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HBS Böckler Impuls

Konjunktur: Wettbewerbspakt schwächt Euroland

Ausgabe 07/2011

Die deutsche Wirtschaft wächst in diesem Jahr kräftig. Doch für 2012 trüben sich die Aussichten ein. Die Eurokrise bleibt die größte Hypothek für die Konjunktur.

2,7 Prozent Wirtschaftswachstum prognostizieren die Wissenschaftler des IMK, des Pariser OFCE und des WIFO aus Wien in diesem Jahr für Deutschland. Die drei Forschungsinstitute haben ein grenzübergreifendes "Makrokonsortium" gegründet und legen ihre erste gemeinsame Prognose vor. 2012 erwarten die Forscher dann eine deutliche Abkühlung: Das Bruttoinlandsprodukt werde nur noch um 1,7 Prozent zunehmen. Steigende Rohstoffpreise, das Sparpaket der Bundesregierung, höhere Sozialabgaben und insbesondere der forcierte Konsolidierungskurs in vielen Mitgliedstaaten der EU bremsten die Konjunktur. Die Eurozone, so die Experten, stehe weiterhin unter großem Druck, ihre wirtschaftliche Zweiteilung verstärke sich noch. Im Durchschnitt werden die Länder der Währungsunion nach der Prognose

in diesem und im kommenden Jahr um 1,5 Prozent wachsen. Doch während beispielsweise Deutschland oder die Niederlande stärker zulegten, schrumpfe die Wirtschaft in Griechenland und Irland zunächst weiter, Spanien erlebe eine Stagnation.

Mit dem "Pakt für den Euro" ließen sich die Ungleichgewichte in der Euro-Union und die daraus entstandene Krise nicht lösen, warnen die Wissenschaftler. Als Fortschritt sehen sie den dauerhaften Krisenmechanismus, der auch über 2013 hinaus Staatspleiten im Euroraum sehr unwahrscheinlich macht. Noch wichtiger wären allerdings Reformen, die verhinderten, dass Euro-Staaten überhaupt in die Nähe eines Bankrotts geraten. Diese Anforderung erfülle der Pakt nicht. "Ein Politik-Mix, der Krisenstaaten undifferenzierte Sparprogramme und eine Kopie der einseitigen deutschen Exportorientierung verordnet, wird die Euroländer nicht stärken, sondern schwächen", sagt der Wissenschaftliche Direktor des IMK, Gustav Horn.

IMK, OFCE und WIFO schlagen einen anderen Weg vor: einen Europäischen Währungsfonds, der präventiv verhindert, dass die Leistungsbilanzen der Euroländer wie in den vergangenen Jahren weiter auseinander laufen. Das könne nur gelingen, wenn sich auch Länder wie Deutschland, die Niederlande oder Österreich, die chronische Leistungsbilanzüberschüsse aufweisen, an einer Überwindung der Ungleichgewichte beteiligen, indem sie ihre Binnennachfrage stärken.

Zu den für die Konjunkturprognostiker abschätzbaren wirtschaftlichen Risiken kommen noch die schwer absehbaren Folgen der Atomkatastrophe in Japan. Und noch ein weiterer Faktor könnte die Konjunkturentwicklung nach Analyse der Forscher in naher Zukunft destabilisieren: Ab 2016 gelten für den Bund die neuen Kreditgrenzen im Grundgesetz, die so genannte Schuldenbremse. Deshalb sinkt der Verschuldungsspielraum kontinuierlich. "Die Politik muss darauf vorbereitet sein, dass es im Übergangzeitraum bis 2016 zu einem erneuten Konjunktureinbruch kommen kann", warnt Horn. "Wenn es keine Puffer gibt, wird die rigide Schuldenbremse eine effektive Stabilisierungspolitik unmöglich machen."

Die Forscher empfehlen deshalb, Vorsorge zu treffen. Nach ihren Berechnungen wird der Bund in den Jahren 2012 bis 2014 jeweils rund 10 Milliarden Euro weniger Kredite aufnehmen müssen, als nach den neuen Verschuldungsregeln erlaubt wäre. Diese Beträge sollten auf dem dafür vorgesehenen Kontrollkonto verbucht werden, um in konjunkturell schwächeren Phasen mehr Bewegungsfreiheit zu haben. "Der Spielraum, der sich jetzt auftut, darf nicht für konjunkturell wenig effektive Steuersenkungen verschwendet werden; er sollte als Sicherheitsabstand im Rahmen der Schuldenbremse genutzt werden", so Horn.

  • Die wirtschaftliche Zweiteilung der Eurozone dürfte sich nach der Konjunkturprognose von IMK, OFCE und WIFO 2011 und 2012 noch vertiefen. Die meisten Länder nördlich der Alpen wachsen mit Raten von 1,5 Prozent und mehr. Dagegen schrumpft die Wirtschaft in Griechenland, Irland und Portugal zunächst weiter, Spanien erlebt eine Stagnation. Zur Grafik

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