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HBS Böckler Impuls

Hartz IV: Zwei Ämter sind zuviel

Ausgabe 06/2009

Eine Entflechtung der von Kommunen und Arbeitsagenturen gemeinsam betriebenen Job-Center würde vielen Langzeitarbeitslosen das Leben schwerer machen.

Das Bundesverfassungsgericht hat die 370 als Arbeitsgemeinschaften (ARGEn) zwischen Arbeitsagenturen und Kommunen konstruierten Grundsicherungsstellen für verfassungswidrig erklärt. Es handele sich um eine unzulässige Mischverwaltung: Der Bürger könne nicht mehr erkennen, "wen er wofür verantwortlich machen kann".

Bis Ende 2010 hat der Gesetzgeber nun Zeit, eine verfassungskonforme Lösung für den Fortbestand der ARGEn zu finden. Andernfalls müssten Kommunen und Arbeitsagenturen die gemeinsamen Job-Center wieder entflechten und so arbeiten, wie es heute in den 23 Kommunen geschieht, die sich mit der Arbeitsagentur nicht auf die Einrichtung einer ARGEe einigen konnten: Die Arbeitsagentur wäre zuständig für Arbeitslosengeld II und Arbeitsförderung, die Kommune für Unterkünfte und soziale Förderung. Wissenschaftler vom Institut Arbeit und Qualifikation (IAQ) haben im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung untersucht, wie gut die Hartz-IV-Verwaltung im Modell der "getrennten Aufgabenwahrnehmung" (GAW) funktioniert.

Ihr Ergebnis: "Das Leitbild Dienstleistung aus einer Hand - das zentrale Versprechen der Hartz-IV-Reform - ist in der GAW nicht zu erreichen". Kommune und Arbeitsagentur stehen in einem Konkurrenzverhältnis und haben unterschiedliche Organisationskulturen: Die Chefs der Kommunalverwaltungen neigen dazu, die Arbeitsagenturen als inflexibel und zentralistisch zu betrachten; in den Arbeitsagenturen gelten die Kommunen als chaotisch und unwirtschaftlich. Obwohl sich die Arbeitsebene um eine effiziente Kooperation bemüht, gibt es große Reibungsverluste. Sind die Einkommensverhältnisse komplizierter als beim "Norm-Antragssteller", kommt es oft zu Abstimmungsproblemen bei der Leistungsberechnung. Ein Grund: Die beiden meist räumlich getrennten Behörden haben kein gemein­sames EDV-System, sondern verständigen sich per Post oder Bote. Das IAQ resümiert: Kooperative Formen wie die ­ARGEn oder einheitliche Lösungen wie in den Optionskommunen seien der GAW in jedem Fall vorzuziehen.

Johannes Kirsch, Mathias Knuth, Gernot Mühge, Oliver Schweer: Chancen zur Integration von Leistungsprozessen in der getrennten Aufgabenwahrnehmung im SGB II, April 2009

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