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HBS Böckler Impuls

Ein-Euro-Jobs: Ungelernte kommen zu kurz

Ausgabe 14/2006

Ein-Euro-Jobs erfreuen sich großer Beliebtheit. Sie werden allerdings nicht gezielt für Arbeitslose mit schlechten Vermittlungschancen eingesetzt und können in einigen Bereichen reguläre Stellen gefährden.

Schon in den 90er-Jahren hat die so genannte "Beschäftigung mit Mehraufwandsentschädigung" massiv zugenommen. Seit Herbst 2004 erlebt diese ursprünglich für erwerbsfähige Sozialhilfeempfänger konzipierte Beschäftigungsart einen Boom in Form der Ein-Euro-Jobs. Offiziell: Arbeitsgelegenheit mit Mehraufwandsentschädigung. Sozialversicherungspflichtige Varianten der Arbeitsbeschaffung wie ABM sind dagegen auf dem Rückzug.

Alexandra Wagner vom Forschungsteam Internationaler Arbeitsmarkt hat anhand von IAB-Erhebungen die Eckdaten zum Einsatz der Ein-Euro- oder Zusatzjobs zusammengestellt. 2005 zeichneten sich bereits klare Trends ab:

  • Qualifizierte Langzeitarbeitslose werden genauso oft in Zusatzjobs vermittelt wie Ungelernte - obwohl diese Jobs in erster Linie für Personen mit besonderen Vermittlungsproblemen gedacht waren. Generell ist die Wahrscheinlichkeit niedrig, dass besonders förderbedürftige Personen einen Ein-Euro-Job bekommen.
  • Im ersten Halbjahr 2005 haben je Quartal 5,5 Prozent der ALG-II-Bezieher einen Zusatzjob angenommen. Dabei ist der Anteil der Ein-Euro-Jobber an allen in Frage kommenden Arbeitslosen in Ostdeutschland höher als im Westen.
  • Die Mehraufwandsentschädigung pro Stunde liegt beinahe ausnahmslos zwischen 1 Euro und 1,50 Euro. Im Durchschnitt bekamen Ein-Euro-Jobber damit monatlich 139 Euro zum Arbeitslosengeld II dazu.

Das IAB kritisiert vor allem die mangelnde Zielgenauigkeit der Maßnahmen: Ungelernte, Ältere, Kranke, Schwerbehinderte kämen zu kurz. In Westdeutschland werden gering qualifizierte Frauen weniger gefördert als gering qualifizierte Männer.

Zudem besteht die Gefahr, dass Ein-Euro-Jobs sozialversicherungspflichtige Beschäftigung verdrängen. Überprüfungen des Bundesrechnungshofs ergaben: Bei fast einem Viertel der Arbeitsgelegenheiten waren die Fördervoraussetzungen nicht erfüllt. In weiteren 50 Prozent der Fälle wurden Jobs ohne genaue Kenntnis der Arbeitsinhalte vergeben.

Die Befürchtungen bestätigt der Politologe Rüdiger Bröhling, der im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung die bisherigen Erfahrungen mit Ein-Euro-Jobs in zwei hessischen Kommunen ausgewertet hat. Ein-Euro-Jobs müssen laut Gesetz "zusätzlich" sein. Das heißt, die Jobber dürfen nur Tätigkeiten verrichten, die ohne Förderung unterbleiben würden. In der Praxis ist eine genaue Abgrenzung allerdings schwierig, wie Bröhling an mehreren Beispielen zeigt.

Beispiel öffentlicher Dienst: Hier findet seit Jahren ein kontinuierlicher Personalabbau statt - mit der Folge, dass Arbeit, die früher von regulär Beschäftigten erledigt wurde, über lange Zeiträume liegen bleibt. "Diese Arbeiten Zusatzjobber besorgen zu lassen, entspricht zwar dem Regelungswortlaut, widerspricht aber dem Zweck der Norm", urteilt der Forscher.

Beispiel Beschäftigungsgesellschaften: Gemeinnützige Firmen, die Ein-Euro-Jobber einstellen, sind auch in "marktnahen" Bereichen tätig. Sie führen zum Teil Arbeiten aus, die ohne Förderung von anderen Marktteilnehmern erledigt würden, etwa im Recycling-Sektor.

Beispiel Altenhilfe: Hier ist eine formale Abgrenzung zwischen notwendigen und zusätzlichen Arbeiten relativ leicht möglich, unter anderem weil entsprechende Definitionen im Regelwerk der Pflegeversicherung vorliegen. Dennoch besteht praktisch auch in diesem Bereich die Gefahr, dass Ein-Euro-Jobber in chronisch unterbesetzten Einrichtungen reguläre Tätigkeiten übernehmen.

  • Ein-Euro-Jobs werden nicht gezielt für Arbeitslose mit großen Vermittlungsproblemen eingerichtet und können reguläre Stellen gefährden. Zur Grafik

Alexandra Wagner: Arbeitsgelegenheiten - eine vorläufige Zwischenbilanz des Instruments, MonApoli-Arbeitspapier, Juni 2006.
Studie zum Download (pdf)

Rüdiger Bröhling: Der Einsatz so genannter Zusatzjobs in zwei hessischen Kommunen, Arbeitspapier der Hans-Böckler-Stiftung, Juni 2006.
Arbeitspapier zum Bestellen

mehr Infos zum Projekt und Abschlussbericht zum Download (pdf)

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