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: Strukturwandel des deutschen Forschungssystems - Herausforderungen, Problemlagen und Chancen

Seit dem Strukturwandel des deutschen Forschungssystems in den 1980er Jahren ist eine Verstärkung wettbewerblicher Elemente in der Forschungsfinanzierung zu beobachten; seit den 1990er Jahren kommen Evaluationen und öffentliche Leistungsvergleiche hinzu. Die institutionellen Evaluationen haben nicht nur eine Verständigung über Qualitätsstandards stimuliert, sondern auch die Leistungsfähigkeit der Forschung gestärkt. Dem verstärkten Wettbewerbsdruck korrespondiert allerdings eine intensiver werdende Debatte darüber, ob auf diese Weise Anpassungsleistungen an eine Mainstream-Forschung oder eine starke - über Programme definierte - Forschung erzeugt wird, die in Widerspruch zu der ebenso erwünschten innovativen, offenen und nur sehr begrenzt planbaren Grundlagenforschung geraten könnte.
Die jüngsten Veränderungen in der Governance des Forschungs- und Ausbildungssystems sind in ihren Auswirkungen bisher nicht in toto überschaubar. Steuerungsparameter werden verändert, ohne dabei einem Masterplan zu folgen, so dass es im gegenwärtigen Reformprozess zu Widersprüchlichkeiten und ungeplanten Akkumulationen kommt. Für die betroffenen Forschenden ist dies einerseits belastend, weil es ein hohes Maß an situativer Reaktionsfähigkeit erfordert, ohne dass längerfristige Planbarkeit und Berechenbarkeit gegeben ist, andererseits befreiend, weil sich mit wachsender institutioneller Autonomie, flexiblerer und diversifizierterer Förderung, neuen Kooperationsmustern und neuen Karrierewegen eine Fülle von Chancen einstellen.
Dabei ist einerseits die Auflösung fester Grenzziehungen innerhalb des Forschungssystems festzustellen, die andererseits neue Konfigurationen, insbesondere zwischen universitärer und außeruniversitärer Forschung ermöglicht. Mittlerweile betreiben Fachhochschulen ernstzunehmende Forschung, aus Max-Planck-Instituten und Universitäten werden Firmen ausgegründet.
Auch die Karrieremuster für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler verändern sich schnell und grundlegend. Das betrifft die Qualifikationsanforderungen, aber auch die Graduiertenausbildung. Eines der größten Probleme ist, das fehlen eines konsistenten Gesamtmodells wissenschaftlicher Karrieren, ihrer institutionellen und rechtlichen Einbettung und gestaltbarer Ausstiegsoptionen aus der akademischen Karriere.
Die zunehmende Internationalisierung erzeugt vielfältige Konsequenzen. Sie betrifft sowohl Standards in den Qualifikationsphasen, die Kooperationsbeziehungen der Forscher, die Ausbildung einer Infrastruktur, die die Antragsfähigkeit deutscher Wissenschaftler verbessert, aber auch internationales Marketing, die Internationalisierung der Förderinstrumente und der Rekrutierungspolitiken. Die demographische Entwicklung in Deutschland, die Globalisierung von "Wissenschaftsmärkten" sowie die Forschungsinvestitionen durch die Wirtschaft stellen das deutsche Forschungssystem vor große Herausforderungen.
Forschung und Ausbildung werden vor neue Herausforderungen gestellt und neue Handlungsoptionen werden aufgezeigt. Hochschulen und außeruniversitäre Einrichtungen sollen verstärkt für den Arbeitsmarkt ausbilden, Lösungen für gesellschaftliche Problemlagen anbieten, mehr Drittmittel im Wettbewerb einwerben, international renommierte Forscherinnen und Forscher an sich binden, Consulting für Politik, Wirtschaft und Gesellschaft anbieten, und müssen neue Strukturen schaffen, mit denen sie die gewonnene Autonomie ausfüllen und die Managementerfordernissen bewältigen.

Quelle

Hornbostel, Stefan; Simon, Dagmar: Strukturwandel des deutschen Forschungssystems - Herausforderungen, Problemlagen und Chancen
Arbeitspapier, Düsseldorf, 50 Seiten

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