hand zu weisen, dass durch die Zerschlagung von Mischkonzernen gegebenenfalls stille Reserven gehoben und ausgeschüttet werden können. Interessen von Vermögensverwaltern prägen inzwischen den Mainstream des strategischen Managements, sodass alternative Konzepte im Sinne des Unternehmensinteresses kaum noch eine Rolle spielen. Dabei könnte die Geschichte um die digitale Transformation auch anders erzählt werden: Weil nicht die eine Zukunft existiert, sondern mehrere Zukunftsszenarien mit unterschiedlichen Chancen und Unsicherheiten, sollte der Mischkonzern betriebswirtschaftlich seine Berechtigung haben, da dieser eben nicht alles auf eine Karte setzt. Diese Form von wirtschaftlicher Risikostreuung mittels kluger Diversifizierung könnte ja im Unternehmensinteresse liegen.

Dieser Aspekt sollte im strategischen Management ein ebenso großes Gewicht bekommen wie die stets ambitionierten Renditeforderungen von Finanzinvestoren. Hier genügt ein Blick in die außerbörsliche Welt, in der große Familienunternehmen oder Konzerne mit starken Ankerinvestoren oft erfolgreich Diversifizierungsstrategien bevorzugen. In Ostasien spielen Konglomerate nach wie vor ebenso eine bedeutende Rolle wie zunehmend im Silicon Valley in Kalifornien. Man denke an die Konzerne Amazon und Google, die gegenwärtig in immer neue Geschäftsfelder vordringen. 

Eine Studie der Uni Duisburg-Essen im Auftrag des I.M.U. zeigt, dass Fokussierungsstrategien nicht per se erfolgreicher sind als Diversifizierungsstrategien. Was der beste Weg ist, ist vor allem von den wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, vom Geschäftsmodell und der Unternehmensstrategie abhängig. Keine Strategie ist per se der anderen überlegen. Die Diskussion um Geschäftsmodelle, die Wahl der Strategie und der Organisationsform muss jeweils zwischen Vorstand und mitbestimmtem Aufsichtsrat im Sinne einer nachhaltigen Unternehmensführung geführt werden. Hierbei sollte das Unternehmensinteresse, zu dem auch die Beschäftigteninteressen gehören, im Mittelpunkt stehen und weniger die Partikularinteressen einiger Kapitalmarktakteure. Dies gilt im Zeitalter der digitalen Verunsicherung mehr denn je. 

  • Sebastian Campagna leitet ein Wirtschaftsreferat im I.M.U. (Bild: Karsten Schöne)

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