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Ökonomin Lena Dräger Magazin Mitbestimmung

: "Staatsschulden werden in der Regel nicht zurückbezahlt"

Ausgabe 03/2021

Ökonomin Lena Dräger über die Schuldenlast nach der Pandemie, steigende Inflation und die Aussicht auf einen digitalen Euro.

Frau Dräger, während der Pandemie ist die Staatsverschuldung stark gestiegen. Bürden wir den kommenden Generationen da nicht eine große Last auf?

Staatsschulden werden in der Regel nicht zurückbezahlt, sondern nach Ablauf ihrer Frist neu aufgelegt. Es geht nicht darum, den absoluten Wert der Schulden zurückzuzahlen. Entscheidend ist die Zinslast. Wenn die Zinsen niedrig sind, aber das Wachstum hoch, stabilisiert sich die Schuldenquote, also das Verhältnis von Staatsverschuldung und Bruttoinlandsprodukt. Solange die Zinsen relativ niedrig bleiben – und im Moment deutet nichts darauf hin, dass sie in den nächsten 10 bis 20 Jahren massiv ansteigen werden –, kann sich die Schuldenquote durch das Wachstum verringern.

Nicht nur die Bekämpfung der Pandemie kostet – zusätzlich sollen die marode Infrastruktur auf Vordermann gebracht und die Energiewende befeuert werden.

Die weit verbreitete Einschätzung in der Wirtschaftswissenschaft dazu ist: Man erwartet einen Ertrag aus einer Investition und vergleicht ihn mit den Zinsen, die man dafür aufwenden muss. Ich halte das für sinnvoll. So entscheiden auch Unternehmen. Momentan ist es für den Bund so, dass die Zinsen negativ sind. Der Bund bekommt also Geld dafür, dass er Schulden aufnimmt. Zugleich stehen derzeit viele öffentliche Investitionen an, die sich lohnen würden.

Steigt durch den erwarteten Post-Corona-Boom die Gefahr der Inflation?

Wenn es wirklich zu einer Überhitzung käme, müsste die Europäische Zentralbank (EZB) gegensteuern und den Zins deutlich anheben. Aber genauso muss erläutert und begründet werden, warum Inflationsraten leicht über dem Inflationsziel, etwa von 3 Prozent, nach Jahren zu niedriger Raten der Wirtschaft helfen könnten, das Investitionsniveau zu steigern und die Niedrigzinsphase zu beenden.

Die EU erwägt, ein digitales Bargeld einzuführen – eine Antwort auf den Aufstieg privatwirtschaftlicher Kryptowährungen. Ist jetzt der richtige Zeitpunkt dafür?

Die Pandemie und der digitale Euro haben nur sehr wenig miteinander zu tun. Den Trend zum bargeldlosen Bezahlen haben wir schon länger. Ein Großteil des Geldes, das umläuft, ist ja längst digital, etwa das Geld auf unseren Konten. Nur der kleinere Teil existiert physisch – in Form von Münzen oder Geldscheinen. Ein digitaler Euro würde eine direkte Verbindung zwischen den Endverbrauchern und der EZB herstellen.

Welchen Vorteil hat das?

Sie könnten dort ein Konto eröffnen. Und die Zentralbank könnte ihrerseits Haushalten und Firmen direkt Geld zur Verfügung stellen, ohne dass es den Bankensektor als Vermittler braucht. So sichert die EZB ihren Einfluss auf die Unternehmen und Haushalte und damit auf die Akteure, die letztendlich mit ihren Entscheidungen das reale Wachstum und die Inflation beeinflussen. Ein Beispiel: Die EZB stellt Banken Geld zur Verfügung, doch die sind bei der Kreditvergabe am Ausgang der Krise noch unsicher. Die Kreditvergabe steigt nicht, das Geld kommt in der Wirtschaft nicht an. Mit dem digitalen Euro könnte die EZB die Banken umgehen und Unternehmen sowie Haushalte direkt adressieren. Das ist für ihre geldpolitische Steuerung von Vorteil. Deshalb gehe ich davon aus, dass der digitale Euro kommen wird.

Zur Person

Lena Dräger ist Professorin für Volkswirtschaftslehre an der Leibniz Universität Hannover. Seit April ist sie Senior Research Fellow des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung.

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