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Elizabeth Currid-Halkett Magazin Mitbestimmung

Konsum: Nachhaltig ausgegrenzt

Ausgabe 06/2021

Elizabeth Currid-Halkett hinterfragt den Konsum der neuen Eliten, die sich moralisch überlegen fühlen. Sie kommt ihnen dabei auf die Schliche. Von Kay Meiners

Glücklich lebt, wer im Verborgenen lebt. Es scheint, als hätten sich die Eliten der großen Metropolen diesen Aphorismus des römischen Dichters Ovid zu eigen gemacht. Es sind Menschen, die gut gebildet und produktiv sind wie das Bürgertum des 19. Jahrhunderts, die sich aber wenig aus jenen Dingen machen, die früher als Statussymbole galten. Die US-Kulturwissenschaftlerin Elizabeth Currid-Halkett nennt sie die „aufstrebende Klasse“ – und fragt, wofür sie eigentlich ihr Geld ausgeben. 

Die Massenproduktion hat längst die meisten materiellen Güter – vom Auto bis zum Computer – erschwinglich gemacht. Exklusiviät funktioniert weniger über klassische Statussymbole der Elterngeneration, eher über die seltene Biotomate, deren Erzeuger man kennt, die teure Nanny, den Yogakurs oder die Privatschule mit Geigenunterricht. Die Wissenschaftlerin nennt solche Ausgaben „unauffälligen Geltungskonsum“.

Vieles spricht dafür, dass wir es nur mit einer etwas modernisierten Variante bürgerlichen Verhaltens zu tun haben. Die These, mit der Currid-Halkett ihr Buch bestreitet, enthält aber eine dramatische Zuspitzung: Die Autorin glaubt, dass dieser unauffällige Konsum der neuen Eliten die Gesellschaft nachhaltiger spaltet als der Konsum früherer Generationen. Currid-Halkett sieht darin den Ursprung einer „neuen Klassenteilung“, ein egoistisches Verhalten, das als gemeinnützig, ökologisch oder moralisch überlegen deklariert wird.

Mit genau solchen Thesen versuchte man im letzten US-Wahlkampf, den Hass der Trump-Wähler auf die Eliten des linksliberalen Amerika zu erklären. Es wäre zu untersuchen, wie das konservative Amerika konsumiert und ob es hier wirklich so viel anders oder gar moralischer zugeht. Wohl kaum. Daher ist Vorsicht geboten. Man sollte der Zuspitzung nicht zu voreilig folgen.

Currid-Halkett beschreibt ein typisches Elitenphänomen, das man in der Geschichte immer wieder beobachten konnte: Die Werthaltung der privilegierten Klasse wird auch denen auferlegt, die unter ganz anderen Bedingungen leben und arbeiten müssen. Der Blick auf die Ungleichheit in der eigenen Gesellschaft geht dabei verloren.

Das ist unterhaltsam zu lesen und oft entlarvend. Currid-Halkett ist eine hervorragende Beobachterin der neuen Eliten und eine wortstarke wissenschaftliche Kolumnistin. Sie vermittelt, dass Konsum Symbole und Zeichen transportiert, die weit über die Materialität der Waren hinausgehen. Prestige, so lernen wir, geht nicht immer mit dem Erwerb teurer Objekte einher, sondern mit dem richtigen Gebrauch der richtigen Objekte in der richtigen Umgebung. Die Autorin zitiert hier die Klassiker der Konsumkritik, sodass das Buch auch theoretisches Wissen vermittelt.

Einen pointierten Schluss findet das Buch nicht. Da wird gefragt, ob es die Gesellschaft weiterbringt, wenn die Besserverdiener zur Biotomate greifen, um dann festzustellen, dass lokaler, bewusster Konsum doch „konstruktiver“ sei und ein „besseres Wertesystem“ schaffe als die „blinkende Konsumkultur der 1980er und frühen 2000er“. Ja, was denn nun?

Lesenswert ist das Buch dennoch – vor allem weil es zeigt, dass die aufstrebende Klasse, so wie Privilegierte früherer Zeiten auch, glücklich im Verborgenen lebt und mit ihrem zunehmend immateriellen Konsum die Besitz- und Machtverhältnisse zugleich zementiert und verschleiert.

Elizabeth Currid-Halkett: Fair gehandelt? München, btb Verlag 2021. 368 Seiten, 12 Euro

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