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Magazin Mitbestimmung

: 'Altersvorsorge ist ein Lernprozess zum selbstbewussten Anleger'

Ausgabe 04/2005

Wie kann ein Arbeitnehmer Lebensrisiken bewältigen, sprich die richtigen Vorsorge-Entscheidungen treffen? Indem er effiziente Sparmodelle kennt sowie Chancen und Risiken von Investments einzuschätzen weiß, meint Heribert Karch, Geschäftsführer der MetallRente.

Die Fragen an Heribert Karch, Geschäftsführer der MetallRente GbR, stellte Cornelia Girndt.

Heribert Karch, Renditen, Übernahmen, Dividenden - das Börsengeschehen gibt zunehmend für die Unternehmen den Takt vor, nicht selten scheinen Arbeitsplätze auf Restgrößen zu schrumpfen. Sollten sich Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften stärker in das Finanz- und Börsengeschehen einmischen?
Eine Einmischung in das Börsengeschehen über Organisationsmacht ist meines Erachtens ineffizient. Zumindest dann, wenn das Ganze mit der Lebenspraxis des Arbeitnehmers nichts zu tun hat. Aber Arbeitnehmer sind auch Kapitalanleger. Sie erwarten sogar dann für ihr Geld Rendite, wenn diese über Rationalisierung erzielt wird.

Auch bei MetallRente legen Arbeitnehmer über eine Direktversicherung oder die Riesterrente jedes Jahr Kapital an. Ist den Arbeitnehmern klar, dass sie sich hier weniger im vertrauten Kreis der Metall-Gewerkschaft bewegen, sondern am Kapitalmarkt?
Wir beobachten, dass Arbeitnehmer - als Nachfrager von Investment- und Versorgungsprodukten - bei weitem noch nicht hinreichend emanzipiert und aufgeklärt sind. Auch wenn es als Aufgabe von Arbeitnehmerorganisationen anrüchig erscheint: Der Erfolg der Altersvorsorge steht und fällt mit einem Lernprozess hin zu einem selbstbewussten Anleger, der effiziente Sparmodelle kennt, die Chancen und Risiken von Aktieninvestments einschätzen und die Risiken des eigenen Lebens durch richtige Vorsorge-Entscheidungen bewältigen kann. Den Arbeitnehmer in diesem Sinne aufzuklären und zu stärken - warum sollen das Geschäft eigentlich nur Focus Money und Finanztest machen?

Man liest darüber aber kaum etwas in den Mitgliederzeitungen der IG Metall und von ver.di …
Vielleicht, weil man immer noch ein wenig fürchtet, sich damit in einen Rollenkonflikt zu begeben - zwischen den Renditeinteressen eines Anlegers und dem Arbeitsplatz- und Lohninteresse eines Arbeitnehmers. Aber diesem Zwiespalt entrinnen zu wollen, käme heute einer Aufforderung zur Sparverweigerung gleich. Nicht nur die Amerikaner, auch etwa die Schweden haben ein viel aufgeklärteres Anlegerverhalten in der Teilnahme am Kapitalmarkt. 

Worüber sollte man die Arbeitnehmer aufklären?
Darüber, dass sie Klumpenrisiken in ihrem Leben vermeiden sollten, wie die alleinige Orientierung auf "Häuschen-Bauen" oder auf die Lebensversicherung. Oder: Wie diversifiziere ich Risiken richtig, egal wie viel Geld ich habe? So mancher hat doch noch vor wenigen Jahren einen Vertrag bei einem namhaften Versicherer unterschrieben und sieht jetzt nur noch sehr niedrige Renditen. So etwas können wir besser abfangen. Sehen Sie, wir betreiben als Versorgungswerk auch eine Risikodiversifikation, denn wir stützen uns auf mehrere Partner und haben unseren Konsortialkreis noch deutlich erweitert.

An den internationalen Kapitalmärkten werden auch "gute Unternehmen" nachgefragt; gelistet und bewertet werden sie von Ethikfonds. Warum bietet eigentlich die MetallRente nicht auch ein ethisch attraktives Angebot? Mit Verlaub: Welchen Sexappeal hat denn Steuern sparen oder Geld zur Seite legen für in 30 Jahren?
Sorry, das MetallRente Pensionsfonds-Angebot achtet durchaus auch auf so genannte SRIs, sozial verantwortliche Investments. Mit dem § 115 Abs. 4 Versicherungsaufsichtsgesetz wurde ein Regulativ für ethische Transparenz geschaffen. Wir haben eine Methodik, dies zu berücksichtigen. Ich kenne sonst an diesem Markt niemanden, der das tut. Aber ich sage auch: Ethik ohne Return befriedigt unsere Kunden nicht. In unseren Pensionsfonds geht der Kunde vor allem wegen einer den klassischen Instrumenten überlegenen Rendite - bei gleichzeitig sehr begrenztem Risiko. Das ist aber doch auch O.K. Clean und potent ist doch sexy, oder?

