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HBS Böckler Impuls

Haushaltspolitik: Zu viel Sparen kann teuer werden

Ausgabe 14/2011

Die geplanten Sparprogramme könnten die Wirtschaftsentwicklung in einigen Euro-Ländern stärker bremsen, als die Regierungen einkalkuliert haben. Das geht aus der Modellrechnung eines Ökonomen des Internationalen Währungsfonds hervor.

Finanzpolitiker in vielen Ländern stehen nach der globalen Wirtschaftskrise vor einem Dilemma: Einerseits müssten die Staaten sparen, weil Bankenrettung und Konjunkturprogramme die Verschuldung in die Höhe getrieben haben. Andererseits können Ausgabenkürzungen die Konjunktur abwürgen. Daniel Kanda vom Internationalen Währungsfonds (IWF) hat ein ökonomisches Modell entwickelt, aus dem sich der Weg ableiten lässt, den die Finanzpolitik in verschiedenen Euro-Ländern voraussichtlich einschlagen wird.

Die Berechnungen des Forschers machen deutlich: Mit den verkündeten Sparprogrammen könnte eine Reihe von Ländern eher übers Ziel hinausschießen als sich zu wenig um die Hauhaltskonsolidierung kümmern. Falls die angestrebten Ausgabenkürzungen auch nur etwas stärker auf die Wirtschaft durchschlagen als erwartet, würde die Konjunktur mehr leiden, als die heutigen Regierungen eigentlich hinzunehmen bereit wären.
Kanda prognostiziert auf der Basis zahlreicher EU- und IWF-Daten die Entwicklung einer „Nachhaltigkeitslücke“ und einer „Produktionslücke“ – in Abhängigkeit von der Ausrichtung der Finanzpolitik im jeweiligen Land. Die Nachhaltigkeitslücke gibt an, wie weit die Politik hinter einer Haushaltsführung zurückbleibt, bei der die Schuldenquote langfristig nicht weiter steigen würde. Die Produktionslücke ist ein Maß dafür, wie weit die tatsächliche Güter- und Dienstleistungsproduktion dem möglichen Output bei voller Auslastung der Kapazitäten hinterherhinkt.

Wirtschaftswachstum wichtiger als Haushaltskonsolidierung

Welche der beiden Lücken von der Regierung als die problematischere angesehen wird, ist von Land zu Land verschieden. Aus der Kombination von jeweiliger Wirtschaftslage und den Haushaltsbeschlüssen für 2011 leitet der Wissenschaftler ab, inwieweit die einzelnen Staaten bereit sind, zugunsten der Haushaltssanierung konjunkturelle Rückschläge hinzunehmen. Dabei zeigt sich, dass alle Regierungen der Konjunktur den Vorzug geben. Am größten ist die Bereitschaft, die Nachhaltigkeitslücke zu verkleinern und eine größere Produktionslücke hinzunehmen, noch in Italien, am geringsten in Deutschland. Dieses Ergebnis sei auf den ersten Blick überraschend, so Kanda, lasse sich aber erklären: Wegen der hohen Verschuldungsquote sei der Konsolidierungsdruck in Italien eben wesentlich höher als in Deutschland.

Sehr unterschiedlich sind der Prognose zufolge auch die Zeiträume, in denen die Nachhaltigkeitslücken voraussichtlich geschlossen werden. So dürfte Irland – das Land mit der größten Finanzlücke, aber eins mit ambitionierten Sparplänen – etwa 20 Jahre brauchen, bis das Schuldenwachstum gestoppt ist. Dagegen könnte sich der Prozess in den Niederlanden und Deutschland 10 Jahre länger hinziehen. Im Falle Deutschlands liege das vermutlich daran, dass die Nachhaltigkeitslücke relativ klein ist und kein dringendes Problem darstelle. Am schnellsten gesunden nach Kandas Rechnung Frankreich und Italien.

Für alle sechs untersuchten Länder gilt: Die angekündigten Konsolidierungskurse sind recht ehrgeizig, sie lassen überall ein kontinuierliches Schrumpfen der Nachhaltigkeitslücke erwarten. Eine Gefahr, dass Regierungen die Haushaltssanierung für einige Jahre schleifen lassen, um dann mit umso größeren Anstrengungen auf den Konsolidierungspfad zurückkehren zu müssen, sieht der Ökonom nicht. Viel eher sorgt er sich um die Konjunktur: Wenn viele europäische Länder gleichzeitig die Staatsausgaben kürzen, könnte der negative Effekt auf das Wirtschaftswachstum stärker sein, als die Finanzplaner derzeit erwarten. In diesem Fall wären aber auch die angekündigten Sparprogramme Makulatur, weil die Regierungen eine Rezession vermutlich nicht tatenlos hinnehmen könnten.

Gustav Horn, der wissenschaftliche Direktor des IMK, folgert daher: Die europäischen Staaten täten besser daran, bei der Haushaltskonsolidierung von Anfang an etwas vorsichtiger zu Werke zu gehen. Horn verweist zudem auf eine weitere IWF-Studie. 2003 hat das unabhängige Evaluationsbüro des Währungsfonds die Folgen von 133 IWF-Programmen zur Gesundung der Staatsfinanzen untersucht. Ergebnis: Die negativen Auswirkungen auf das Wachstum sind regelmäßig unterschätzt worden.

  • Die angekündigten Konsolidierungskurse der europäischen Regierungen sind ehrgeizig - wenn die Sparprogramme auf die Konjunktur durchschlagen, könnten sie sich als zu ehergeizig erweisen. Zur Grafik

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