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HBS Böckler Impuls

Verbraucherrechte: Transparenz für fairen Konsum

Ausgabe 14/2012

Oft fehlen Verbrauchern Informationen, um eine sozial oder ökologisch bewusste Kaufentscheidung zu fällen. Neue Berichtspflichten für Unternehmen könnten helfen.

Globale Arbeitsteilung, verschlungene Lieferketten und Arbeitsmarkt-Deregulierung in vielen Industrieländern – ob ein Produkt unter akzeptablen Bedingungen für Mensch und Umwelt hergestellt wurde, ist oft kaum abzuschätzen. Dabei sind mündige Verbraucherinnen und Verbraucher in einer weltweit offenen Konsumgesellschaft wichtiger denn je, betont die Arbeitsrechts-Professorin Eva Kocher. Schließlich seien Gesetze zum Schutz von Beschäftigten nicht überall gleich streng, oder sie würden häufig aufgrund „struktureller Schwächen der Rechtsdurchsetzung“ nicht greifen. Verantwortungsvoller Konsum helfe damit nicht nur den direkt Betroffenen, denn: „Die Missachtung von Arbeits- und Beschäftigungsstandards birgt gesellschaftliche Risiken für Demokratie und sozialen Zusammenhalt.“

Daher liegt es für Kocher im gesellschaftlichen Interesse, wenn der Staat dafür sorgt, dass Konsumenten auch die notwendigen Informationen für verantwortungsvolle Kaufentscheidungen erhalten. Freiwillige Berichte, die Unternehmen im Rahmen von Corporate Social Responsibility zum Teil liefern, reichen dazu nach Analyse der Juristin von der Viadrina-Universität Frankfurt (Oder) nicht aus. Kocher plädiert für neuartige Berichts- und Informationspflichten, damit Unternehmen Arbeitsbedingungen transparent machen – und zwar möglichst über die gesamte Wertschöpfungskette hinweg.

Anknüpfungspunkte im Wettbewerbsrecht. In einer Expertise für die Friedrich-Ebert-Stiftung hat die Rechtswissenschaftlerin zusammen mit Forscherkolleginnen und -kollegen untersucht, wie Transparenzregeln aussehen könnten. Anknüpfungspunkte macht sie sowohl im deutschen Gesellschafts- und Verbraucherschutzrecht aus als auch auf europäischer Ebene. Allerdings böten die derzeit existierenden Vorschriften noch keine echte Handhabe.

So erkennt das deutsche Gesetz gegen Unlauteren Wettbewerb zwar eine Irreführung des Verbrauchers, wenn „wesentliche Informationen“ zurückgehalten und dadurch dessen Entscheidungsfähigkeit beeinflusst wird. Doch nach herrschender Meinung würden die Arbeits- und Produktionsbedingungen nicht zu den wesentlichen Faktoren für eine Kaufentscheidung gezählt, konstatiert Kocher. Eine entsprechende Klarstellung im Gesetz sei nötig.

Die „Modernisierungsrichtlinie“ der EU und ihre deutsche Umsetzung weisen laut Kocher ebenfalls in die richtige Richtung, griffen aber zu kurz. Zwar fordert die EU-Vorschrift von Unternehmen, in ihren Lageberichten auch „nichtfinanzielle Indikatoren“ zu veröffentlichen, insbesondere zu Beschäftigtenbelangen. Die Regelung sei aber bislang so unklar formuliert, dass sie kaum beachtet werde. Die Rechtsprofessorin empfiehlt eine Konkretisierung und Ausweitung. Zudem sollten die Angaben zwingend unabhängig überprüft werden. Kocher denkt an private, behördlich zertifizierte Prüfer. Um die Bindungswirkung der Berichtsvorschriften zu erhöhen, plädiert die Expertin für ein Verbandsklagerecht, mit dem Verbraucherorganisationen und Gewerkschaften die Herausgabe von Informationen durchsetzen könnten.

Welche Indikatoren? Kocher und ihr Team machen keine abschließenden Vorschläge, welche Daten Unternehmen veröffentlichen sollten, um die Qualität der Beschäftigung zu dokumentieren. Sinnvolle Anknüpfungsmöglichkeiten sehen sie aber zum einen in den Anforderungen der Global Reporting Initiative, eines Netzwerks, in dem einzelne Unternehmen, zivilgesellschaftliche Organisationen und gewerkschaftliche Akteure Standards für Nachhaltigkeitsberichte entwickelt haben. Zum anderen könne auch ein Indikatorenrahmen Anregungen geben, wie ihn die Konferenz Europäischer Statistiker 2007 in Zusammenarbeit mit der Internationalen Arbeitsorganisation ILO vorgelegt hat. Nimmt man beide Ansätze zusammen, ergibt sich ein umfangreicher Pool von Indikatoren. Er reicht von der Zahl der Arbeitsunfälle und der Frage, ob Kinderarbeit wirksam ausgeschlossen wird, über Stundenlöhne und den Anteil der atypisch Beschäftigten bis zu Informationen über betriebliche Sozialleistungen und Weiterbildung.

  • Tödliche Arbeitsunfälle sind in Ländern mit mittlerem oder niedrigem Einkommen weitaus häufiger als in wohlhabenden Industriestaaten. Zur Grafik

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