Sind einem gemeinsamen Versorgungswerk von Arbeitgebern und Gewerkschaften bei der "Bewertung" von Unternehmen die Hände gebunden? Warum spielt "die Steuerung von Investments" in Deutschland so keine Rolle - anders als in den USA?
Unser Ziel ist die Versorgung und das Schließen der Rentenlücke - und eben nicht die Gewinnung von Einfluss auf dem Kapitalmarkt. Aber natürlich geht es uns auch um nachhaltig verantwortliche Entwicklung. Daran ist Pensionsvermögen strukturell besonders interessiert, denn wir haben ja einen langfristigen Anlagehorizont, der sich auf solide Investments richtet und nicht auf den schnellen und damit riskanten Euro.

Sie sagten einmal bezüglich der Anlagen: "Die Transparenz interessiert wenige, der Return alle." Egal, mit welch rüden Mitteln dieser im Zweifelsfall erwirtschaftet wird?
Sicherheit ist nun mal oberstes Gebot. Die Rückflussgarantie der gezahlten Beiträge ist eine Rechtspflicht, die uns beispielsweise von amerikanischen Pensionsfonds unterscheidet und unsere Altersversorgung gegen Verluste schützt, wie wir sie bei ausländischen Pensionsfonds gesehen haben. Natürlich sind uns die Mittel dazu nicht egal. Aber man muss doch auch sehen: Die Diskussion um sozial verantwortliche Investments wird zurzeit nicht von den privaten Anlegern und noch weniger von den Arbeitnehmerorganisationen angetrieben. Angetrieben wird sie von den Anbietern von Fonds, den Assetmanagern, die nach neuen Märkten für attraktive Produkte suchen und die Nachfrage testen.

MetallRente überantwortet das Vorsorgekapital an Versicherungen und Fondsmanager - fraglos sollten so etwas Spezialisten ihres Fachs machen. Man fragt sich nur: Warum dann der Umweg über die Sozialpartner?
Das ist kein Umweg, sondern wir nutzen die Produkterfahrung der Anbieter und verbinden sie mit unseren Maßstäben. Es ist richtig - wir haben eine starke Outsourcing-Philosophie, aber wir steuern das in einem Kapitalanlageausschuss. Dort entscheiden beide Sozialpartner gemeinsam über die strategische Anlagepolitik, aber auch über eine Negativliste der für den Pensionsfonds nicht erwerbbaren Aktien. Das funktioniert prima und im Konsens.

Wer steht denn auf Ihrer Negativliste?
Wir untersuchen nur die Aktienwerte, die grundsätzlich für die Anlage in Frage kämen, womit diese Negativliste nur einen kleinen Ausschnitt abbildet. Eine Veröffentlichung könnte somit zu völlig verzerrten Schlussfolgerungen führen. Deshalb haben wir darüber Stillschweigen vereinbart.

Das amerikanische Versorgungswerk CalPERS bündelt Shareholder-Macht zur Unterstützung guter Unternehmensführung und ethischer Investments. Was lernen wir von den US-Pensionsfonds, was unterscheidet uns?
CalPERS ist nicht eins zu eins übertragbar. Hier müssen die unterschiedlichen Wirtschafts- und Sozialsysteme gesehen werden. Zum andern haben die Kalifornier da eine Rieseninstitution, wie wir sie sofort nach der Riesterreform nie und nimmer hätten aufbauen können - schon gar nicht bei einem Versorgungswerk mit Marktorientierung. Denn wir sind nicht obligatorisch für die Arbeitnehmer, wir müssen uns verkaufen. CalPERS ist auch ein reiner Pensionsfonds. Wir dagegen bieten unterschiedliche Durchführungswege im Wettbewerb miteinander an, wie auch Pensionskasse und Direktversicherung. In diese traditionellen Instrumente der Altersversorgung kann man bei einem Outsourcing-Modell faktisch keine sozial verantwortlichen Investments einbauen. Hier entscheidet der Markt über die Wahl.

