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HBS Böckler Impuls

Mitbestimmung: Standortverlagerung: Selten verhandelbar

Ausgabe 02/2008

Wenn es um das Einführen von Gruppenarbeit oder den Abbau von Hierarchieebenen geht, werden Betriebsräte häufig frühzeitig informiert. Doch bei einer Standortverlagerung oder dem Ausbau von Leiharbeit bleiben sie oft außen vor, so eine Studie.

Welche Chancen haben Arbeitnehmervertreter, bei Rationalisierungsvorhaben in ihrem Betrieb eigene Vorstellungen einzubringen? Zur Beantwortung dieser Frage griffen WSI-Forscher Martin Behrens und Jürgen Kädtler, Direktor am Soziologischen Forschungsinstitut Göttingen, auf die Daten der WSI-Betriebsrätebefragung zur betrieblichen Restrukturierung 2006 zurück. Ergebnis: Wie weit Betriebsräte beteiligt werden, hängt stark davon ab, um welche Art von Restrukturierung es geht.

Behrens und Kädtler identifizierten zwei Gruppen:

=> Operative Dezentralisierung. Dies bezeichnet den Versuch von Unternehmen, Kontrolle über Betriebsabläufe, Kompetenzen und Verantwortlichkeiten zu den ausführenden Beschäftigten - also auf die operative Ebene - zu verlagern. Dazu gehören beispielsweise das Einführen von Gruppenarbeit oder der Abbau von Hierarchieebenen.

=> Strategisches Grenzmanagement. Hierbei handelt es sich um Rationalisierungsmaßnahmen, die über die bestehenden Unternehmensgrenzen hinausreichen. Beispiele wären also die Vergabe von Aufgaben nach außen, eine Standortverlagerung ins Ausland oder der Einsatz von Leiharbeit.

Welche Restrukturierungen kommen vor? 2.000 Betriebsräte aus der Privatwirtschaft mit mehr als 20 Beschäftigten hatten im Telefoninterview ihre Erfahrungen mit Rationalisierungen in den vergangenen zehn Jahren geschildert. Im Schnitt gaben sie für die vergangenen zehn Jahre 4,6 verschiedene Rationalisierungsformen zu Protokoll. Nur sieben Prozent der Befragten hatten in ihrem Betrieb keine einzige Restrukturierung. Am meisten kamen in dieser Zeit Rationalisierungen vor, die sich keiner der beiden Gruppen allein zuordnen lassen. So etwa pauschale Vorgaben zur Kostensenkung, die über die Hälfte der Befragten erlebte. Pauschale Vorgaben zur Personaleinsparung schilderten 43 Prozent.

Ebenfalls 43 Prozent berichteten über die Vergabe von Aufgaben nach außen, fast ein Drittel über den Ausbau von Leiharbeit. 12 Prozent sahen sich in diesem Zeitraum mit Plänen zur Verlagerung von Produktion oder Dienstleistungen ins Ausland konfrontiert. Immerhin 5 Prozent der Betriebsräte gaben an, dass eine Rückverlagerung stattgefunden habe. Operative Dezentralisierung erlebte etwa ein Drittel der Interessenvertreter: Einführung von Gruppenarbeit, Abbau von Hierarchieebenen.

Werden Betriebsräte informiert? Gut 55 Prozent der Betriebsräte erhielten bereits frühzeitig Informationen, knapp ein Fünftel wurde erst zu Beginn der Rationalisierung unterrichtet. Fast ein Viertel der Arbeitnehmervertreter wurde überhaupt nicht informiert. Hier spielt jedoch die Art der Restrukturierung eine große Rolle: Geht es um operative Dezentralisierung, werden Betriebsräte deutlich häufiger im Vorfeld informiert als bei strategischem Grenzmanagement.

Das hängt nach Einschätzung der Autoren nicht nur mit der Rechtslage zusammen: Laut Betriebsverfassungsgesetz haben Betriebsräte immer dann ein Recht auf Beteiligung, wenn es um personelle und soziale Angelegenheiten geht. Bei arbeitsorganisatorischen Veränderungen wie zum Beispiel dem Einführen von Gruppenarbeit liegen also zwingende Mitbestimmungsrechte vor. Wenn Manager darüber hinaus Informationen freiwillig herausrücken, wollen sie die Aushandlungsbeziehungen versachlichen, mutmaßen die Autoren. Sie nennen dies "Offenheit als Überzeugungsmittel".

Können Betriebsräte mitbestimmen? Die meisten Betriebsräte bringen sich über alle Restrukturierungsformen hinweg mit eigenen Vorschlägen ein. Doch besonders stark engagieren sie sich bei der operativen Dezentralisierung. Und auch die Chancen, dass Manager auf Anregungen eingehen, sind bei Hierarchieabbau oder Gruppenarbeit überdurchschnittlich gut. Anders beim strategischen Grenzmanagement: Gerade bei der Verlagerung ins Ausland werden Vorschläge des Betriebsrats besonders oft zurückgewiesen.

  • Bei der Vergabe von Aufgaben nach Außen, dem Ausbau von Leiharbeit oder einer Standortverlagerung bleiben Betriebsräte oft außen vor. Doch wenn es um das Einführen von Gruppenarbeit oder den Abbau von Hierarchieebenen geht, werden sie häufig frühzeitig informiert. Zur Grafik
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