Wäre es gleichwohl irgendwann erstrebenswert, sich auch auf Hauptversammlungen Gehör zu verschaffen, zumal dort ja auch die Interessenverbände der Kleinaktionäre sehr rege sind?
Das sehen wir überhaupt nicht als unsere Aufgabe. Fragestellungen einer Unternehmensführung so von außen lösen zu wollen, halte ich für einen Schmarren. Und wie wollen Sie in einer gemeinsamen Einrichtung zweier Tarifparteien - und im deutschen System der betrieblichen Altersversorgung brauchen Sie diese Partnerschaft, damit es überhaupt läuft - einem Partner erklären, dass er sich mit seinen Unternehmerkollegen anlegen soll?

Es geht also nur um Altersversorgung?
Es geht um mehr: Unsere Chance ist, den Wandel zur zusätzlichen Altersversorgung in Deutschland zu einem Win-win-Projekt für beide Seiten zu machen: Für die Unternehmen durch Entlastung von Lohnnebenkosten und Bereitstellung eines serviceorientierten Angebotes und für die Arbeitnehmer durch die hohe Förderung, die in der betrieblichen Altersversorgung möglich ist - und die Altersvorsorge wird auch dann, wenn Hartz IV zum Zug kommt, nicht angetastet. Für dieses Projekt muss die Klientel auf beiden Seiten begeistert werden.

Die Begeisterung hält sich in Grenzen. Bis heute haben 140 000 Arbeitnehmer/innen über das Versorgungswerk MetallRente Verträge abgeschlossen, das sind weniger als bei Gründung erhofft. An diesem Punkt wird dann gern gefordert, die Riesterrente sollte obligatorisch sein.
Wir setzen auf Eigeninitiative. MetallRente ist das dynamischste aller deutschen Versorgungswerke und gerade dabei, das größte zu werden. Der Prozess braucht seine Zeit, das war auch in anderen Ländern so. Und Sparzwang würde unsere Probleme der Altersversorgung nie und nimmer lösen, denn die für den Arbeitnehmer notwendige Höhe an Eigenvorsorge zur Deckung der Rentenlücke kann keine Partei per Dekret durchsetzen - ohne Wähler zu verlieren. Sie ist nur durch Einsicht der Menschen realisierbar. Insofern kann Übereifer hier schädlich sein. Wir sind ein Marktversorgungswerk und fühlen uns gut dabei.

SRI
Socially Responsible Investment = sozial verantwortliche Investitionen

§115.4 Versicherungsaufsichtsgesetz § 115 Abs. 4 VAG lautet:
"Der Pensionsfonds muss die Versorgungsberechtigten schriftlich darüber informieren, ob und wie er ethische, soziale und ökologische Belange bei der Verwendung der eingezahlten Beiträge berücksichtigt." Damit ist ein Transparenzgebot geschaffen, ohne einen Zwang im Hinblick auf SRI auszuüben.

CalPERS
California Public Employees' Retirement System - Renten- und Gesundheitsversorgungswerk für die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes in Kalifornien. Beteiligt sind 1,4 Millionen Beschäftigte und 2500 Arbeitgeber.

MetallRente
7000 Unternehmen und 140000 Arbeitnehmer/innen sind dabei, über das Versorgungswerk MetallRente eine "Betriebsrente" aufzubauen - sei es als Rentenbaustein oder als Einmal-Auszahlung. Allein in 2004 sind 44000 Verträge hinzugekommen, in diesem Jahr flossen 176 Millionen Euro über das Versorgungswerk an jene Finanzdienstleister, die die Versorgungseinrichtung im Auftrag von MetallRente GbR betreiben. Diese Partnerschaften wurden in jüngster Zeit ausgebaut. Neben Allianz, Victoria, BHW und der WestLB sind nunmehr noch die R + V, Swiss Life, die Volksfürsorge und die Hamburg-Mannheimer Versicherung vertreten.

MetallRente ist das gemeinsame Versorgungswerk von IG Metall und dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall. Darüber können Arbeitnehmer mit beträchtlicher steuerlicher Förderung eine betriebliche Altersversorgung aufbauen und dafür Teile ihres Monatsentgelts, aber auch tarifliche Sonderzahlungen wie Weihnachts- und Urlaubsgeld oder vermögenswirksame Leistungen nutzen. Die Durchführungswege sind Direktversicherung, Pensionskasse und Pensionsfonds. Die meisten Arbeitnehmer wählen die Pensionskasse (88,5 Prozent) und zahlen durchschnittlich 1294 Euro pro Jahr in die Metallrente. Wenn es der Arbeitgeber anbietet, haben die Beschäftigten bei der Direktversicherung und der Pensionskasse jeweils die Wahl zwischen drei Anlagevarianten - einer sicherheitsorientierten, einer klassischen und einer fondsgebundenen Variante, die risikoreicher, aber möglicherweise auch lukrativer ist.

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